Freitag, 22. November 2013

Wenn nur der eigene Vorteil zählt: Psychopathen in der Politik

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Von Thora Pedersen

Der deutsche Raumfahrtpionier Hermann Oberth (1894-1989) kam zu der Erkenntnis: "Im Leben stehen einem anständigen Charakter so und so viele Wege offen, um vorwärts zu kommen. Einem Schuft stehen bei gleicher Intelligenz und Tatkraft diese Wege auch alle offen. Daneben aber auch noch andere, die ein anständiger Kerl nicht geht. Er hat daher mehr Chancen, vorwärts zu kommen, und infolge dieser negativen charakterlichen Auslese findet eine Anreicherung der höheren Gesellschaftsschichten mit Schurken statt."


Ein übertriebenes Urteil? Wer sich kritisch umschaut, wird feststellen, daß gerade in den höheren Etagen unserer Gesellschaft Verhaltensweisen eingerissen sind, die man nicht als vorbildlich bezeichnen kann. Korruption, Betrug, Selbstbereicherung nehmen zu; Anstand, Idealismus, Gemeinschaftsbezogenheit nehmen ab. Nicht von ungefähr stehen seit geraumer Zeit Politiker am untersten Ende der Ansehensskala. Vermutlich werden sich bald die Spitzenmanager der Großwirtschaft hinzugesellen, weil in ihren Kreisen die Raffgier alle Rekorde schlägt. Ausgerechnet unsere "Eliten" entpuppen sich beim näheren Hinsehen als Ansammlung fragwürdiger Charaktere. Warum das so ist, hat der kanadische Wissenschaftler Robert Hare genauer untersucht. Er ist der weltweit führende Experte für Psychopathie, hat dazu einen Standardtest entwickelt und blickt auf eine 25jährige Forschertätigkeit zurück.


Täuschung der Umwelt


Um den Begriff Psychopathie herrscht viel Verwirrung. Wörtlich bedeutet Psychopathie Geisteskrankheit (von Psyche = Seele und Pathos = Leiden). Die Medien verwenden den Begriff Psychopathie oft in der Bedeutung von Wahnsinn oder Verrücktheit. Doch in der Psychiatrie wird die Psychopathie nicht mit den herkömmlichen Geisteskrankheiten gleichgesetzt. Anders als zum Beispiel ein Schizophrener ist der Psychopath nicht desorientiert, ihm fehlt nicht der Realitätsbezug. Er leidet nicht an Halluzinationen oder Angstzuständen. Im Gegensatz zu psychotisch gestörten Personen weiß der Psychopath, was er tut und warum er es tut. Er handelt rational - aber gewissenlos.


Der französische Irrenarzt Philippe Pinel (1745-1826), ein Pionier seiner Zunft, hat die Psychopathie als "Wahnsinn ohne Delirium" bezeichnet. Individuen mit derartiger Persönlichkeitsstörung sind sich der Konsequenzen ihrer Handlungen vollauf bewußt, sie kennen den Unterschied zwischen Gut und Böse, aber sie nehmen auf ihre Mitmenschen keine Rücksicht. Am erschreckendsten ist es, daß sie ihren arglosen Opfern oft als völlig normal oder gar als besonders geistreich und wortgewandt erscheinen.


Hare beschreibt in seinen Untersuchungen ausführlich das antisoziale Persönlichkeitsbild und den Lebensstil des Psychopathen: heuchlerisch und oberflächlich, egozentrisch und grandios, ohne Reue und Schuldbewußtsein, hinterlistig und manipulativ. Sein Sozialverhalten ist impulsiv, unbeherrscht, auf ständiger Suche nach Erregung (dem "Kick"), verantwortungslos, verbunden mit Desinteresse an Schmerzen und Leiden der Mitmenschen. Solch Verhalten zeigt sich schon in jungen Jahren.


Keine Scham


Zwar kann man anhand einer solchen Kurzcharakteristik weder sich selbst noch andere diagnostizieren, denn Psychopathie bietet ein komplexes Krankheitsbild, eine Kombination unterschiedlicher Symptome. Und viele Menschen sind zum Beispiel egoistisch oder heuchlerisch, ohne deshalb Psychopathen zu sein. Hares detailliert beschriebene Fallbeispiele geben jedoch einen guten Überblick. Auffällig ist, daß sich der Psychopath nicht schämt, wenn er bei einer Lüge ertappt wird, daß er einfach das Thema wechselt und im nächsten Augenblick eine neue Lüge auftischt, während er dem Gegenüber mit aufrichtigem Blick ins Auge sieht. Er präsentiert mit beredter Überzeugungskraft die abenteuerlichsten Geschichten, um sein Opfer immer wieder zu umgarnen.


Zu den Opfern gehören zuweilen auch Gefangnispsychiater, die nicht ausreichend mit jener Persönlichkeitsstörung vertraut sind und sich auf Selbstauskünfte des Häftlings verlassen. Denn Psychopathen erfassen schnell den Zweck der Befragung. Hare beschreibt einen Häftling, der alle gängigen Tests auswendig konnte und seine Mitgefangenen - natürlich gegen Bezahlung - beriet, um ihnen eine günstige Sozialprognose und schnelle Entlassung zu verschaffen. Jeder neue Test, der zur Anwendung kommt, bietet dem Psychopathen die Chance, sein antisoziales Verhaltensmuster zu perfektionieren. Er ist Meister im Reue-Heucheln und kann selbst bei skeptischen Zuhörern den Anschein der Aufrichtigkeit erwecken.


Doch obwohl viele Psychopathen Verbrecher sind - ihnen werden 50 Prozent der Schwerkriminalität zugerechnet -, gibt es die große Gruppe derer, die ihr Verhalten so anpassen können, daß sie mit der Justiz nicht in Konflikt kommen - oder, falls doch, sich herauszureden verstehen. Hare widmet ihnen das Kapitel "Psychopathen im Geschäftsleben" und beschreibt psychopathische Anlageberater, Geschäftsleute und Winkeladvokaten, die Bildung und Beziehungen einsetzen, um Menschen und Institutionen ohne den Einsatz von Gewalt um ihr Geld zu bringen - mit verheerenden Folgen für die Gesellschaft.


In diese Gruppe gehört auch der gerissene Politiker (den Hare leider nicht als gesonderte Spezies aufführt). Wahlkämpfe sind von Lügen und Betrugsmanövern gekennzeichnet. Dabei mangelt es den Tätern nahezu völlig an Unrechtsbewußtsein. Erst kürzlich war von einem führenden deutschen Politiker zu hören, er halte es für "unfair", die Arbeit der Regierung an dem zu messen, was die beteiligten Parteien den Bürgern vor der Wahl versprochen haben. Nicht minder zynische (oder selber psychopathische) Journalisten betrachten den ständigen Wortbruch als normal: "Politiker lügen - das gehört zum Grundwissen des Demokratiebürgers" ("Süddeutsche Zeitung"). Dieser Demokratiebürger dürfe sich deshalb auch nicht aufregen, wenn er an der Nase herumgeführt werde.


Auf Kosten anderer


Hare bezeichnet erfolgreiche Psychopathen, die dem Gefängnis entgehen, als subkriminell: "Denn letztlich ist ihr Erfolg irreal und geht stets auf Kosten anderer." Auf Kosten anderer - und der Gesellschaft als Ganzes. Ist das die Erklärung dafür, daß die Bundesrepublik vom Land des Wirtschaftswunders zum Sanierungsfall wurde? Daß immer neue Staatsschulden angehäuft werden (im vergangenen Jahr weitere 20 Milliarden Euro), während man dem Bürger einen erfolgreichen "Sparkurs" suggeriert? Daß die Zuwanderung nicht gestoppt wird, obwohl schon die Integration der bereits hier lebenden Ausländer weitgehend gescheitert ist? Mit normalem Menschenverstand läßt sich vieles nicht mehr erklären. Statt Schaden für das Gemeinwesen zu vermeiden, konzentriert sich der durchschnittliche Politiker auf die Förderung der eigenen Karriere. Motto: Nach mir die Sintflut!


Psychopathen haben ein immens aufgeblähtes Bild ihres eigenen Wertes und ihrer Wichtigkeit, halten sich für das Maß aller Dinge. Gesellschaftliche Regeln, die ihnen hinderlich sind, werden als unwichtig oder falsch abgetan. oder vertrauensheischend, tatsächlich verlogen und selbstsüchtig falsch abgetan. Man stellt sich selber heraus - neuerdings auch mit sexuellen Vorlieben, die gestern noch strafbar oder zumindest peinlich waren. Das Verhalten des Normalbürgers wird oft schon beeinflußt durch das bloß eingebildete Risiko, auf Ablehnung und Kritik zu stoßen. Der Psychopath aber zweifelt nicht an seiner Unfehlbarkeit. Er neigt von Haus aus zu Normüberschreitungen. Die Einstellungen anderer interessieren ihn nur insofern, als er sie für eigene Zwecke nutzen kann.


Psychopathen treten oft selbstsicher und beredsam auf. Schon ihre Körpersprache ist meist wirkungsvoll. Intensiver Blickkontakt zählt dazu. Ihre Show kann so effektvoll sein, daß es ihnen gelingt, das gesprochene Wort unwichtig erscheinen zu lassen. "Ich habe nicht alles mitgekriegt, aber er hat es so schön gesagt", erinnert sich eine von einem Psychopathen geprellte Frau. "Er hat ein so wunderbares Lächeln." Solche Effekte werden auch in der politischen Arena immer wichtiger. Wer photogen ist und sich insbesondere im Fernsehen gut zu inszenieren weiß, hat deutlich bessere Chancen. Inhalte treten hinter Äußerlichkeiten zurück, eine Entwicklung der modernen Mediengesellschaft, die den Psychopathen in seinen Möglichkeiten enorm begünstigt. Gewiß: Nicht jeder Charismatiker entwickelt seine Anziehungskraft aus einer antisozialen Persönlichkeitsstörung. Es fällt aber auf, daß so mancher "Volkstribun" letztlich an seiner Egomanie scheitert, an seiner Unfähigkeit, andere als die eigenen Interessen gelten zu lassen. Der Streit selbst mit engsten Weggefährten ist dabei vorprogrammiert.


Mit ihrer regen Einbildungskraft kommen Psychopathen, die bei einer Lüge ertappt werden, nicht aus der Fassung. Sie reagieren selten ratlos oder verlegen - sie ändern einfach ihre Geschichte oder versuchen, die Umstände neu zu erfinden, so daß sie zu der Lüge passen. Widersprüchliche Aussagen, die den Zuhörer verwirren, stören sie nicht. Oft sind sie sogar stolz auf ihre Fähigkeit zu lügen. Bei Fehlschlägen schämt sich der Psychopath nicht. Er bleibt Moralapostel auch dann, wenn man ihn beim Fehlverhalten erwischt. Ist ein Zeichen der "Reue" hilfreich, wird es mühelos erbracht - verbunden mit der Forderung nach einer "zweiten Chance". Mehr noch: Nach und nach wird das Fehlverhalten umgedeutet in einen besonderen Erfahrungsschatz, der seinen Besitzer nicht demütig, sondern stolz macht. Der ertappte Sünder avanciert um so mehr zum Fachmann für moralische Fragen.


Beachtliche Minderheit


Psychopathen sind leider gar nicht so selten. Prof. Dr. Volker Faust vom Zentrum für Psychiatrie der Universität Ulm rechnet zehn Prozent der Menschheit dazu: "Also allein im deutschsprachigen Raum sind das mehr als zehn Millionen Menschen." Wegen ihrer Durchsetzungskraft und Rücksichtslosigkeit sind sie unter Verbandsführern, Spitzenmanagern und Politikern deutlich überrepräsentiert. Ursächlich für die Psychopathie sind laut Faust vor allem erbliche Anlagen, aber auch organische Beeinträchtigungen und falsche Erziehung. Ob Psychopathie zu heilen ist, läßt Experten streiten. Zur Zeit jedenfalls gilt sie unter allen Persönlichkeitsstörungen als die am schwierigsten zu behandelnde. Gegen psychopathische Politiker hilft einstweilen nur ein Mittel: sie nicht zu wählen. Aber dazu muß man sie erst einmal erkennen. 

 Quelle


Hüte dich vor Psychopathen, mein Sohn

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