Donnerstag, 6. Januar 2011

EKD Handreichung aus dem Jahr 2006

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Vorwort ... 7
.......... Mit Bedacht trägt diese Handreichung den Titel „Klarheit und gute Nachbarschaft“.

Sie geht vom Respekt für den Glauben und die Überzeugungen von Muslimen aus.
Doch Überzeugungen, auch Glaubensüberzeugungen, können es nicht rechtfertigen,
dass man anderen den Respekt versagt, grundlegende Menschenrechte in Frage stellt und die Achtung der eigenen Überzeugung durch Einschüchterung, Drohung oder Gewaltanwendung einfordert.

Der Respekt vor dem Glauben anderer schließt ein, dass man kritische Rückfragen stellt und auch selbst bereit ist, sich solchen Rückfragen auszusetzen.

Solche Zusammenhänge zu durchdenken hat sich die vorliegende Handreichung zur Aufgabe gemacht. Sie ist eine Einladung zum Gespräch auch in den Bereichen unserer Gesellschaft, in denen dieses Gespräch noch nicht in Gang gekommen ist.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Handreichung hat die Bundesregierung einen Dialog mit Muslimen begonnen, um weitere Schritte zur gesellschaftlichen Integration voranzubringen. Der Rat der EKD hofft, dass die hier vorgelegten Überlegungen in wichtigen Fragen zur Klarheit verhelfen und die gute Nachbarschaft in
unserer Gesellschaft fördern.
Bischof Dr. Wolfgang Huber
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
Hannover, im November 2006


Einleitung ... 11

1. Evangelische Christen in der Begegnung mit Muslimen ... 15

1.1 Die Wahrheit und die Toleranz der christlichen Mission ... 15
Die Glaubensgewissheit an den dreieinigen Gott leitet die evangelische Kirche auch, wenn sie die Begegnung mit Muslimen sucht. Sie kann sich nicht auf die Ebene bloß menschlicher Gewissheiten begeben und die Wahrheit Gottes relativieren, der sich in Jesus Christus und in der Kraft des Geistes allen Menschen zu ihrem Heil zuwendet.

Eine Wahrheit zu verkündigen, die gleichzeitig Unwahrheit sein könnte, ist widersinnig. Darauf kann kein Mensch sein Leben bauen. Aber das Ereignis der Wahrheit Gottes gilt trotz der Begrenztheit und Unvollkommenheit des menschlichen Zeugnisses. Das ist die Basis, von der aus die evangelische Kirche das Gespräch mit Muslimen über ihren Glauben, über ihre Gottesverehrung und deren Konsequenzen für die Lebensführung sucht.


Das bedeutet aber: Während Christen andere Menschen zu der Anerkennung der Wahrheit des dreieinigen Gottes werbend einladen, präsentieren andere Religionen einen anderen Entwurf ihrer Gotteserfahrung und Gottesverehrung. Gott duldet das, indem er den Religionen, die seiner Zuwendung zu uns Menschen in Jesus Christus widersprechen, Raum und Zeit gibt, um seine Liebe kennen zu lernen.

Bezeugt die evangelische Kirche diesen Gott den Menschen einer anderen Religion wie dem Islam, dann darf sie Gottes Geduld nicht durch die Anwendung von Zwang in Frage stellen. Intoleranz und Ungeduld im Reden und Handeln einer christlichen Kirche schaden der Glaubwürdigkeit der Wahrheit.

Wahrhafte Toleranz gedeiht nach evangelischer Überzeugung nur im Vertrauen auf die konkrete Wahrheit Gottes, nicht durch ihre Verleugnung. Auf dieser geistlichen und geistigen Toleranz gründet die Dialogbereitschaft und Dialogfähigkeit der evangelischen Kirche mit Muslimen.



1.2 Chancen und Grenzen des Glaubens an den „einen Gott“ ... 18
Der Islam stellt aus Sicht der evangelischen Kirche einen Sonderfall einer nichtchristlichen Religion dar. Er ist eine nach-christliche Religion, die häufig auf das Alte und Neue Testament Bezug nimmt und so eine Verwandtschaft mit dem christlichen Glauben anzuzeigen scheint.

Bibel und Koran sprechen von Gott als dem Schöpfer und Richter der Welt. Der Glaube an diesen Gott ist für Christen untrennbar verbunden mit dem Glauben an Jesus Christus, seinen Sohn. Von den Muslimen wird Jesus als Prophet hoch verehrt, nicht jedoch als Erlöser und Gottessohn anerkannt.


So sind die Person Jesu und seine Verehrung im Islam Anknüpfungspunkte für das Gespräch zwischen den Angehörigen beider Religionen, nicht aber Inhalt gemeinsamen Glaubens. Eine Verständigung zwischen Christen und Muslimen scheint zumindest darüber zu erzielen zu sein, dass beide Religionen „einen Gott“ verehren.

Im Christentum ist dieser Glaube nach muslimischer Überzeugung zwar verfälscht worden. Aber Muslime billigen Christen zu, dass sie sich mit der Offenbarung Gottes in Israel auf den Gott beziehen, von dem Mohammed den Islam als die aus ihrer Sicht letztgültige Offenbarung empfangen hat.

Auf der anderen Seite können Christen einräumen, dass der Islam auf die Verehrung des transzendenten Gottes zielt, der zum christlichen Glauben gehört. Allerdings stellt die Offenbarung Gottes in Jesus Christus Gott als Vater Jesu Christi, des gekreuzigten und auferstandenen Erlösers, dar, der Koran sieht Gott als Schöpfer und Richter.


So wertvoll die Entdeckung von Gemeinsamkeiten im christlichen und muslimischen Glauben ist, so deutlich werden bei genauerer Betrachtung die Differenzen.

Die Feststellung des „Glaubens an den einen Gott“ trägt nicht sehr weit. Der Islam geht von einem eigenen Glauben und Gottesbild aus, auch wenn er auf die Bibel und ihre Lehren verweist. Deren Darstellungen ordnet er seiner neuen Lehre unter, die weder die Trinitätslehre noch das Christusbekenntnis und die christliche Heilslehre kennt.


Die evangelische Kirche kann sich jedoch bei ihrem Glauben an Gott in Christus nicht nur mit einer ungefähren Übereinstimmung mit anderen Gottesvorstellungen begnügen. Glaube ist nach christlichem Verständnis personales Vertrauen auf den Gott der Wahrheit und Liebe, der uns in Christus begegnet.

Am rechten Glauben entscheidet sich nach Martin Luther geradezu, wer für die Menschen überhaupt „Gott“ heißen darf. Woran der Mensch sein „Herz hängt“, das ist sein Gott (vgl. Martin Luther, Großer Katechismus, in: Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen

Kirche, Göttingen 1930/1998, S. 560).

Ihr Herz werden Christen jedoch schwerlich an einen Gott hängen können, wie ihn der Koran beschreibt und wie ihn Muslime verehren. Dieses Ergebnis ist zugleich richtungsweisend für die Frage der gemeinsamen Gottesverehrung (vgl. unten Abschnitt 5.2).


Gleichzeitig sind die zwischen Christentum und Islam bestehenden Gemeinsamkeiten eine Herausforderung zum Dialog, auch wenn sich hier und dort Zweifel am schleppenden Dialogprozess zwischen der evangelischen Kirche und Muslimen ausbreiten.

Eine konfliktfreie Zone der Gottesverehrung kann es nicht geben, wenn der Anspruch beider Religionen, Gottes Offenbarung zu bezeugen, ernst genommen wird. Denn eine Religion ist in geschichtlicher Konkretion lebendig, nicht in religionstheologischen Konstruktionen.

Die evangelische Kirche kann aber in jenen Gemeinsamkeiten „Spuren“ (so in Zusammenleben mit Muslimen, 2000) oder Zeichen erkennen, dass sich der Gott der Bibel auch Muslimen nicht verborgen hat. Diese Spuren begründen keinen gemeinsamen Glauben und erst recht keine gemeinsame Verkündigung oder Frömmigkeitspraxis. Aber sie rufen doch Christen und Muslime auf, in dieser zerrissenen Welt Menschen auf Gott hinzuweisen.


1.3 Die Intentionen der evangelischen Kirche bei der Begegnung mit Muslimen ... 19

2. Muslime in der Demokratie - Spannungsbereiche gesellschaftlicher Integration ... 22
2.1 Die Rolle der Religionen im säkularen Rechtsstaat ... 23
2.1.1 Demokratische Prinzipien und Islam ... 25
2.1.2 Religionsfreiheit als Grundrecht ... 27
2.1.3 Freiheit zum Religionswechsel ... 31

2.2 Menschenrechte und Islam ... 32
2.2.1 Grundlagen islamischen Rechts: Die Scharia ... 32
2.2.2 Menschen- und Minderheitenrechte im Islam ... 35
2.2.3 Konfliktfelder (religiöse Minderheiten, Konvertiten, Strafrecht und Stellung der Frau) ... 36

2.3 Religiös legitimierte Gewalt und der Friedensauftrag beider Religionen ... 42
2.3.1 Glaubenskampf und Haus des Islams ... 43
2.3.2 Der Dschihad ... 44
2.3.3 Der Friedensauftrag beider Religionen ... 45

2.4 Religion, Migration und Integration ... 46
2.4.1 Zuwanderung und Leitbild Integration ... 46
2.4.2 „Multikulturelle Gesellschaft“ in der Kontroverse ... 48
2.4.3 Integration und gesellschaftlicher Dialog ... 50



EKD
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