Montag, 1. April 2013

Der anstößig verlorene Sohn in vier Akten

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Der “Verlorene Sohn” ist als eins der zentralen theologischen Bilder Jesu anerkannt. Aber wissen wir wirklich, was darin steht und was Jesus damit zum Ausdruck bringen will?
 
 
Schauen wir uns die Geschichte einmal genauer an. Die Szene, in der Jesus das Gleichnis erzählt, ist etwas bizarr: Investment-Banker und Prostituierte (um es mal auf die heutige Situation zu übertragen) scharen sich auf dem Marktplatz um Jesus und hören ihm gespannt zu. Etwas abseits stehen die Leute, die glauben, als einzige die Bibel richtig auslegen zu können, und beschweren sich darüber: “Jesus hat Umgang mit solchen Leuten und geht sogar zu ihren Partys. Igitt!” Jesus bekommt das mit und erzählt daraufhin drei Geschichten: Die vom verlorenen Schaf, die von der verlorenen Münze und als dritte unsere Geschichte vom verlorenen Sohn.
Die Geschichte geht im Grunde so:
Der Sohn hat sich das Erbe des Vaters auszahlen lassen, damit Mist gebaut, kehrt um und kommt reumütig zum Vater zurück – er will als Lohnarbeiter bei ihm wieder anfangen. Er fühlt sich nicht mehr wert, im Status des Sohnes zu bleiben.
Und wie reagiert der Vater? Es sind mehrere Varianten denkbar:
 
1) Bestrafen (die harte Variante)
Der Vater war zornig auf den Sohn, seit der weggegangen ist. Als der Sohn zurück kommt, lässt der Vater den Sohn auspeitschen und ihn zur Strafe nur noch als Sklave im Haus arbeiten (das war auch der Vorschlag des Sohnes, so hat er erwartet, dass der Vater reagiert). Nachdem er lange genug gestraft wurde, sagt der Vater zu seinem Sohn: Nun hast nun deine Strafe abgeleistet, ich bin deshalb nun nicht mehr zornig auf dich. Du kannst sich wieder mein Kind nennen.
 
2) Wiedergutmachung vom Sohn fordern (die rechtlich korrekte Variante)
Der Vater war zornig auf den Sohn, seit der weggegangen ist. Als der Sohn zurück kommt, fordert der Vater, dass der Sohn das verprasste Erbe wieder zurück zahlt, aber das kann er nicht. Also schickt der Vater den Sohn aufs Feld zum Abarbeiten seiner Schuld – das wird lange dauern. Nachdem er seine Schulden abgearbeitet hat, sagt der Vater zu seinem Sohn: Nun hast nun deine Schuld abgearbeitet, ich bin deshalb nun nicht mehr zornig auf dich. Ich nehme dich wieder als mein Kind auf.
 
3) Wiedergutmachung durch einen Dritten (die dramatische Variante)
Der Vater war zornig auf den Sohn, seit der weggegangen ist. Als der Sohn zurück kommt, fordert der Vater, dass der Sohn das verprasste Erbe wieder zurück zahlt, aber das kann er nicht. Weil der Vater aber seinen jüngeren Sohn so sehr liebt würde es ihm das Herz brechen, den Jungen sein Leben lang auf dem Feld arbeiten zu sehen. Er spricht sich deshalb mit seinem älteren Sohn ab – dem, der nichts Böses gemacht hat, der zuhause geblieben ist, der das Erbe nicht verprasst hat. Der bietet seinem Bruder an, dessen Schuld statt ihm abzuarbeiten. Er ist stärker! Der Bruder müsse das Angebot nur annehmen, dann könnte der Vater ihn wieder als Sohn annehmen und ihm die Schuld vergeben. Der Sohn willigt in den Schuldtausch ein und sein Bruder geht aufs Feld und schuftet sich für den jüngeren Bruder blutig. Nachdem das verprasste Erbe abgearbeitet ist, sagt der Vater zum einst verlorenen Sohn: „Deine Schuld ist jetzt gesühnt – durch deinen Bruder! Ich vergebe dir jetzt, du kannst wieder mein Kind sein”.
 
4) Bedingungslos vergeben (die anstößige Variante)
Der Vater sieht den Sohn von weitem, vergisst alle väterliche Würde und rennt dem Sohn entgegen (unerhört in der damaligen Gesellschaft, wo der Vater das absolute Sagen und die Haltung zu wahren hatte). Er umarmt ihn und küsst ihn voller Überschwang. Der Sohn unterbreitet seinen eigenen Vorschlag (siehe 1), aber der Vater ignoriert das völlig. Er lässt ihm das beste Gewand des Hauses holen, lässt ihn mit Schmuck behängen, bestellt den großen Partyservice und lädt den ganzen Ort ein. Zornig allerdings ist der Bruder, der das höchst ungerecht findet. Er war immer brav und trotzdem hat der Vater nie mal ein kleines Fest ausgerichtet, damit er mit seinen Freunden feiern konnte. Und sein Bruder, der das Geld des Vaters mit Huren durchgebracht hat, bekommt den großen Bahnhof? Der Vater sagt daraufhin: Du warst immer hier bei mir, dir ging es gut und du hättest jederzeit selbst ein Fest mit deinen Freunden auf meine Kosten organisieren können. Aber man muss doch fröhlich sein, wenn dein Bruder, den wir schon verloren geglaubt hatten, wieder auftaucht und lebt!
 
Jeder kann sich selbst überlegen, wie sich der Charakter des Vaters und der des älteren Bruders in den verschiedenen Varianten darstellt, wie überhaupt das Verhältnis zwischen den einzelnen Personen ist und wer eigentlich wer ist. Und natürlich, warum Jesus wohl – sicher bewusst – die letzte Variante wählte.

 
Ich lerne aus dem Gleichnis:
 
1 Ein Mensch kann verloren gehen. Aber das passiert freiwillig – und nicht weil der Vater ihm zornig ist oder ihn aufgrund seiner Taten verdammt hätte.
 
2 Wendet er sich wieder zu Gott um, so rennt ihm Gott entgegen und vergibt ihm bedingungslos – obwohl er schwere Schuld auf sich geladen hat.
 
3 Das war’s. Keine Strafe, kein Zorn, keine Rückforderung, keine Ausgleichsleistung.
 
Natürlich sollte man keine Theologie auf einem einzelnen Gleichnis gründen. Das Gleichnis deckt sich aber mit vielen anderen von Jesus (z.B. dem König, der die Leute von den Hecken und Zäunen zum Gastmahl einlädt) und es deckt sich auch damit, wie er sich stets gegenüber Menschen (respektive Sündern) verhalten hat: Bedingungslos vergebend.
 
Wenn Paulus sagt, das Kreuz sei ein Ärgernis und ein Anstoß – meint er dann nicht genau das? Nämlich dass Gott (ärgerlicherweise) unserem Schuldner vergibt, ohne uns zu fragen und ohne unser Einverständnis einzuholen) und weil wir nun selbst unter Zugzwang stehen, diese Vergebung zu gewähren, weil wir sonst irgendwie außen vor sind? Wenn Schuld, die jemand an mir begangen hat, ungesühnt bleibt, nur weil jemand um Vergebung bittet – ist das nicht etwas, das einen aufregen könnte? Wogegen man rebellieren möchte? Was Anstoß ist und Ärgernis?
 
 
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