Montag, 16. November 2015

Betroffenheitsforscher alarmiert:

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Staatlich verordnete Betroffenheit wird in unserer moralisch degenerierten Gesellschaft immer weniger wahrgenommen. Das jedenfalls ist das Ergebnis einer Studie des renommierten Betroffenheitsforschers Holger Rugenbauer. Wir trafen den Wissenschaftler in seinem Büro im Verteidigungsministerium, Stabsstelle “Vorbereitung eines Angriffskriegs.”

AMR: Herr Prof. Rugenbauer, was macht denn ein Betroffenheitsforscher so?
HR: Wir überprüfen, wie hoch die staatstragende Betroffenheit bei medial unterstützten Betroffenheitsereignissen ist. Wer ordentlich mitmacht, beweist guten Geschmack.

AMR: Was ist das Ziel dieser Bemühungen?
HR: Damit unsere freie demokratische Gesellschaft funktioniert, brauchen wir einen signifikanten Anteil an Personen, die vorbehaltlos den Anweisungen folgen, ohne lästige Fragen zu stellen.

AMR: Wie funktioniert das?
HR: Um regelmäßig sicherzustellen, dass die Demokratie in diesem Bereich über ausreichend Rekrutierungspotential verfügt, werden regelmäßig Volkszählungen durchgeführt. Dazu werden Momente großer Betroffenheit an – im Vergleich zum politischen Tagesgeschäft banalen – Ereignissen erzeugt und medial stark aufgebauscht. Anschließend werden die übelsten Elemente der Gesellschaftvorgeschickt und täuschen, im krassen Widerspruch zu ihrem regulären Verhalten, publikumswirksam übermäßige Betroffenheit vor. 
Für alle, denen dieser offensichtliche Widerspruch nicht auffällt, wird gleichzeitig ein Erkennungssymbol zugänglich gemacht, dass sie bei Selfies in die Kamera halten oder als Profilbild bei Facebook nutzen können. So können sie auf einfache Weise mitteilen: Ich bin ein gehirnamputierter Mitläufer, dem jede Fähigkeit zum selbstständigen Denken fehlt. Und ich möchte, dass die ganze Welt es weiß!

AMR: Interessant! Können Sie vielleicht ein Beispiel nennen, wie sich das äußert?
HR: Selbstverständlich. Solchen Menschen kann man in solchen Situationen alles erzählen. Sogar, dass Gleichschaltung des Denkens und das Ächten von Zuwiderhandlung gegen diese Gleichschaltung in Wirklichkeit die Pressefreiheit verteidigt.

AMR: Was hat sich jetzt verändert? Warum sind Sie so erschüttert?
HR: In demokratisch gefestigteren Zeiten hat die Betroffenheit bisher eine ausreichende Menge an Menschen davon abgehalten, Dinge in Frage zu stellen, und sie dazu gebracht, die offizielle Lesart rückhaltlos anzuerkennen. Diejenigen, die es dennoch gewagt haben, selber außerhalb der vorgegebene Grenzen nachzudenken, wurde erfolgreich von den moralisch überlegenen Mitläufern als Opferverhöhner denunziert, sodass sie lieber auch geschwiegen haben. 
Das scheint nun nicht mehr zu funktionieren, weil die erste Gruppe stetig kleiner geworden ist. Mit solch freigeistigem Menschenmaterial, was gegen die Grenzen des von uns definierten guten Geschmacks argumentiert, lässt sich kein glaubhafter Angriffskrieg vorbereiten. Es liegt also noch viel Arbeit vor uns.

AMR: Herr Prof. Rugenbauer, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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