Auf der Straße, im Büro, selbst im privaten Umfeld: In Indien ist
sexuelle Gewalt allgegenwärtig. Grund: die patriarchalische,
frauenfeindliche Kultur. Jetzt wollen die Frauen nicht länger schweigen. Von Sonia Faleiro
Ich habe 24 Jahre lang in
Neu-Delhi gelebt, einer Stadt, in der sexuelle Belästigung so normal ist
wie das tägliche Brot. Und immer wieder, jeden Tag und an allen
möglichen und unmöglichen Orten dieser Stadt, wird dabei die Grenze zur
Vergewaltigung überschritten.
Schon als
Teenager lernte ich, mich selbst zu schützen. Ich stand niemals alleine
irgendwo herum, wenn ich es vermeiden konnte, und stets ging ich
schnellen Schrittes meiner Wege, die Arme über meiner Brust verschränkt.
Ich achtete darauf, niemals Blickkontakt aufzunehmen oder gar jemanden
anzulächeln. Durch Menschenmassen schob ich mich nur mit den Schultern
voraus.
Nach Einbruch
der Dunkelheit vermied ich es, das Haus zu verlassen, wenn kein
Privatwagen zur Verfügung stand. In einem Alter, in dem andere junge
Frauen an anderen Orten dieser Welt gern mit gewagten Stylings
herumexperimentieren, trug ich Kleider, die mir zwei Nummer zu groß
waren. Bis heute fällt es mir schwer, mich attraktiv zu kleiden, ohne
das Gefühl zu bekommen, dass ich damit mein Leben gefährde.
Nirgendwo konnte ich entkommen
Auch als ich
erwachsen wurde, änderten sich die Dinge nicht. Pfefferspray war damals
nicht zu bekommen, und meine Freundinnen, die alle wie ich der
Mittelschicht oder der oberen Mittelschicht angehörten, trugen
Sicherheitsnadeln oder andere behelfsmäßige Waffen auf dem Weg zur Uni
oder zum Arbeitsplatz.
Eine hatte sogar
immer ein Messer bei sich und bestand darauf, dass ich es ihr
gleichtäte. Ich aber lehnte das ab, denn an manchen Tagen war ich so
wütend, dass ich ein Messer vielleicht auch benutzt hätte. Und wer weiß,
am Ende hätte das vielleicht dazu geführt, dass ich es hinterher selbst
zwischen den Rippen gehabt hätte.
Das ständige
Begleitgeräusch von Pfiffen, Schnalzen, Zischen, sexuellen
Anzüglichkeiten und offenen Drohungen sollte nicht abebben.
Männergruppen zogen durch die Straße, und sie teilten sich ihrer
Umgebung mit, indem sie Lieder aus Hindi-Filmen sangen, die reich an
Doppeldeutigkeiten waren. Um ihr Anliegen zu unterstreichen, drückten
sie ihre Hüften gegen vorbeigehende Fußgängerinnen.
Wenn es doch nur
öffentliche Räume gewesen wären, in denen Frauen Belästigung ausgesetzt
waren! Doch nirgendwo, weder in meinem Büro bei einem bekannten
indischen Nachrichtenmagazin noch in der Arztpraxis und nicht einmal auf
einer privaten Party bei Bekannten, konnte ich dieser Art der
Einschüchterung entkommen.
Um sie zu sehen, müssen Frauen nur in einen Spiegel schauen
Am 16. Dezember
waren, wie die ganze Welt nun weiß, eine 23-jährige Frau und ihr Freund
auf dem Heimweg, nachdem sie den Film "Life of Pi" in einem......
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