Sonntag, 20. März 2016

Dominanz macht dumm

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Augen zu und Finger ins Ohr

Warum man zum »Klub« gehören muss, wie sich Nils Schmid fast verplappert hätte, und woher diese entsetzliche Ratlosigkeit rührt /

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

19.03.16

Es ist schwierig herauszufinden, wie Politik wirklich funktioniert und was die Akteure in Wahrheit antreibt. Also was sich hinter den hohlen Phrasen und dem lauten Gedröhn verbirgt. Gerade deshalb macht uns die Suche nach dem Kern ja so neugierig.

Manchmal muss man in die Ferne wandern, um Antworten zu erlangen. In einer Nachrichtensendung des großen US-Fernsehsenders „Fox“ erlaubte Newt Gingrich dem Publikum einen tiefen Einblick und enthüllte Ungeheuerliches. Gingrich war bis 1999 stolze 20 Jahre lang Abgeordneter des US-Kongresses, zum Ende hin gar Präsident des Repräsentantenhauses, einer der beiden Kammern des Hohen Hauses.

„Fox“ wollte wissen, warum die Mächtigen in der Republikanischen Partei der USA mit solcher Verbissenheit verhindern wollen, dass Donald Trump im Herbst in ihrem Namen für das Präsidentenamt kandidiert. Jetzt kommt’s: Das liege daran, so Gingrich, dass Trump nicht „zum Klub gehört“, weil er „keiner Geheimgesellschaft angehört, weil er die Aufnahme-Riten nicht durchlaufen hat“. Deshalb sei er „unkontrollierbar“ und müsse unbedingt gestoppt werden.

„Klub“? Geheimgesellschaften?? Das war bislang die Sphäre durchgeknallter Verschwörungstheoretiker. Die Realisten unter uns haben sich immer spöttisch zugeblinzelt, wenn solch ein Idiot in gemeinsamer Runde diesen Quatsch verbreitet hat. Indes: Da gibt es ja noch diese Rede von John F. Kennedy, der als frisch gebackener Präsident im Jahre 1961  vor dunklen Hintergrundmächten gewarnt hat. Von der Ansprache existiert eine Aufzeichnung, die man sich im Internet anhören kann.

Kennedy, der mit Sicherheit zum „Klub“ gehörte, wurde bekanntlich erschossen, ebenso wie kurz darauf sein mutmaßlicher Mörder. Um Zweifel an der offiziellen Version zu den Hintergründen des Kennedy-Mordes ins Lächerliche zu ziehen, soll die CIA später den Begriff „Verschwörungstheorie“ erfunden haben. Verblüffend, wie sich bisweilen alles fügt, nicht wahr?

Die Gingrich-Äußerung können Sie sich übrigens ebenfalls im Netz ansehen, geben Sie bei YouTube „Newt Gingrich Vox-News Trump“ ein.

Man muss also zum „Klub“ gehören, um an die Macht zu dürfen. Das erklärt einiges, was bislang rätselhaft erschien, beileibe nicht nur in den USA. 

Auch auf das hier können wir uns nun einen Reim machen: AfD-Chefin Frauke Petry hatte sich, wie Sie sich erinnern, von einem Lokalredakteur zu der Äußerung verleiten lassen, dass bei der Grenzsicherung laut Gesetz im äußersten Notfall auch die Schusswaffe benutzt werden dürfe. Sie haben alle mitbekommen, wie die Frau dafür wochenlang durchs Land gejagt wurde.

Als Tübingens grüner Bürgermeister Boris Palmer kurze Zeit später so ziemlich genau das Gleiche sagte wie Petry, geschah hingegen fast nichts. Ein paar Tage lang Geraune, Schluss. Mittlerweile wird der Schwabe in den Medien sogar als möglicher Erbe von Winfried Kretschmann gehandelt, wenn der in fünf Jahren aus Altersgründen nicht mehr für das Amt des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg kandidieren will.

Ist das nicht erstaunlich? Zwei nahezu deckungsgleiche Zitate lösen dermaßen unterschiedliche Reaktionen aus! Ist es vielleicht deshalb, weil Palmer zum „Klub“ der etablierten Parteien gehört und Petry nicht? Rühren daher überhaupt die rüden Attacken auf die AfD? 

Der am Wahlabend übel gezauste SPD-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, Nils Schmid, hätte sich in einem TV-Interview fast mal verplappert. Die AfD sei gefährlich, so Schmid, weil sie „die etablierten Parteien von der Macht verdräng ... äh ...“ – fast wäre es ihm rausgerutscht: Weil sie die etablierten Parteien von der Macht verdrängen will. Nicht weil es alles Nazis wären, sondern weil sie an unsere Tröge drängen, unsere Posten, unsere Gehälter, unsere Dienstwagen und all die anderen schönen Privilegien. Deshalb bewerfen wir sie mit allem, was an faulem Obst herumliegt in deutscher Geschichte und Gegenwart.

In der Wahl der Verfemten ist man entsprechend flexibel. Bis 2015 sammelten die Medien alles ein, das geeignet schien, den damaligen AfD-Sprecher Bernd Lucke als verkappten Nazi zu entlarven. Zum Beweis wurde etwa angeführt, dass er mal das Wort „entartet“ in den Mund genommen habe. Dann soll er so in die Menge gewinkt haben, dass seine Hand eine Millisekunde lang die Geste eines Hitlergrußes gestreift haben könnte. Ertappt!

Sie lachen? Ach, der Clou kommt ja erst: Nachdem Lucke 2015 sein Amt verlor und die Partei verließ, hieß es in denselben Medien plötzlich: Mit ihm habe die AfD ihren „gemäßigten, wirtschaftsliberalen Flügel“ verloren. Eben Nazi, jetzt gemäßigt? Woher diese Wende in der Beurteilung? Nun, weil Lucke fortan gegen seine Ex-Partei sturmlief, wurde er gnädig in den „Klub“ wieder aufgenommen – und so mutierte der eben noch hochgradig Nazi-Verdächtige zum „Gemäßigten“ und  „Wirtschaftsliberalen“.

Hat, wie wir seit Sonntag wissen, aber alles nichts genützt. Was soll der „Klub“ denn bloß noch machen, um die dreisten Nichtmitglieder wieder vom Gelände zu vertreiben? Die Ratlosigkeit manifestiert sich auf geradezu erbarmungswürdige Weise in einem Kommentar der linken „taz“.

Schuld am Erfolg der AfD sei vor allem Horst Seehofer, heißt es dort, weil er von der „Herrschaft des Unrechts“ geredet und so sein „Amtssiegel auf die Argumentation der Rechtspopulisten“ gedrückt habe. Schon im nächsten Satz lesen wir dann aber: „Noch verheerender war, dass keine echten Auseinandersetzungen geführt wurden.“ Die einzige relevante Bruchlinie sei zwischen der AfD und allen anderen verlaufen, so die „taz“, die warnt: „So macht man seine Gegner groß.“

Ist das nicht rührend? Die Zeitung beklagt, dass die AfD groß gemacht worden sei, weil alle anderen einer Meinung gewesen seien und sich nicht gestritten hätten. Dann kritisiert sie gleichzeitig mit Seehofer ausgerechnet einen, der eben diese Auseinandersetzung geführt und sich dem Einheitsbrei entzogen hat. Offenbar bemerkt der „taz“-Kommentator den eklatanten Widerspruch gar nicht. Sonst hätte er den Tinnef ja nicht geschrieben.  

Hier drängt ein Dilemma an die Oberfläche, das den gesamten „Klub“ kennzeichnet: Man legt beträchtlichen Wert darauf, „tolerant“ zu sein. Aber wehe, jemand wagt es, eine vom „Klub“ abweichende Meinung zu äußern! Der ist dann „intolerant“, dem gehört das Maul gestopft. Sprich: Wir tolerieren sämtliche Meinungen, solange sie unserer eigenen entsprechen. Eines Tages hat man diese Gewölle aus Betrug und Selbstbetrug derart verinnerlicht, dass einem Kommentare wie der oben genannte passieren, ohne dass man den Widerspruch erkennt.

So spielt das Schicksal: Dominanz macht dumm. Wer über Jahre jeden Blödsinn reden durfte, ohne dass jemand wirkungsvoll widersprechen konnte, der kann irgendwann nicht mehr unterscheiden zwischen der Wahrheit und der eigenen Propaganda. Am Ende verschwimmt alles in einem dicken Nebel und der Überblick geht gänzlich verloren.

Wenn die Wirklichkeit dann plötzlich mit Macht aus dem Busch springt, gehen die meisten vor Schreck zu Boden, schreien hysterisch herum oder erstarren in schockiertem Schweigen. Die ganz Hartgesottenen unter ihnen stecken sich die Finger in die Ohren, schließen die Augen, singen laut ihr altes Lied und tun einfach so, als sei der aus dem Busch gar nicht da.

So hält es Angela Merkel. Sie scheint die einzige im Land zu sein, für welche die drei Landtagswahlen gar nicht stattgefunden haben. Wenn sie die Augen wieder aufmacht, könnte es ihr passieren, dass sie ganz alleine dasteht, inmitten von rauchenden Trümmern, die einmal die CDU waren.






Preussische Allgemeine
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