Samstag, 2. März 2013

Berlin: Wenn Christen unerwünscht sind

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Nach dem Fall der Mauer wurden in Ostberlin zahlreiche leerstehende Häuser von linken Aktivisten besetzt und zu „alternativen Wohnprojekten“ gestaltet. Oft gibt es in diesen Häusern Lokale, die wöchentlich eine „Volksküche“ (kurz „VoKü“ genannt) anbieten. Man kann dort gegen eine bescheidene Spende ein leckeres Essen zu sich nehmen: Teilweise gibt es für um die 3 Euro veritable 3-Gänge-Menüs – meist vegan (ohne jedes tierische Produkt – also auch keine Milch) oder zumindest vegetarisch.

Fundamentale Meinungsverschiedenheiten
Der ideologische Charakter dieser Lokale ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Sie verstehen sich als antifaschistisch, antirassistisch, antikapitalistisch, antimilitaristisch und antisexistisch. Sie sind gegen Atomkraft, gegen einen Überwachungsstaat und für ein umfassendes Asylrecht. Ich bin seit Jahren gern in einigen Lokalen dieser Art zu Gast gewesen. Daraus, dass ich praktizierender Katholik bin und sich daraus auch fundamentale Meinungsverschiedenheiten ergeben, habe ich nie einen Hehl gemacht. Nicht wenige meiner Bekannten aus diesem Milieu schätzen mich gerade deswegen als Gesprächspartner.

„Wir müssen mal mit dir reden!“
Ein Lokal, das ich seit etwa 6 Jahren regelmäßig besucht habe – vor allem zur Volksküchenzeit –, war das Bandito Rosso in der Lottumstraße 10a. Vorletzten Freitag war ich wieder dort – unmittelbar nach dem Abendgottesdienst, was mir selbst ein bisschen witzig vorkam. Ich kam gar nicht dazu, mich zu setzen, denn plötzlich stand ein Vertreter des Barkollektivs neben mir, der mir – sehr ernst, aber nicht direkt unfreundlich – mitteilte: „Wir müssen mal mit dir reden.“ „Wir“ waren in diesem Fall er und eine junge Kollegin. Das Gespräch fand im Nebenraum statt – im Stehen, aber ich durfte mir vorher noch etwas zu trinken kaufen.

Ein Kreuz als Stellungnahme
Der Vertreter des Barkollektivs – also der Verantwortliche für Lokal wie Volksküche – eröffnete das Gespräch mit dem Hinweis, es sei aufgefallen, dass ich vor dem Essen bete. „Ist das ein Problem?“, fragte ich. „Nein.“ Dann jedoch leitete der Wortführer über zu der Bemerkung, er habe mich vor einigen Monaten am Rande des „Marsches für das Leben“ (er nannte ihn allerdings den „1.000-Kreuze-Marsch“) gesehen, also der jedes Jahr im September in Berlin stattfindenden Demonstration einiger tausend Christen für den Schutz ungeborener Kinder. Offenbar hatte er zu den Gegendemonstranten gehört und zunächst angenommen, ich zählte auch dazu. Dass ich nun aber vor dem Essen beten würde, habe ihn dann zweifeln lassen. Daraufhin habe er sich – man höre und staune! – Videoaufzeichnungen vom „Marsch für das Leben“ angesehen und mich als Teilnehmer entdeckt, und zwar mit einem Kreuz in der Hand! Nun wollte er von mir eine Stellungnahme dazu hören. Ich erwiderte schlicht, meine Teilnahme sei als „Stellungnahme“ doch wohl eindeutig genug gewesen.

Ist der, der für den Lebensschutz eintritt, rechtsextrem?
Da war der Ofen dann aus. Ob mir denn nicht bewusst sei, dass im Lokal Bandito Rosso massiv gegen den „Marsch für das Leben“ mobilisiert worden sei. Doch, doch, erwiderte ich, das sei mir sehr wohl aufgefallen, ich hätte es aber toleriert. Die in meinen Worten enthaltene Andeutung, ich hätte mir umgekehrt eine ähnliche Toleranz gewünscht, stieß aber auf keinerlei Gegenliebe. Stattdessen hieß es: Man könne ja mancherlei tolerieren, nicht aber die Teilnahme an einer derart anti-emanzipatorischen, frauen- und schwulenfeindlichen, fundamentalistischen Veranstaltung, die im Übrigen auch rechtsextreme Züge trage. Das Bandito Rosso sei schließlich ein linker, emanzipativer Freiraum, ein Schutzraum geradezu gegen solche Zumutungen, wie ich sie verkörpere. Die junge Dame vom Barkollektiv sekundierte, sie würde es als persönliche Beleidigung auffassen, einen Frauenfeind (wie mich) bedienen zu müssen. Vor Empörung bebend teilte mir der Wortführer mit, ich solle jetzt gehen und nicht wiederkommen. Mein Getränk dürfe ich mit rausnehmen, nicht aber an Ort und Stelle austrinken. Ich verzichtete auf weitere Auseinandersetzungen und ging.

Aber fassen wir mal zusammen:
  1. • Die Tatsache, dass ein Gast in einem „alternativen“ Lokal vor dem Essen betet, macht ihn verdächtig.
  2. • Dieselben Leute, die auf den „Überwachungsstaat“ schimpfen, werten Videoaufzeichnungen aus, um ihre Gäste einer Gesinnungskontrolle zu unterziehen.
  3. • Der Einsatz für das Lebensrecht schwacher und wehrloser Menschen – seien sie ungeboren, behindert, chronisch krank oder alt oder hinfällig – wird als „anti-emanzipatorisch“, „frauen- und schwulenfeindlich“, „fundamentalistisch“ und in letzter Konsequenz als rechtsextrem eingestuft.
  4. • Eine inhaltliche Auseinandersetzung über diese Einschätzung ist nicht erwünscht.


Enorm emanzipatorisch und progressiv, meine lieben Freunde!


idea.de
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Hier der ganze Artikel

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2 Kommentare:

KingBear hat gesagt…

Nett, dass mein Artikel - in der gekürzten Fassung des "IdeaSpektrums" - hier ge-"rebloggt" wird. Hier ein Link zur ungekürzten Fassung:

http://mightymightykingbear.blogspot.de/2013/02/ich-bin-die-rosa-parks-des-katholizismus.html

Grüße
KingBear

Janchen hat gesagt…

Aber gerne doch. So etwas muss man einfach verbreiten!

Und danke für den Link!

LG Jani