Der apolitische Steinbrück strapaziert die SPD
Nach dem Geld-Interview des SPD-Kanzlerkandidaten herrscht
unter Sozialdemokraten Fassungslosigkeit. Vielen erscheint der Preis,
ihn zu verteidigen, zu hoch. Will der Mann überhaupt Kanzler werden? Von Daniel Friedrich Sturm
Eine kluge Antwort hatte sich Peer Steinbrück
ausgedacht, als er in einem Interview gefragt wurde, ob er sich
unterbezahlt fühle. Steinbrück brach in Lachen aus und bekundete: "Das
ist eine tödliche Frage." Messerscharf war diese Analyse Peer
Steinbrücks als Bundesfinanzminister vor gut sechs Jahren. Dabei drückte
er sich mitnichten um eine Antwort. Nach den einleitenden Worten von
der "tödlichen Frage" sprach er davon, er erhalte einen Nettostundenlohn
von 35 bis 40 Euro, und sagte: "Das halte ich nicht für überbezahlt
angesichts der Aufgaben, für die ich Verantwortung trage."
Wer wollte
Steinbrück da widersprechen? Sein damaliges Interview beschäftigte die
Republik eher einige Stunden denn einige Tage, wenn überhaupt, und kein
Wahlkämpfer der SPD sah Anlass für Depressionen – anders als nach den
Worten, die ihr Kanzlerkandidat vor wenigen Tagen fand. So wie der Ton
die Musik macht, so kann die Einleitung einer Antwort die Aussage eines
Interview verändern. Gewiss, Journalisten neigen anschließend dazu,
Zitate zu pointieren. Politiker wiederum relativieren noch so prägnante
Zitate aus dem eigenen Munde mit dem Hinweis, dieser oder jener Satz sei "verkürzt" wiedergeben worden.
Die Mitstreiter zahlen einen hohen Preis
Der nächste
Fettnapf, den Steinbrück in Aussicht nimmt, ist schließlich wohl nur
eine Frage der Zeit. Das äußern auch Sozialdemokraten, wenn sie ehrlich
und souverän sind, was vielen in diesen Tagen besonders schwer fällt.
Das sei wohl der Zwiespalt, mit dem SPD leben müsse, heißt es über den
Kandidaten mit der losen Zunge. Er werde mit der Causa Kanzler-Gehalt
nicht das letzte Mal derart irritiert haben. "Scheiße" ist das Wort, das
intern derzeit besonders oft fällt, und andere Vokabeln lauten:
unerklärlicher Fehler und taktische Mängel. Das Fazit? Allgemeine
Fassungslosigkeit.
"Ich will mich
nicht bis zur Unkenntlichkeit verbiegen", sagt Steinbrück, und mancher
in seinem Umfeld will ihn inszenieren als authentisch, kantig, direkt,
ganz anders also als die Kanzlerin. Mister Klartext gegen
Schwurbel-Merkel, lautet diese Gleichung. Sie ist hochriskant, wie sich
nun abermals zeigt. "Er sagt, was er denkt", heißt es oft über
Steinbrück. Es ist ein Urteil, das einen erschaudern lassen muss. Man
verkündet innere Überzeugungen nicht zu jeder Zeit, schon gar nicht
jedem gegenüber. Das ist im privaten Leben nicht möglich, und im
politischen noch weniger.
Steinbrück, der
in wenigen Tagen 66 Jahre alt wird, hat den Vorteil, auf "alles oder
nichts" setzen zu können. Das entspricht seinem Charakter. Diese "Ich
will so bleiben, wie ich bin"-Philosophie aber erinnert nicht nur an
eine cholesterinfreie Margarine, sondern auch an die Attitüde, mit der
schon Kurt Beck als SPD-Vorsitzender in Berlin gescheitert ist. "Links"
ist sie noch am wenigsten. Steinbrück aber, der in inhaltlichen Fragen
hoch flexibel ist, will persönlich konsequent bleiben. Seinen
Mitstreitern nötigt das einen hohen Preis ab.
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