Donnerstag, 31. März 2011

Worte zum Tag

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Wer sich von der Wahrheit nicht besiegen läßt, 
wird vom Irrtum überwunden.

Augustinus Aurelius (354 - 430), Bischof von Hippo, Philosoph und Kirchenvater
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Sonntag, 27. März 2011

Wenn Atheisten feststellen, dass es Gott gibt ...

 
Christen und Atheisten diskutierten am Donnerstag Abend in Berlin sehr heftig über Glauben und Unglauben. Mit dabei waren Wilhelm Inkamp, Matthias Matussek und Gloria von Thurn und Taxis 


Berlin (kath.net/idea) Wäre die Welt ohne Religion besser dran? Darüber diskutierten Journalisten, Wissenschaftler und Unternehmer am 24. März vor 270 Zuhörern in Berlin. Eingeladen hatte die Disput Berlin GmbH, die die Streitkultur fördern möchte.

Bei der von Ex-„Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust moderierten Diskussion sprachen sich je vier Vertreter für bzw. gegen eine Welt mit Religion aus.

Alan Posener (Berlin), Korrespondent für Politik und Gesellschaft der Zeitung „Welt am Sonntag“, sagte, wer ordentlich vorsorge, brauche nicht zu beten. Er forderte die Religionen zum Wettbewerb auf: „Lasst uns sehen, wer die besseren Werke vollbringt!“ Posener beobachtet eine Radikalisierung der Religionen. So benutze der Islam inzwischen „Handys und Plastiksprengstoff“.


Scharfe Kritik übte Posener auch an Papst Benedikt XVI., der gegen den Pluralismus kämpfe. Mit seinem absoluten Wahrheitsanspruch verschärfe er den Kampf der Religionen. Allzu oft lebten sie nach dem Motto „Wer nicht will mein Bruder sein, dem schlage ich den Schädel ein“. Im 2. Buch Mose im Alten Testament stehe auf Ehebruch, Selbstbefriedigung und das Sammeln von Reisig am Sabbat die Todesstrafe. Eine solche Religion lasse sich nicht verteidigen.

Die Sozialwissenschaftlerin und Frauenrechtlerin, Necla Kelek (Berlin), argumentierte, dass Religion häufig eine Quelle von Krieg und Machtmissbrauch sei. So seien die Kreuzzüge, der Dreißigjährige Krieg und der islamische sogenannte Heilige Krieg, der Dschihad, im Namen der Religion geführt worden.
Die Kieler Kriminologin Prof. Monika Frommel sagte, Moral bedürfe keiner organisierten Religion, sondern der praktischen Vernunft. Auch ohne Religion könne man Nächstenliebe und Mitleid üben.
Frage: Woher kommt denn Nächstenliebe? Im Menschen angelegt ... anerzogen ... durch Gottes Liebe?  Das sie im Menschen nicht angelegt ist, sondern die Gier herrscht, stellte schon Nietzsche fest ..... Immer wieder staune ich über Leute, die sich für gebildet halten und doch die einfachsten Zusammenhänge nicht erfassen können.  

Atheist: Heidenspaß statt Höllenqual

Der Pressereferent der atheistischen Giordano-Bruno-Stiftung, der Pädagoge Philipp Möller (Berlin), sprach sich dafür aus, dass „der Staat den Kirchen nicht länger Steuermilliarden in den Arsch bläst“. Eine offene Gesellschaft brauche keine staatlich finanzierte Mythologie. 

An Gott zu glauben sei ebenso absurd wie der Glaube an die Zahnfee. Anstatt Religion brauche der Mensch Wissenschaft, Philosophie und Künste. Möller: „Wir sind für Diesseits statt Jenseits, für Heidenspaß statt Höllenqual.“ Der jüdische Glaube sei der Aberglaube einer primitiven Hirtenkultur.

Wenn Atheisten feststellen, dass es Gott gibt ...

Scharfen Widerspruch erntete Möller vom Wallfahrtsdirektor des katholischen bayerisch-schwäbischen Wallfahrtsortes Maria Vesperbild (Bistum Augsburg), Wilhelm Imkamp. Wer den jüdischen Glauben als primitiv bezeichne, betreibe Judenverfolgung. Für Atheisten wie Möller, die glauben, dass es „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Gott“ gebe, bestehe ein Restrisiko: „Wenn Sie feststellen, dass es Gott doch gibt, sind Sie ganz schön im Eimer.“ Gott sei eine Ressource für alle Situationen des Lebens, und die Kirche sei der Dienstleister, um diese zu nutzen. Imkamp bot dem noch ungetauften Moderator Stefan Aust an, die Taufe nachzuholen.

Christlicher Glaube ist Teil des Alltags

Der katholische „Spiegel“-Autor Matthias Matussek (Hamburg) vertrat die Ansicht, dass die Religion die entscheidenden Fragen stelle: „Wie soll ich leben? Und was kommt danach?“ Dagegen betreibe der Atheismus „biologistische Erbsenzählerei“. In einem naturalistischen Weltbild sei der Mensch „nichts als Biologie“. Dagegen sei der christliche Glaube fester Bestandteil des Alltags. So sei die Gottesebenbildlichkeit des Menschen in Artikel 1 des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) verewigt. Das 20. Jahrhundert mit seinen Kriegen und Massenmorden sei ein Schlachthaus und habe gezeigt, wie eine Welt ohne Religion aussieht. Dass jemand den jüdischen Glauben als primitiven Aberglauben abtue, habe es in Deutschland schon einmal gegeben. Matussek zitierte dazu einen Ausspruch Adolf Hitlers (1889-1945): „Das Gewissen ist eine jüdische Erfindung, eine Verstümmelung des menschlichen Wesens.“ Matussek wurde dafür von Teilen des Publikums ausgebuht.

Atheismus bietet keinen Trost

Die katholische Unternehmerin Fürstin Gloria von Thurn und Taxis (Regensburg) sagte, wenn man die Religion überwinde, herrsche Aberglauben. Zudem habe der Atheismus einem verzweifelten Menschen keinen Trost zu bieten.

Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber (Berlin) erklärte, eine Gesellschaft brauche sowohl religiös als auch moralisch gebildete Menschen. Religion gebe dem Leben Halt und Sinn. Der Mensch frage über sich selbst hinaus, und es sei fatal, wenn er dabei nur auf sich selbst treffe. Zudem gebe es keine Instanz, die besser geeignet sei, Religionskritik zu betreiben als die Religion selbst. Huber: „Ich habe gelernt, Religions- und Kirchenkritiker zu sein.“ Er kenne kein Buch, das eine tiefere Einsicht in die Sündhaftigkeit des Menschen habe als die Bibel. Zugleich biete sie die befreiende Botschaft, dass man jeden Tag neu anfangen könne.

Zu Beginn und zum Ende der Veranstaltung wurden die Zuhörer mittels elektronischer Abstimmung nach ihrer Meinung befragt. Zu Beginn waren 35,7 Prozent für eine Welt ohne Religion und 56,3 Prozent für eine Welt mit Religion; 8 Prozent enthielten sich. Am Ende der Debatte stimmten 35,5 Prozent der Zuhörer für eine Welt ohne Religion, 58,1 Prozent dagegen, und 6,4 Prozent enthielten sich.

Quelle


Jani's Anmerkung: ..... folgt .... gerade wenig Zeit




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Freitag, 25. März 2011

Und wenn man nur einen retten kann ....

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Als der alte Mann bei Sonnenuntergang den Strand entlang ging, sah er vor sich eine junge Frau, die Seesterne aufhob und ins Meer warf. Nachdem er sie schließlich eingeholt hatte, fragte er sie, warum sie das denn tue.

Ihre Antwort war, dass die gestrandeten Seesterne sterben würden, wenn sie bis Sonnenaufgang am Strand liegen blieben.„Aber der Strand ist viele, viele Kilometer lang und Tausende von Seesterne liegen hier,“ erwiderte der Alte. „ Was macht es also für einen Unterschied, wenn Du Dich abmühst?“

Die junge Frau blickte auf den Seestern in ihrer Hand und warf ihn in die rettenden Wellen. Dann meinte sie: 

„Für diesen hier macht es einen Unterschied“


 
 

Die Weisheit in dieser Geschichte: In der Version des Jerusalemer Talmuds sind die Worte "aus Israel" ausgelassen und der Spruch bezieht sich damit auf alle Menschen, nicht nur Juden: 
"Jeder, der eine Seele erhält:
es wird ihm angerechnet, 
als hätte er die ganze Welt erhalten"

Die Frage, die sich stellt:  Wie rettet man eine Seele? Antwort steht in der Bibel! 

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Mittwoch, 23. März 2011

2. Woche „Gott sei mir Sünder gnädig“ – Ich bin nicht vollkommen

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16.03.2011 - 15:00 
7 Wochen Ohne Fastenmail

„Gott sei mir Sünder gnädig“ – Ich bin nicht vollkommen

Lukas 18,9-14
Das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner

Er sagte aber zu einigen, die sich einbildeten, fromm zu sein, und die andern verachteten, dies Gleichnis: Zwei Männer gingen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich allein hin und betete so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. Doch der Zöllner blieb hinten stehen und wollte auch nicht die Augen zum Himmel aufheben, sondern schlug sich an die Brust und sagte: Gott, sei mit Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt in sein Haus hinab, nicht aber jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.
   
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Wenn immer wir die Sünden und Fehler anderer betrachten, stellt sich leicht das wohlige Gefühl der Selbstgerechtigkeit ein. Nach außen hin empören wir uns: „Wie kann man nur…!“ Aber innerlich empfinden wir eine klammheimliche Genugtuung. Der Blick auf das, was andere falsch machen, erweckt in uns den trügerischen Eindruck, trotz aller Unvollkommenheit doch ganz in Ordnung zu sein. Freilich: Schon die Tatsache, dass wir es für ein gutes Selbstgefühl offensichtlich nötig haben, auf andere herabzuschauen, sollte uns misstrauisch machen.



„Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die anderen Leute: Räuber, Betrüger, Ehebrecher... oder auch dieser Zöllner…“ – Warum messen wir uns so gern an offensichtlichen Sündern? An dem Politiker, den man bei einem Vergehen  erwischt hat, dem Promi, dessen Ehe in Scherben liegt, oder an der bigotten Nachbarin, die zwar ständig fromme Worte im Mund führt, aber deren Kinder gerade auf die schiefe Bahn geraten (was uns im gleichen Maß entsetzt wie insgeheim befriedigt)? Ist das nicht letzten Endes eine Ausrede: der traurige Versuch, uns selbst gerecht zu sprechen, indem wir auf die Sünden anderer verweisen? Und wäre das nicht ein spannendes Ausreden-Fasten, wenn wir in den nächsten Wochen mal völlig darauf verzichten würden, über die Verfehlungen anderer nachzudenken?



Schließlich gibt es genügend Leute, an denen wir uns stattdessen messen könnten: die großzügig, aufrichtig und liebevoll durchs Leben gehen und angesichts derer Lebensführung uns jede Selbstgerechtigkeit im Halse steckenbleibt. Etwa den Kollegen, der finanziell große Probleme hat und dennoch ehrlich bleibt. Oder die alleinerziehende Nachbarin, die tagtäglich zu kämpfen hat und dennoch für jeden ein gutes Wort findet. Wäre es nicht ein viel besseres Gebet, zu sprechen: „Herr, von diesen Leuten möchte ich mir eine Scheibe abschneiden“, statt durch den Hinweis auf die Sünden anderer von der eigenen Unvollkommenheit abzulenken?



Vielleicht wagen wir uns in den kommenden Tagen sogar einmal an das Gebet des Zöllners: „Herr, sei mir Sünder/in gnädig.“ Man muss gar nicht unbedingt tief gefallen sein, um diese Worte zu sprechen. Es genügt, einfach mal ehrlich nach innen zu schauen. Was nützt der Blick auf andere? Wir selbst sind nicht so, wie wir eigentlich sein sollten. Wir sind oft nicht mal so, wie wir eigentlich sein wollen. Wir bleiben weit hinter unserem inneren Potenzial zurück. Um das Gebet des Zöllners zu sprechen, bedarf es weder einer ausgesprochenen Verdorbenheit noch eines besonders empfindlichen Gewissens. Alles, was wir zu tun brauchen, ist die Augen unseres Herzens öffnen. Und das, was wir anderen Menschen nicht gerne offenlegen, wenigstens uns selbst und Gott gegenüber eingestehen: Ich bin Sünder. Ich entspreche nicht dem, was ich eigentlich sein könnte und sollte.



„Herr, sei mir Sünder gnädig“ heißt in diesem Zusammenhang: „Gott, mach’ trotzdem etwas aus mir. Gebrauche mein Leben. Lass mich trotzdem eine Spur der Liebe und des Segens ziehen. Lass mich diese Welt als einen besseren Platz hinterlassen. Auch wenn ich oft weit hinter meinem Potenzial zurückbleibe: Kraft deines Potenzials können selbst der größte Sünder und die größte Sünderin noch Segen bewirken. Denn deine Vollkommenheit ist stärker als meine Unvollkommenheit.“
   
Dr. Klaus Douglass
Pfarrer und Autor (www.douglass.de

Referent für missionarisches Handeln und geistliche Gemeindeentwicklung im Frankfurter Zentrum Verkündigung (www.zentrum-verkuendigung.de)

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Montag, 21. März 2011

Hoffen, bangen, glauben

Erdbeben, Tsunami, Atomgau: 

Wie Japaner und eine Deutsche in Tokio auf die Krise reagieren

Von Helmut Frank

Tausende Tote, weite Teile des Landes verwüstet, ein drohender atomarer Supergau: Japan wird von der schlimmsten Katastrophe seiner Geschichte heimgesucht. Wie die Bevölkerung mit der Krise umgeht und warum eine deutsche Pfarrerin in Tokio ausharrt.

Für Pfarrerin Elisabeth Hübler-Umemoto geht ein langer Tag zu Ende. Gespräche, Telefonate mit Gemeindemitgliedern, Interviews mit Medien. Seit 2003 betreut sie die deutschsprachige evangelische Gemeinde in Tokio (Einen persönlichen Bericht lesen Sie hier). »Kontakte halten« ist ihr jetzt wichtig, wo die Verkehrswege unberechenbarer und umständlicher sind. »Sich anrufen, Mails austauschen, sich gegenseitig Mut machen, die Angst teilen.«

Wie Millionen andere Menschen in Japan muss sie in diesen Tagen immer neue Schreckensmeldungen verarbeiten. Erstmals wurde bei einer erneuten Explosion im Kernkraftwerk Fukushima 1 die innere Schutzhülle eines Reaktorblocks beschädigt. Drei Reaktoren des Atomkraftwerks sind inzwischen explodiert, auch am Reaktorblock 2 entstanden offenbar Schäden am Reaktorbehälter. In der 35-Millionen-Metropole Tokio wurden bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe bereits erhöhte Strahlenwerte gemessen.

Warum reagieren die Japaner so gelassen, so diszipliniert auf die Katastrophen? »Japaner sind stark, wenn sie eine fest definierte Rolle ausfüllen müssen. Das hilft jetzt sehr um in dieser unermesslichen Notlage zu tun, was nötig ist«, sagt Elisabeth Hübler-Umemoto. Sie weiß aber auch: »Spontaneität ist nicht so ausgeprägt in der japanischen Kultur.« Umso erfreulicher sei der Tanklastzugfahrer, der sein Fahrzeug mit Trinkwasser füllt und zum nächsten verwüsteten Dorf fährt, um den Menschen Wasser zu bringen. Dazu sagt er: »Ich freue mich sehr, dass ich diesen Beitrag leisten kann.« Oder jene Frau, die von einem Soldaten auf dem Rücken aus den Trümmern getragen wird und sich auf so unverwechselbar japanische Weise bedankt: »Sumimasen - ich kann dir dafür nichts zurück geben«, oder »osewani narimashita - ich fühle mich schuldig dafür, dass du etwas für mich tun musst, was du normalerweise nicht tun musst.«

Während nach der Flutkatastrophe 2005 in New Orleans das verzweifelte Recht des Stärkeren die Oberhand gewann, nehmen in Japans Jahrhundertkatastrophe Gemeinschaftsgefühl und Opferbereitschaft zu. In den Tagen nach dem Erdbeben wurden offenbar keine Supermärkte geplündert und keine Häuser ausgeräumt. Die Überlebenden halfen einander, sie sammelten sich in Gruppen und teilten Reis und Wasser.

Die Bedrohung durch Erdbeben, Tsunamis und Wirbelstürme prägt die japanische Volksseele seit Menschengedenken. Dazu kommt die Erfahrung zweier Atombombenabwürfe am Ende des Zweiten Weltkriegs mit ihren verheerenden Folgen. Vergänglichkeit, Zerstörung und Neuaufbau werden von jeder Generation aufs Neue erfahren.

Die Verneigung vor der Vergänglichkeit alles Irdischen hat deshalb auch ein religiöses Symbol gefunden: Das heiligste Gebäude des Schintoismus - neben dem Buddhismus die wichtigste Religion Japans - wird alle 20 Jahre abgerissen und neu aufgebaut.

Doch stoische Freundlichkeit und rituelle Diszipliniertheit der Japaner haben auch eine Schattenseite. Es gilt als unhöflich, seinem Gegenüber schlimme Dinge zuzumuten. Vielleicht lässt deshalb die Informationspolitik in der momentanen Krise zu wünschen übrig. Elisabeth Hübler-Umemoto berichtet von einem »oberpeinlichen TV-Auftritt« von wissenschaftlichen und leitenden Mitarbeitern des Kernkraftwerks Fukushina 1, die sich vor laufenden Kameras »einen Dreck scheren um die Sorgen, die sich alle machen«. Sie streiten sich im Saal der Pressekonferenz, wer jetzt welches Info- bzw. Datenblatt hat und wer sprechen darf.
  
»Die Schwächen der hiesigen Kultur werden an einigen Stellen jetzt deutlich«, sagt Hübler-Umemoto: »Dass Experten in ihrem Fach es durch alle Institutionen geschafft haben, alle Prüfungen sehr gut bestanden, aber nicht fähig sind, den Kopf klar und oben zu behalten, wenn etwas außer der Reihe zu tun ist, wenn auch der Einzelne Verantwortung für das Ganze tragen muss.«
Spontanität und Improvisation im Krisenmanagement sind den Japanern eher fremd. »Gambatte kudasai - bitte halten sie durch!« wünscht man sich oft bei Problemen und Schwierigkeiten. Auch aus Scham trauen sich die Verantwortlichen nicht, dem Volk die Wahrheit über die Lage in den Kernkraftwerken zu sagen. Erst nach der Explosion mehrerer Reaktoren wurde ein gemeinsamer Krisenstab von Kabinett und der Kernkraftbetreiberfirma Tokyo Electric Power Company (Tepco) eingerichtet, auf Informationen zum Ernst der Lage in den Atomkraftwerken wartete die Bevölkerung bisher vergeblich. Oder sollte damit Panik in der nicht evakuierbaren 35-Millionen-Metropole Tokio vermieden werden?
Als Elisabeth Hübler-Umemoto am Morgen um 5 Uhr aufwacht, ist ihr erstes Gefühl: »Ich will meine Normalität zurück. Kann nicht alles ganz schnell geklärt werden, damit wir weiterleben können?« »Manche fragen mich nach meiner Angst«, schreibt sie, »aber mir geht es eher so, dass ich jetzt merke, was mein Glaube mir bedeutet, dass wir alle in Gottes Hand sind, wo immer wir auch sind.« Sie beklagt sich nicht, dass nun wieder für vier Stunden der Strom abgestellt wird. »Was ist das schon angesichts der vierten Nacht, die viele Opfer im Freien verbracht haben bei Temperaturen um den Gefrierpunkt?« Inzwischen rechnet man mit ca. 20000 Toten, aber für genaue Angaben ist es noch zu früh.
Über die Solidarität aus Deutschland und aus der ganzen Welt freut sie sich. »Wunderschöne Briefe haben uns erreicht, tief anrührende Segenswünsche, eine Flut an Mails der Anteilnahme«. Und sie ist sich sicher, dass die Japaner dann auch gerne bereit sind, ebensolche Hilfe zurückzugeben, wenn andere Länder in Not sind.
Elisabeth Hübler-Umemoto will in Tokio ihre Aufgabe erfüllen, für die Menschen da sein. Erst wenn es zum Schlimmsten kommt, will sie gehen. »Aber soweit ist es noch nicht, so sitzen wir hier, hoffen und bangen und vertrauen, dass wir das Richtige entscheiden.«

  SPENDENKONTO: Die Diakonie Katastrophenhilfe hat ihre Unterstützung für Japan zugesichert. Spenden unter dem Kennwort »Erdbebenhilfe Japan«, Konto 99 880, EKK-Bank, BLZ 520 604 10.
  Allen aktuellen Briefe und Tagebucheinträge von Pfarrerin Elisabeth Hübler-Umemoto finden Sie in ihrem Blog unter  kreuzkirche-tokyo.blogspot.com.

JAPANS KATASTROPHE

Hoffen, bangen, glauben. Erdbeben, Tsunami, Atomgau: Wie Japaner und eine Deutsche in Tokio auf die Krise reagieren. Von Helmut Frank.

»Das Leid passt nicht in eine Seele.« Die deutsche Pfarrerin von Tokio beschreibt die Situation nach den Katastrophen in Japan.
Leiden ist Teil des Lebens Interview mit dem Bochumer Japanologen Hans Martin Krämer.

  SPENDENKONTO: Die Diakonie Katastrophenhilfe hat ihre Unterstützung für Japan zugesichert. Spenden unter dem Kennwort »Erdbebenhilfe Japan«, Konto 99 880, EKK-Bank, BLZ 520 604 

Quelle
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Freitag, 18. März 2011

Kruzifix-Urteil: Italien gewinnt den Prozess in Straßburg

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Die Präsenz von Kruzifixen in Klassenzimmern verletzt nicht die Menschenrechte der Schüler


Rom (kath.net/as) Im Streit um das Kruzifix in öffentlichen Schulen hat der italienische Staat seinen Prozess am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewonnen. Die Große Kammer des Gerichtshofes hat Italien von der Anklage „freigesprochen“, durch die Präsenz von Kruzifixen in öffentlichen Schulen die Menschenrechte zu verletzen.

Das Urteil des Gerichts wurde mit 15 gegen 2 Stimmen approbiert. Die Richter sind der These der Verteidigung gefolgt, dass es keine beweisenden Elemente für eine Beeinflussung der Schüler durch die Anwesenheit eines Kruzifixes in den Klassenzimmern gebe.

Eine Mutter hatte wegen der Kreuze gegen den italienischen Staat geklagt. Eine kleine Kammer des Gerichtshofs hatte ihr im November 2009 Recht gegeben. Das löste in Italien und in der katholischen Kirche Empörung aus. Die italienische Regierung und die Vertretung der Klägerin hatten ihre Positionen am 30. Juni 2010 vor der Großen Kammer dargelegt.

 Quelle 


Hintergrundinformationen

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Montag, 14. März 2011

Das Kreuz mit dem Kreuz

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Gedanken von Pfarrerin Christiane Müller

Zum Thema "Was bedeutet das Kreuz" und "warum ist ausgerechnet das Kreuz das zentrale Symbol der Christenheit, und nicht z.B. das leere Grab" haben schon viele vieles geschrieben. Heute begegnete mir diese Frage mal wieder - aus dem Munde eines kirchlich recht unbeleckten Zeitgenossen, gemütlich morgens beim Frühstücken  im Café. Das wird jetzt kein theologischer Großaufsatz - sondern ein persönliches statement.

Ich trage, seit ich mich habe taufen lassen (da war ich 20) sehr oft sehr bewusst eine Kette mit Kreuz. Warum ich das tue, hat ganz unterschiedliche Gründe. Das Kreuz erinnert mich an den Tag meiner Taufe. Es erinnert mich daran, dass ich zu Jesus gehöre. Es ist ein leeres Kreuz ohne den Körper - und damit ein Auferstehungskreuz. Das leere Kreuz ist ein Symbol dafür, das Jesus Kreuz und Leid durchlebt und durchlitten hat, aber auch, dass er hindurch gegangen ist, dass er auferstanden ist. In diesem Sinn ist das Kreuz eben nicht nur ein Marterinstrument, sondern auch ein Symbol dafür, dass die Kreuze dieser Welt nicht das Letzte sind, das uns Menschen erwartet. Damit hebt sich das Kreuz paradoxerweise selber auf. Es wird durchsichtig für das Leben, das stärker ist als der Tod.

Außerdem erinnert mich jedes Kreuz daran, dass wir an einen Gott glauben, der Mensch geworden ist und dass er nicht gekniffen hat in dem Moment, als das Menschsein für ihn so richtig unangenehm wurde. Götter die unerkannt in Menschengestalt auf Erden wandeln gibt es in sehr vielen Religionen und Kulten. Aber keiner von diesen Göttern hat das Menschsein auch bis zum Schluss durchgetragen. Von Jesus glaube ich, dass Gott in ihm Mensch wurde und dass er in Jesus auch die Seiten des Menschseins geteilt hat, die für so viele Menschen eine Qual sind. Schmerz, Folter, Verrat,,, darin ist er denen nah gekommen, die ähnliches erdulden müssen. Auch wenn das natürlich keine Antwort auf die Frage ist, warum so etwas überhaupt sein muss.

Unvergessen ist mir jener Nachmittag eines 24. Dezembers, als ich vor dem Gottesdienst noch einen Schwerkranken besuchte. Er hatte Kehlkopfkrebs und dort wo normalerweise der Kehlkopf sitzt, klaffte ein Loch. Aber sein Gesicht strahlte, wie ich das noch nie bei einem so kranken Menschen gesehen habe. Dieser Schwerstkranke, Sterbende strahlte mich an. Wir begannen uns zu unterhalten. Ich stellte Fragen und er machte Gesten. Haben Sie Kinder? - Er hielt drei Finger in die Höhe und nickte. Und so fort. Wir verstanden uns auf Anhieb. Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass er bald stirbt; aber ich fragte ihn zum Schluss: "Darf ich Sie segnen?" Er nickte und schloss die Augen. Ich legte ihm die Hand auf den Kopf und hörte mich selbst - sehr zu meiner Überraschung, ich hatte das nicht geplant - den Valetsegen sprechen. Er strahlte mich noch einmal an und drückte mir fest die Hand. Da sah ich das Kreuz an der Wand hängen. Ein Lebensbaum-Kreuz. Ein Kreuz, bei dem die Balken grüne Blätter tragen. Ich zeigte darauf und sagte so etwas wie: "Sehen Sie? Leben aus dem Tod. Es ist gut, dass es hier hängt, und Sie es immer anschauen können." - Er nickte heftig und zustimmend und drückte mir noch mal die Hand. Und in dem Moment begriff ich, was ich vermutlich intuitiv schon die ganze Zeit wusste: Der verabschiedet sich grade. So war es auch. Er starb an diesem Heiligen Abend im Kreise seiner Familie, die kurze Zeit nach mir kam. Seit dem sehe ich die Kreuze, die in Krankenzimmern hängen, mit anderen Augen und bin froh, dass sie da sind.

Der Glaube braucht Symbole - gut dass wir das Kreuz haben. In all seiner Ambivalenz.


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Diet­rich Koller: Ein Evan­ge­lium ohne Kreuz?


Das Thomasevangelium

Kann es das geben? Ein Evan­ge­lium ohne Pas­sions- und Oster­ge­schichten? Evan­ge­lien ohne Weih­nachts­ge­schichte gibt es im Neuen Tes­ta­ment gleich zwei: Markus und Johannes. Aber ein Jesus ohne Kreu­zi­gungs- und Aufer­ste­hungs­be­richt? Ein sol­cher Jesus ohne Kreuz - wäre er für unsere Gene­ra­tion nicht hoch inter­essant, die mit der Vor­stel­lung der Erlö­sung durch den Kreu­ze­stod des Erlö­sers immer weniger anzu­fangen weiß? War doch seit dem Mit­tel­alter bis heute das neu­tes­ta­ment­liche "Wort vom Kreuz" meist miss­ver­standen und fehl­ge­deutet worden - so als bräuchte Gott ein blu­tiges Opfer, um ver­söhnt zu werden.

In dem 1945 in Ägypten wieder ent­deckten Tho­ma­sevan­ge­lium haben wir eine alte Form früh­christ­li­cher Ver­kün­di­gung aus dem ost­sy­ri­schen Raum vor uns. Sie ent­hält aus­schließ­lich Aus­sprüche des Wan­de­rers und Weis­heits­leh­rers Jesus, näm­lich seine Bot­schaft vom Reich des Vaters, das sich im Hier und Jetzt ereignet. Jeder Bezug auf "das hei­lige Kreuz, durch wel­ches die Welt erlöst wurde", fehlt!

Es gibt ein ähn­lich gear­tetes, eben­falls ara­mäi­sches Spru­chevan­ge­lium aus West­sy­rien. Obwohl es selbst ver­loren gegangen ist, konnte die theo­lo­gi­sche For­schung seinen Inhalt rekon­stru­ieren, indem sie jene Jesus­worte zusam­men­stellte, die im Mat­thäus- und Luka­sevan­ge­lium gleich lauten ("Spruch­quelle Q"). Die Theorie besagt, dass Mat­thäus und Lukas beide das Mar­ku­sevan­ge­lium und dieses ver­schol­lene Spru­chevan­ge­lium als Vor­lage benutzt haben, die sie dann jeweils mit ihrem jewei­ligen "Son­dergut" ergänzt haben. Aus Q stammen auch die Worte der Berg­pre­digt, die bei Markus nicht vor­kommen. Das Mar­ku­sevan­ge­lium selbst besteht zur Hälfte aus einer nach den Psalmen gestal­teten Pas­si­ons­ge­schichte. Markus hat seinem Werk als erster die Über­schrift "Evan­ge­lium" gegeben (Markus 1,1). Das ist ein Begriff der Kanz­lei­sprache am römi­schen Kaiserhof, z. B. für eine Amnestie an Kai­sers Geburtstag: eine "Gute Nach­richt".

Das Tho­ma­sevan­ge­lium nun besteht aus 114 ursprüng­lich ara­mä­isch über­lie­ferten Jesus­worten ("Logien"). Etwa Drei­viertel davon ent­spre­chen Jesus­worten, die sich auch in den ersten drei Evan­ge­lien, also bei den "Syn­op­ti­kern" Mat­thäus, Markus und Lukas finden. Bei Thomas scheint jedoch eine zum Teil ältere und ursprüng­li­cher klin­gende Fas­sung über­lie­fert zu werden. Es war für mich ein ergrei­fender Moment, als ich im Januar 2008 im neuen kop­ti­schen Museum in Kairo vor der Vitrine mit der ersten Seite der kop­ti­schen Abschrift dieses Evan­ge­liums aus dem Jahre 350 stand. Diese Abschrift hatte ein Bauer 1945 ent­deckt. Der Vor­spruch lautet: "Dies sind die geheimen Worte, die Jesus der Leben­dige sprach und die Didymus Judas Thomas auf­ge­schrieben hat". Die Worte des Tho­ma­sevan­ge­liums kommen also aus dem Munde dessen, der "Jesus der Leben­dige" genannt wird. Die Titel "Christus", "Herr" oder "Meister" sucht man bei Thomas ver­geb­lich.

Jesus, der Leben­dige: ist das etwa der authen­ti­sche his­to­ri­sche Jesus, den die Jesus­for­schung immer wieder zu finden hofft? Nein! Fragt doch der Engel am Grab auch uns: "Was sucht ihr den Leben­digen bei den Toten?" Der Leben­dige ist der, von dem Lukas in Apo­stel­ge­schichte 1 sagt: "Jesus zeigte sich nach seinem Leiden durch viele Zei­chen als der Leben­dige und ließ sich 40 Tage lang unter ihnen sehen und redete mit ihnen über das Reich Gottes". Genau das tut Jesus im Tho­ma­sevan­ge­lium: Er redet nicht über sein Leiden, Sterben und Aufer­stehen, son­dern über "das König­reich des Vaters". Zu Thomas - und durch ihn zu uns Heu­tigen! - spricht also Jesus ähn­lich wie in den Abschieds­reden des Johan­nes­evan­ge­liums als der für immer Leben­dige, der ewig Gegen­wär­tige. Er sagt kein Wort von einem Opfer- oder gar Süh­netod zur Erlö­sung von Sünde, Tod und Teufel. Er sagt nichts von einer ewigen Seelen-Selig­keit oder ewigen Seelen-Ver­dammnis nach dem Tod. Aber er sagt alles über eine hier und jetzt begin­nende Ver­wand­lung und Trans­for­ma­tion des (natür­li­chen und auch des reli­gi­ösen!) Men­schen in einen Jünger oder eine (aus­drück­lich den Män­nern gleich­ge­stellte und eben­bür­tige) Jün­gerin. Der Schüler/die Schü­lerin "trinkt" in der Nach­folge Jesu unmit­telbar "aus dem Munde des Leben­digen" - und "wird wie ich sein, und ich, ich werde wie er/sie sein" (Logion 108) - also eine Art Spie­gel­bild oder "Zwil­ling" Jesu! Im Tho­ma­sa­ven­ge­lium ver­wan­delt sich Thomas der Zweifler in Thomas den Zwil­ling! Der Jünger wird analog zu Jesus zum Sohn, die Jün­gerin zur Tochter des Vaters.

Am Anfang der Nach­folge ver­stehen die Jünger im Tho­ma­sevan­ge­lium alles falsch. Sie stellen die fal­schen Fragen, weil sie noch einer gesetz­li­chen Fröm­mig­keit ver­haftet und ver­pflichtet sind ("Sollen wir fasten?"). Aber es geht Jesus dem Leben­digen nicht um eine Gehor­sams­be­zie­hung, son­dern um eine part­ner­schaft­liche Bezie­hung, nicht um eine dua­lis­ti­sche Reli­gion, die einen unend­li­chen Abstand zwi­schen Gott und Mensch behauptet und auf­richtet, son­dern um eine Ein­heits­er­fah­rung, um die Mystik der Ver­ei­ni­gung. Adam soll wieder zum Licht­wesen werden. Es geht dem Jesus des Tho­ma­sevan­ge­liums nicht um ein Glauben an das Unsicht­bare (anders als dem Johan­nes­evan­ge­lium: "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!"). Es geht ihm ganz im Gegen­teil um ein Sehen und Schme­cken des All­ge­gen­wär­tigen. Es geht ihm nicht um eine Dog­matik (rich­tige Lehre), son­dern um eine Gnosis (Erkenntnis auf­grund von Erfah­rung).

Das erste Logion gleich nach dem Vor­sprach lautet: "Und er, der Leben­dige, sprach: Wer die Bedeu­tung dieser Worte (dieThomas auf­ge­schrieben hat) findet, wird den Tod nicht schme­cken." Und wann und wo finden und sehen wir diesen leben­digen Jesus? "Wenn ihr euch ohne Scham ent­kleidet, wie es die kleinen Kinder tun" (Logion 37). Kleider ablegen bedeutet bei Thomas vor allem, die "Bilder" ablegen. Gemeint sind damit unsere Ansprüche, wie das Leben zu sein hat, unsere fal­schen Wün­sche, die Titel und Rollen, unsere gewohnten Reak­ti­ons­muster, unsere gesamte gewor­dene Per­sön­lich­keit samt ihrer Ver­drän­gungs­me­cha­nismen, mit denen wir uns vor unserem wahren Sein, vor dem wirk­li­chen Leben, vor dem "leben­digen Vater" drücken und ver­ste­cken. Alle großen Mys­te­rien des Lebens erfahren wir ja buch­stäb­lich nackt: die Geburt, die Taufe, die Hoch­zeit, den Tod. Der Mär­tyrer Bon­ho­effer starb wie Jesus bar aller Kleider - ebenso der Mys­tiker Franz von Assisi.

Das alles geschieht bei Thomas ohne eine Theorie vom Kreuzopfer. Aber alles, was in dieser Art von Nach­folge geschieht, gleicht einem Sterben des natür­li­chen Men­schen und einem Aufer­stehen des Licht­men­schen. Nicht irgend­wann dort und dann im Jen­seits, son­dern hier und jetzt im erwachten Bewusst­sein des all­zeit gegen­wär­tigen Rei­ches Gottes. Schon Diet­rich Bon­ho­effer hat betont: Das Chris­tentum ist keine Erlö­sungs­re­li­gion am Rande und Ende des Lebens, wel­ches die Jen­seits­fragen lösen will. Der Nach­folge- und Umwand­lungs­pro­zess geschieht kon­kret in der Mitte der Welt. "Mitten im Dies­seits jen­seitig sein" nennt Bon­ho­effer das. Und umge­kehrt: "Das Jen­sei­tige ist nur für das Dies­sei­tige da!"

Aber auch der "tho­ma­si­ni­sche Jesus" weiß etwas vom Leiden und Sterben als wesent­li­cher trans­for­ma­tiver mensch­li­cher und geist­li­cher Erfah­rung: "Selig der Mensch, der gelitten hat. Er hat das Leben gefunden" (Logion 58). Oder: "Wer Vater, Mutter und Geschwister nicht ver­achtet (son­dern zwi­schen sich und den wahren Vater treten lässt), kann nicht mein Jünger sein. Und wer sein Kreuz nicht trägt, wie ich es trage, wird meiner nicht würdig sein" (Logion 55). Das ist die ein­zige Erwäh­nung des Kreuzes im Tho­ma­sevan­ge­lium! Einen Spe­zi­al­kult um das Kreuz Jesu, der über das Kreuz der Nach­folge hin­aus­geht, will der leben­dige Jesus des Tho­ma­sevan­ge­liums nicht.

Der christ­liche Glaube ist ein Glaube an den leben­digen, den ver­klärten Jesus hier und jetzt. Das christ­liche Mahl ist keine Gedenk­feier für den Gekreu­zigten ("Tut dies zu meinem Gedächtnis!"), son­dern recht ver­standen eine Feier der Ver­ge­gen­wär­ti­gung des öster­li­chen, des kos­mi­schen Christus. Brot ist ein Symbol des Lebens. Blut ist eben­falls ein Symbol für das Leben. In einem Dop­pel­ri­tual bekommen wir zweimal Anteil am leben­digen Leib und am Leben des Aufer­stan­denen. So kom­mu­ni­zieren wir real und per­sonal mit ihm, dem Leben­digen, in der Gegen­wart des Rei­ches des Vaters.

In Logion 60 fragt Jesus seine Jünger, als sie einen Mann mit einem Lamm auf den Schul­tern sehen: "Was wird er mit dem Lamm machen?" Sie sagen: "Es töten und essen." Er sagt zu ihnen: "Solange es lebt, wird er es nicht essen können." Offenbar meint er damit: Erst wenn ich einmal nicht mehr irdisch bei euch bin, werdet ihr mich wirk­lich (geist­lich) schme­cken können in einer Weise, dass ich in euch über­gehe und ihr in mich. Ähn­lich sagt es der johannei­sche Jesus in seinen Abschieds­reden: "Es ist gut für euch, dass ich zum Vater gehe, sonst käme der Tröster, mein Hei­liger Geist, nicht zu euch" (Joh. 16,7). Das alles aber ist über­haupt keine Opfer­sprache. Es ist Pfingst­sprache.

Reli­gi­ons­ge­schicht­lich betrachtet ist die christ­liche Reli­gion ursprüng­lich keine Erlö­sungs- und Mys­te­ri­en­re­li­gion, son­dern die Weis­heits­lehre eines großen spi­ri­tu­ellen Meis­ters, der selbst trans­for­miert war und seine Schüler und Schü­le­rinnen zu "Kin­dern des Lichtes" trans­for­miert und "wie Schafe unter die Wölfe" in die Fins­ternis der Welt zur Trans­for­mie­rung der Welt schickt. Der Abschied neh­mende Jesus sagt zu ihnen in Mat­thäus 28: "Nun geht hin in alle Welt und macht Men­schen in allen Völ­kern zu meinen Schü­lern!" Wie soll das geschehen? Auf zwei Weisen: 1. "…indem ihr sie in den Tauftod und die Tau­fau­fer­ste­hung ein­ladet". Und 2. "…indem ihr sie lehrt, wie man prak­ti­ziert und so fest­hält an allem, was ich euch in meinen Reden auf­ge­tragen habe." Dabei sind die großen Reden Jesu gemeint, ins­be­son­dere die Berg­pre­digt mit den Selig­prei­sungen (Matth. 5-7), die See­pre­digt mit den Gleich­nissen vom Sämann, vom Unkraut, vom Schatz im Acker (Matth. 13), die Gemein­de­regel mit ihrem Ver­ge­bungs- und Ver­söh­nungs­ap­pell (Matth. 18), die große Pha­ri­sä­er­schelte (Matth. 23) und die End­zeit­rede (Matth. 25).

Man kann sich wun­dern, wes­halb die Kirche eine reli­giöse Kul­t­in­sti­tu­tion wurde, die sich extern von den herr­schenden Mächten sank­tio­nieren ließ, intern jedoch nicht die Lehre Jesu lehrte, wie sie zum Bei­spiel in der Berg­pre­digt oder in den Reich-Gottes-Gleich­nissen über­lie­fert ist. Viel­mehr lehrte sie eine Chris­tus­dog­matik, die nicht die Bot­schaft Jesu, son­dern das Geheimnis seiner Person zum Haup­tin­halt hat. Das alte christ­liche Tauf­be­kenntnis, das "Apo­sto­likum", weiß von Jesus nur "emp­fangen, geboren, gelitten, gekreu­zigt, hin­ab­ge­fahren, aufer­standen, auf­ge­fahren, wie­der­kom­mend, rich­tend". Außer den his­to­ri­schen Eck­daten "Maria" und "Pon­tius Pilatus" sind alle soge­nannten Heil­stat­sa­chen aus der altägyp­ti­schen Reli­gion über­nommen: Jung­frau­en­ge­burt, Tod und Aufer­ste­hung, Toten­au­fer­ste­hung, Welt­ge­richt.

Das ist zwar für die Jesus­be­we­gung ein hilf­rei­ches, ja zen­trales Deu­tungs­muster geworden, um das Geheimnis Jesu des Leben­digen zu bekennen. Aber ich möchte doch den ursprüng­li­chen Geist der Jesus­be­we­gung gerade für unser heu­tiges Leben wieder in den Mit­tel­punkt stellen: die von den Apo­steln (inklu­sive Thomas) über­lie­ferten Worte der Bot­schaft Jesu vom ange­bro­chenen Reich des Vaters, von der den Men­schen trans­for­mie­renden Nach­folge ins Licht, von der Berg­pre­digt als revo­lu­tio­närem Lebens­stil. Wir brau­chen wieder einen unge­heu­eren Bewusst­seins­schub von der insti­tu­tio­na­li­sierten und dog­ma­ti­sierten Reli­gion zur Weis­heit Jesu, vom Aber­glauben zum Licht, vom ange­passten zum alter­na­tiven Lebens­stil. 

Diese zwei unter­schied­lich akzen­tu­ierten Gestalten des einen Chris­ten­tums gab es von Anfang an. Sie können und müssen heute neu ins Gleich­ge­wicht gebracht werden. Dazu hilft uns das Tho­ma­sevan­ge­lium als "ein Evan­ge­lium ohne Kreuz".


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Eine kleine Geschichte – Zum Sorgen verführt

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Eines Tages saßen die Teufel beieinander, so erzählt eine alte Legende. Seit einiger Zeit wälzten sie nun schon den einen Gedanken hin und her: „Wie schaffen wir es, die Christen von ihrem Glauben abzubringen?“ Plötzlich kam einer der Teufel auf eine Idee: „Ich hab’s! Wir machen den Christen weis, Gott wäre nur ein menschlicher Gedanke. Dann haben wir leichtes Spiel mit ihnen.“

Einige Teufel nickten. „Ja, dass müsste klappen.“ Doch ein erfahrener Teufel blieb skeptisch: „Das wird nicht gehen“, meinte er, „was die Christen so mit ihrem Gott erleben, greift so tief in ihr Inneres ein, dass so ein plumper Trick nicht verfängt. Und obendrein wissen wir Teufel doch auch, dass es einen Gott gibt. Und wovon man selbst nicht überzeugt ist, kann man anderen schlecht vermitteln!“

Nach längerem Grübeln rückte einer mit dem nächsten Vorschlag heraus: „Wir setzen den Christen mit Leid und Kummer kräftig zu. Das wird sie mürbe machen und an der Liebe Gottes zweifeln lassen.“

„Ach nein“, wehrten sogleich einige ab, „wie oft haben wir das schon versucht?! Und jedes Mal hat es die Christen in ihrem Glauben gefestigt und noch tiefer gegründet. Auch dieser Vorschlag taugt nichts.“

Schließlich kam dem jüngsten der Teufel ein glorreicher Einfall: „Wir überschütten das Herz der Christen einfach mit großen und kleinen Sorgen aller Art. Nacht und Tag werden die Gläubigen dann damit zubringen und dadurch mutlos werden. Je mehr sie an ihre Sorgen denken, desto weniger Zeit werden sie haben, auf ihren Gott zu hören und sich ihm zu widmen. Und was wäre uns lieber als das?!“

Begeistert sprangen die anderen Teufel auf und stimmten einmütig dem Vorschlag zu. Und seitdem sind sie unterwegs, um die Christen mithilfe von Sorgen an ihrem Gott irre zu machen.

Eine alte Legende nur, also etwas Ausgedachtes. Aber jeder nachdenkliche Mensch wird den tiefen Sinn verstehen:  was gedankliche Zweifel nicht vermögen, was Kummer und Leid nicht schaffen, das gelingt dem Sorgen: Das Band zwischen Gott und uns wird langsam lockerer, ja manchmal wird es sogar gelöst. 


von Christoph Morgner aus "Gelassen leben lernen - wenn Sorgen uns bedrängen

Donnerstag, 10. März 2011

7 Wochen ohne ....

der Ehrliche ist immer der Dumme - diese Alltagsweisheit bringt es auf den Punkt: Wer nicht schummelt und trickst, sondern ehrlich zu Fehlern und Schwächen steht, zieht den Kürzeren. Die Anlässe für die kleinen und großen Bluffs sind Legion. 

Nicht nur in Bewerbungs­schreiben oder Steuererklärungen wird die Wahrheit gern „gerundet“ präsentiert, auch Missgeschicke und Rücksichts­losigkeiten im Miteinander kaschiert man gern mit einer guten Story zugunsten des eigenen Rufs. 

Und wie steht es erst bei Fehlern von großer Tragweite? Kaum ein Verursacher hebt die Hand, ruft: „Ich war’s“ und übernimmt die Verantwortung. Wär’ ja auch schön blöd, oder? Wir behaupten mindestens sieben Wochen lang das Gegenteil - und laden Sie dazu ein, es auszuprobieren. Denn all die leichthin formulierten Halbwahrheiten haben ihren Preis. Wer sich mit Ausreden aus einer misslichen Lage befreit, vertuscht damit nicht nur seine Fehler, sondern auch immer ein bisschen sich selbst. Er stiehlt sich nicht nur aus der Verantwortung, er stiehlt sich auch selbst die Verantwortung - und bringt sich damit um die eigenen Handlungsoptionen. Wer nicht aufrichtig zu seinen Taten stehen kann, dem kommt mitunter der aufrechte Gang ganz abhanden.

Wir schlagen daher vor, das Motto „Ich war’s! 7 Wochen ohne Ausreden“ durchaus als Befreiungsschrei zu proben. Gönnen Sie sich die Ehrlichkeit, genauso gut oder schlecht dazustehen, wie Sie den Alltag eben so meistern. Auszusteigen aus dem Schwarzen-Peter-Spiel. Und Ihre Mitmenschen mit genau der Großzügigkeit und Nachsicht zu behandeln, die ihnen Gleiches erlaubt. „Was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache“, schreibt Paulus an die Korinther (1. Korinther 1,27). Damit hat der ehrliche Dumme einen starken Partner, der für ihn einsteht.

Legen Sie los – wann sagen Sie das erste Mal: „Ich war’s“?

Ihr „7 Wochen Ohne“-Team


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Mittwoch, 9. März 2011

Gottesleugner Friedrich Nietzsche,

atheistischer Philosoph

Nietzsche konnte sich am Ende seines Lebens selbst nicht verzeihen und haßte sich sogar, als er seine Karriere abbrechen mußte und vereinsamt an den Folgen einer Geschlechtskrankheit dahinsiechte. In seinem Kampf gegen Gott ist auch für Nietzsche Gott schließlich eine Realität geworden. Er bekennt am Schluß seines Lebens:

"Dem unbekannten Gott... dem ich in tiefster Herzenstiefe Altäre feierlich geweiht, daß allezeit mich deine Stimme wieder riefe. Darauf erglüht tiefeingeschrieben das Wort: dem unbekannten Gotte. Sein bin ich, ob ich in der Frevler Rotte auch bis zur Stunde bin geblieben. Sein bin ich - und ich fühl die Schlingen, die mich im Kampf darniederziehn und, mag ich flieh'n, mich doch zu seinem Dienste zwingen... Du Unfaßbarer, mir Verwandter! Ich will dich kennen, selbst dir dienen!". 

Glaube und Wissenschaft

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"Der erste Schluck aus dem Becher 
der Wissenschaft führt zum Atheismus, 
aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott."



 Physik-Nobelpreisträger Werner Heisenberg

Die Wirklichkeit, von der wir sprechen können, ist nie die Wirklichkeit an sich, sondern von uns gestaltete Wirklichkeit. Wenn eingewandt wird, dass es schließlich doch eine objektive, von uns und unserem Denken völlig unabhängige Welt gebe,  so muss diesem entgegengehalten werden, dass schon das Wort »es gibt« aus der menschlichen Sprache stammt und daher nicht gut etwas bedeuten kann, das gar nicht auf unser Erkenntnisvermögen bezogen wäre. Für uns gibt es eben nur die Welt, in der das Wort »es gibt« einen Sinn hat.

 Quelle
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Dienstag, 8. März 2011

Tipps aus der Bibel sollen Chefs besser machen

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Coaching mit Moses: Ein Psychologe will mit Hilfe der Heiligen Schrift Menschen, die Verantwortung tragen, zu besseren Führungskräften machen.

Ein Lehrstück aus der Bibel: Moses führte als Gesandter Gottes das Volk der Israeliten aus der Sklaverei in das gelobte Land
„Mit der Bibel in Führung“ ist kein Wahlspruch eines gottgläubigen Fußball-Torjägers, sondern der Titel eines Seminars des Trierer Psychologen und Coachs Martin Uhl.

Der 30-Jährige will Menschen, die Verantwortung tragen, zu besseren Führungskräften machen - und zwar mit Hilfe der Bibel. Seine Seminarreihe richtet sich nicht allein an Manager, sondern an alle, die in Familie, Beruf Verantwortung tragen.  

Wenn es dabei um das Thema „Verantwortung abgeben“ geht, setzt Uhl einen Bibeltext aus dem fünften Buch Moses ein. Beschrieben wird, wie sich der große Religionsführer auf sein Sterben vorbereiten muss. Das Missliche ist, dass Moses zwar das Volk Israel aus der ägyptischen Knechtschaft befreite und durch die Wüste leitete, aber in das gelobte Land, in dem endlich Milch und Honig fließen, soll er selbst seinen Fuß nicht setzen. Für den Psychologen ist dies ein Lehrstück: Wie ist das mit der Verantwortung, und warum hängt man so an ihr?  

Delegieren sei ein Grundprinzip von Führung, macht Uhl bei seinen Seminaren klar. Er malt Diagramme mit einem dicken Edding auf einen Flipchart, vermittelt Kenntnisse aus dem Coaching und spricht über den Alltag von Führungskräften. 

Neben Fallgeschichten schöpft der Psychologe aus der Heiligen Schrift auch alltagspraktische Tipps, etwa für den Umgang mit nervigen Kollegen. Der Manager-Spruch „Ich bin okay, du bist okay“ beinhalte doch nichts anderes als „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, stellt Uhl fest. Besonders der Teil der Selbstliebe ist ihm wichtig: „Mit sich im Reinen zu sein, ist die Basis, um vorurteilsfrei und offen auf andere zugehen zu können.“ 

Die Idee zum Training mit der Bibel entstand in einem Hauskreis, in dem es um Talente ging, sagt der in Kaiserslautern geborene Psychologe. Das Wort, das im Deutschen Begabung heißt, habe seinen Ursprung in der antiken Geldeinheit, und das Neue Testament berichte, wie man mit dem anvertrauten Gut, mit seinen Talenten, umgehen solle. „Mir fiel auf, wie viele Berührungspunkte es gibt zwischen den biblischen Texten und dem Führungskräfte-Coaching aus der Psychologie.“  

Der Psychologe aus einem christlichen Elternhaus ist mit der Bibel vertraut. Zudem habe er sich immer für menschliches Miteinander interessiert, sagt er. Uhl will dazu beizutragen, „dass Menschen gut miteinander umgehen, dass sie sich gegenseitig wertschätzen und miteinander arbeiten können“. 

Christliches Missionieren gehört nicht direkt zu seinen Zielen: „Zuallererst möchte ich einen Raum eröffnen, in dem sich Menschen begegnen und austauschen können. Was daraus resultiert, steht nicht in meiner Hand.“

Bleibt die Frage, ob Manager mit der Bibel tatsächlich bessere Manager sind? „Ich würde es allgemeiner formulieren“, sagt Uhl. „Zweifellos kann die Bibel ein Ratgeber fürs Leben sein, für Manager genauso wie jeden anderen Menschen.“ 

Im Buch der Bücher steckten jahrtausendealte Weisheiten, die helfen könnten, nicht jede Erfahrung neu machen zu müssen. „Und wenn man einen Fehler gemacht hat, dann ist es meist tröstlich nachzulesen, dass er auch schon ganz anderen passiert ist.“ 

Mehr Informationen zum Thema: www.martinuhl.de 




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Donnerstag, 3. März 2011

Eine Predigt vom 3. Advent 1950

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Predigttext 1. Korinther 4, 1-5 

Nun ist der Tag angebrochen, dem seit 1945, seit dem Jahre, in dem inmitten vieler zerstörter Wohnhäuser auch unsere Kirche durch den Bombenkrieg schweren Schaden nahm, all unsere Arbeit und heimliche Vorfreude galt.  
  
Denn ich darf euch heute gestehen: seit dem Tage, an dem ich als Pfarrer zu euch kam, hat es mir als stilles, unverrückbares Ziel meiner Arbeit vorgeschwebt, unserer Gemeinde ihr Gotteshaus, eines der wenigen, die unserer Stadt erhalten blieben, bis zum 50. Jahrestag der Kirchweihe wiederherzustellen und in einen schönen, würdigen Zustand zu versetzen.    
Dieses Ziel ist nun erreicht. Wir durften unsere Kirche heute, am 3. Advent 1950, wieder einweihen, wie sie einst am 3. Advent 1900 geweiht worden ist. Unser aller Herzen sind bewegt und erfüllt von Lob und Dank gegen den Herrn, der unser Werk gelingen ließ, der über unser liebes Gotteshaus, das manchem unter euch von Jugentagen an vertraut ist, in 50 Jahren seine schützenden Hände gehalten hat. 

Unsere Kirche in ihrem Festschmuck wird uns heute zum sichtbaren Zeichen der Verheißung, dass der Herr selbst seine Kirche wunderbar erhalten und immer wieder erneuern will. 

Ein Kirchweihtag fragt nicht nur die Gemeinde, was ihr Gotteshaus ihr bedeutet, sondern macht auch eine größere Öffentlichkeit einmal wieder auf die Kirche aufmerksam. Was ist es um die Kirche, die da inmitten der in 50 Jahren gewaltig angewachsenen Straßen unseres Vorortes, inmitten des Häusermeeres einer großen Stadt steht, um dieses merkwürdige Haus, in dem kein Mensch wohnt, das durch seine Stilformen, durch den zum Himmel aufgereckten Finger seines Turmes, durch seine Stimme, die von obenher in Freud und Leid unseres Lebens hineinklingt, auf seine besondere Bestimmung hinweist? Wer bist du, Kirche? Wofür sollen wir dich halten?

Je und dann steht die Kirche besonders im grellen Licht der Jupiterlampen der öffentlichen Kritik, und ihr wißt, sie ist heute einmal wieder besonders stark umworben und umstritten. Ist die Kirche, wie die einen sagen, eine kulturelle Einrichtung von höchster Bedeutung für das Volksleben, eine Erziehungsmacht, auf die man nicht verzichten kann, oder, wie die anderen meinen, ein Überrest einer längst versunkenen Zeit, der seltsam genug in unsere völlig veränderten gesellschaftsgeschichtlichen Verhältnisse hineinragt?

Man bemüht sich mehr oder weniger ernsthaft, die Kirche zu verstehen; aber  weil man sie im Grunde nicht versteht, darum bemüht man sich vergeblich, sie irgendwie in die Fächer seiner Gedanken, in seine politischen Zwecke einzuordnen. Die Kirche bleibt ein Geheimnis. Auch wir, denen die Einrichtungen und Feiern der Kirche von Jugend an vertraut sind, die wir uns in unserem Gotteshaus ganz zu Hause fühlen, empfinden gerade heute sehr stark, dass die Kirche zu allen Zeiten ein Fremdkörper in dieser Welt ist und bleibt, rätselhaft in ihrer Geschichte, in der sie so oft am Ende war und doch immer wieder an einem neuen Anfang steht, in der sie so oft totgesagt ward und doch immer wieder eine aus verborgenen Quellen sich erneuernde Lebenskraft bewies. 

Was ist es um diese Kirche, um die Gemeinde Jesu? Paulus antwortet in unserer Adventsepistel auf die Kritik der Welt: "Dafür halte uns jedermann: für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimninisse.
 
Laßt mich heute am 3. Advent nur das eine herausgreifen: Wir dürfen Haushalter über Gottes Geheimnisse sein! 1. Gott hat seiner Kirche sein Geheimnis anvertraut. 2. Laßt uns sein Geheimnis treu verwalten!
 
1. Wann spräche das Geheimnis, das Mysterium, das der Kirche anvertraut ist, stärker zu unserem Herzen als in der Advents- und Weihnachtszeit! Ist nicht zur Weihnacht alles voller Geheimnis: der Kerzenschimmer, der in der heiligen Nacht vom Christbaum her in unsere Häuser fällt, das Bild der Krippe, in dem sich eine Mutter glückselig über ein Kindlein beugt, das die Engel Gottes grüßen, die Freude, die sich in dem Reichtum unserer Weihnachtslieder kundtut, bis hin zu den Heimlichkeiten, die wir in diesen Tagen voreinander haben und mit denen wir liebe Menschen beglücken wollen? Zieht uns nicht schon dieser 3. Advent, der vorletzte vor dem Heiligen Abend, ganz stark in diesen Bannkreis des Weihnachtsgeheimnisses hinein?   

Die Menschen brauchen ein Geheimnis, ein heiliges Geheimnis. Die Welt, in der wir leben, ist deshalb so arm und leer, weil sie das Geheimnis verloren hat. Vergleicht einmal den Blick der Menschen auf einem mittelalterlichen Bilde mit dem Blick der Menschen unserer Tage, und ihr spürt sofort den Unterschied: Der Mensch vergangener Jahrhunderte wußte ehrfürchtig um das Geheimnis, der Mensch von heute kennt kein Geheimnis mehr. Mit seinem wissenden Blick  erforscht und umgreift er die nahen Dinge, und das soll er gewiss auch tun: wieviele nützliche Geheimnisse hat er der Welt mit seinem wissend-forschenden Blick abgelockt. Aber er hat den Blick, den Sinn verloren für das, was hinter den Dingen steht. 

Im Buch Hiob fragt Gott den schwergeprüften Menschen: "Wo warst du, da ich die Erde gründete? Sage an, bist du so klug?" Der Mensch von heute wäre nicht wie Hiob um die Antwort verlegen: er weiß, wie die Welt entstand, wie sich aus dem toten Stoff das Leben entwickelte, er weiß um die verborgensten Gesetze der Menschenseele, er weiß selbst um das Geheimnis Gottes und löst ihn in eine bloße Idee des Menschen auf. Und Saat und Ernte werden ihm zu einem Rechenexempel seiner Wirtschaftspläne. Er weiß alles, der moderne Mensch, und kennt keine Grenze mehr, die ihm gesetzt ist. Er lebt und stirbt ohne Geheimnis, und doch macht ihn sein Wissen so unglücklich. Nur um Weihnachten kann er es nicht verhindern, dass das Heimweh nach dem verlorenen Geheimnis über ihn kommt. Dass er wieder mit dem alten Hiob spricht: " Ach, das ich wäre, wie in meiner Kindheit Tagen, da Gottes Geheimnis über meiner Hütte war."

Weihnachten ist der letzte Rest des Geheimnisses, die letzte Erinnerung an die Welt des Geheimnisses, die ihm noch verblieben ist.  Das ist aber das Geheimnis der Kirche. Welch eine Verantwortung ist der Kirche mit diesem Geheimnis anvertraut!

Wir treten in eine Kirche - ist da nicht alles voller Geheimnisse, die dem heutigen Menschen wie unleserliche Hieroglyphen anmuten: die zum Beten gefalteten Hände, die schweigende Gemeinde, das Sonntag um Sonntag gepredigteWort aus Menschenmund, das doch Gottes Wort ist, das Wasser der Taufe, dass einem Kindlein zum Brunnquell des ewigen lebens wird, das Brot und Wein vom Altar, die uns alle zu einer heimlichen Bruderschaft verbinden. Wann hätten wir diesen Gegensatz zwischen Kirche und Welt stärker empfunden als heute?!

Und doch ist das Geheimnis der Kirche kein Zauber, mit dem sie ihre Macht über die Herzen ausüben will. Es ist ein ihr geschenktes, es ist offenbartes Geheimnis. Alles, was die Kirche redet, singt, tut, ist nur von einem einzigen unsichtbaren Mittelpunkt her zu verstehen, und der heißt: "Christus". Wie sagt doch Paulus? "Das Geheimnis Gottes ist: Christus".

Wie klingt es in dem ältesten uns erhaltenen urchristlichen Weihnachtsliedes? "Kündlich groß ist das gottselige Geheimnis: Gott ist geoffenbart im Fleisch". Gott ward Mensch!  "Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, das hat Gott bereitet denen, die Ihn lieben"         

Und doch bleibt auch das geoffenbarte Geheimnis noch Geheimnis bis zum jüngsten Tag. Das Adventsgeheimnis der Kirche heißt: "Bis der Herr kommt".  Dann erst springt die Tür dieser Welt zur Ewigkeit hin ganz auf, und wir werden Ihn sehen, wie Er ist, und das letzte Geheimnis dieser Welt wird enträtselt, und auch der Rat unseres Herzens wird offenbar, und er spricht das letzte Wort über uns. Heute sind wir nur erst die heimlich Wissenden, die wie die Kinder durch die geöffnete Türspalte in die Weihnachtsherrlichkeit Gottes schauen. 

2. Gott hat sein Geheimnis der Kirche anvertraut. Oh laßt uns dieses Geheimnis treu verwalten!  Gott braucht Menschen, die das Geheimnis hüten in einer Welt, die kein Geheimnis hat. Wie leicht ist das Geheimnis, das zu bewahren wir haben, an die Welt verraten! Wir sagen Frieden drinnen in der Kirche und draußen in der Welt. Ja, auch die Kirche meint den Frieden der welt; aber eine Kirche, die das Christusgeheimnis preisgibt und so tut, als meine sie mit dem Frieden nichts anderes als die Welt, kann der Welt nicht mehr dienen. Halte Kirche, was du hast! Unsere Kirche hat heute den Namen Christuskirche empfangen. Kann es einen herrlicheren, aber auch stärker verpflichtenden Namen für eine Kirche geben als diesen Namen, der über aller Namen ist ?  Durch 50 Jahre hat hier der Herr Christus sein Wort und Sakrament  gespendet und dadurch seine Gemeinde gesammelt - welch ein göttliches Geheimnis! Er verheißt uns heut in seinem Namen, dass wir ihn auch fernerhin gegenwärtig finden sollen in seinem Wort und an seinem Tisch, so oft wir ihn suchen, und in ihm Trost und Frieden. 

Gott braucht Mesnchen, die das Christusgeheimnis verwalten. Verwalter, Haushalter über Gottes Geheimnis sind wir, nicht Herren. Es gehört uns nicht, wir können nicht darüber verfügen. Wir haben es nur, indem wir es uns immer neu anvertrauen lassen. 

Wir evangelischen Christen vergessen so leicht, dass auch uns wenn auch anders als in der katholischen Kirche, Gottes Geheimnis in unserem Gotteshaus begegnen will, und dass es darum gilt: Gott ist gegenwärtig, lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor Ihn treten!  

Wir können auch übereinander nicht verfügen, Pfarrer und Gemeinde. Der Pfarrer darf sich nicht von der Kritik der Menschen abhängig machen; er darf nicht fragen, was für einen Pfarrer sich die Gemeinde wünscht. Er darf aber auch seinerseits die Gemeinde nicht ansehen, als ob sie ihm gehöre. Denn die Gemeinde gehört dem Herrn allein. Sie haben beide, Pfarrer und Gemeinde ihr Amt und ihren Dienst vom Herrn. Ihm gehen sie gemeinsam entgegen, Ihm sind sie verantwortlich und wissen: "Der mich richtet, ist der Herr."

Und Gott braucht Menschen, die das Christusgeheimnis austeilen. Weil es uns nicht gehört, darum dürfen wir es auch nicht für uns behalten. Wie Christus, so steht auch seine Kirche in der  Mitte zwischen Gott und Welt. Die Welt ist gefragt, ob sie dies Geheimnis der Kirche gelten lassen will. Die Gemeinde ist gefragt, ob sie ganz schlicht Dienerin, "Handlangerin" des Herrn Christus für die Welt sein will. 

Zur Christuskirche gehört eine Christusgemeinde, eine Gemeinde, die die Gaben und Geheimnisse der Herrn Christus, die sie selbst empfangen hat, an die Welt austeilt. Bedenken wir wohl: durch uns will der Herr Christus zu den Menschen kommen. 

Zu solchen Dienst kann der Herr keinen Jünger gebrauchen, der nicht treu ist. "Nun suchet man nicht mehr an den Haushaltern, denn das sie treu erfunden werden."Laßt uns heute dem Herrn geloben, dass wir unter den Augen des Herrn treu unseren Dienst tun wollen in jedem Amt, das uns befohlen ist, in Gemeindekirchenrat, Frauenhilfe, Kirchenchor, Junger Gemeinde, als Hausvater, als Hausmutter. 

Ahnen wir nun, welch ein großes Geheimnis der Kirche anvertraut ist? Es ist das  Geheimnis Gottes, dass die Welt rettet. Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. 

Gelobt sei Jesus Christus! Amen  



Von  Pfarrer Dr. Martin  Müller  

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Mittwoch, 2. März 2011

Umgang mit politischer Korrektheit





Zusammenfassung

 

Ursprünglich entstand die Bewegung unter postmodernen Intellektuellen, die seit den 60er Jahren die Kulturrevolution im Westen anführten. Die Durchsetzung eines politisch korrekten Ethos ging damit in der westlichen Hemisphäre auf systematische Weise einher und wurde in den 90-er Jahren weltweit bestimmend. In seiner radikalen Ausformung ist dieses Ethos im Wesentlichen säkular, also ausschließlich zum diesseits Weltlichen gewandt und damit unvereinbar mit einem Ethos, das darüber hinausgeht, sich also auch zum Jenseits offen verhält. Diese neue Ethik hat insofern einen zerstörerischen Einfluss, als sie den allgemein gültigen Sprachgebrauch verändert:

  
Worte, die politisch unkorrekt geworden sind, ersetzt man durch politisch korrekte Begriffe:
  
- Ehegatte durch Partner

- Familie durch Familie in all ihren Ausformungen

- Vertretung durch Teilnahme

- Erziehung durch Bewusstseinsbildung

- Gerechtigkeit durch Gleichbehandlung (Nichtdiskriminierung)

- Souveränität durch Global Governance

- Ebenbürtigkeit der Geschlechter durch Gleichstellung der Geschlechter

- Schöpfung durch Mutter Erde oder „Erde“


Daher fragt sich die Autorin: "wie lange noch können die Menschen die Augen verschließen gegenüber den bitteren anthropologischen, kulturellen, politischen und ökonomischen Folgen dieser Revolution - z.B. das Totschweigen des Syndroms, das mit einer Abtreibung leidvoll einhergeht, die gesellschaftlichen Kosten einer Scheidung, die drastischen sozioökonomischen Konsequenzen des demografischen Winters in Europa.

 
Politische Korrektheit ist Folge der Untätigkeit durch die "Mehrheit", meint Peeters, und ist nur zu überwinden durch: 
 
- Unwissenheit bekämpfen anstatt dem kulturellen Verfall von ferne zuschauen

- unterscheiden welche Methoden zur Bekämpfung zweckdienlich oder nicht sind

- Christen aus dem Gewirr der neuen Ethik heraushalten, indem man auf das Ausmaß bewusstmacht, wie weit man es sich bereits zu eigen gemacht hat

- indem man die Risse und Sprünge des Systems aufzeigt, nämlich auf unlogische Prämissen verweist

- indem man sich auch in der Öffentlich nicht vor dem Einstehen zur Wahrheit fürchtet


 
Lesen Sie hier den vollständigen Text von Marguerite Peeters auf Englisch.

"Dealing With Political Correctness" ist ein Beitrag zur Publikation "Exiting a Dead-End-Road. A GPS for Christians in Public Discourse" (2011, Kairos Publications, Herausgeber Gudrun und Martin Kugler).
Sie können den vollständigen Text als Buch oder Papier erwerben - indem Sie hier auf die beschriebenen Bedingungen dazu klicken.
 
Last update : Der Europäische Rat (“Ministerrat der EU”) verurteilt religiöse Intoleranz, bleibt aber in der Formulierung hinter dem zurück, was angemessen wäre. 
 
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