Vier Gründe gegen eine Freihandelszone mit den USA
Politik und Wirtschaft schwärmen von einer amerikanisch-europäischen
Freihandelszone. Dabei gibt es mindestens vier gute Gründe, die Finger
davon zu lassen. Europa würde sich nur selbst schwächen. Von Olaf Gersemann und Martin Greive
Sie wurden NTA und NTMA
abgekürzt, TAD, TED und Tafta: lauter Initiativen, mit denen die
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Amerika und Europa vertieft werden
sollten; lauter Initiativen, die wieder in der Versenkung verschwanden.
Nun gibt es wohl
bald den nächsten Anlauf. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will ein
transatlantisches Freihandelsabkommen "proaktiv" vorantreiben, der amerikanische Vizepräsident Joe Biden
äußerte sich auf der Münchener Sicherheitskonferenz am vergangenen
Wochenende wohlwollend, von Barack Obama wird erwartet, dass er am
kommenden Dienstag bei seiner Rede zur Lage der Nation sein "Go" gibt.
Industrielobbyisten beiderseits des Atlantiks hält es vor lauter Vorfreude
kaum mehr auf ihren Stühlen. "Jetzt haben wir ein Zeitfenster,
Verhandlungen aufzunehmen", jubelt Ulrich Grillo, der neue Präsident des
Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).
Die Wirtschaft
will es, die Politik macht mit, und im Prinzip ist Freihandel eine gute
Sache. Dennoch spricht vieles dafür, auch der jüngsten Initiative mit
großer Skepsis zu begegnen.
1. Ein schlechtes Signal für den Rest der Welt
Zölle spielen im
transatlantischen Handel eigentlich nur noch deshalb eine Rolle, weil
das Volumen des Güteraustausches so groß ist. Europas Chemieunternehmen
haben 2010 für ihre Exporte in die USA fast 700 Millionen Euro an den
amerikanischen Fiskus gezahlt. Doch der Zollsatz für die Lieferungen
liegt bei durchschnittlich gerade einmal 2,25 Prozent.
Der Wegfall von
Zöllen dieser Größenordnung mag Unternehmen entlasten – für einen
gesamtwirtschaftlich spürbaren Wachstumseffekt wird er nicht sorgen.
Dafür brauchte es einen Durchbruch dort, wo es gar nicht um Zölle geht,
die Handelshürden aber dennoch beträchtlich sind.
2. Dritte werden benachteiligt
Wenn Europa und
die USA sich untereinander auf eine Liberalisierung ihres Handels
einigen, werden automatisch alle anderen diskriminiert. Die Gefahr ist
groß, dass am Ende nur Handelsströme umgeleitet werden, statt dass neue
entstehen. Zudem könnte der Rest der Welt ein transatlantisches Abkommen
"als Ausschluss verstehen, vielleicht sogar als eine Erpressung
zulasten Dritter", klagt Langhammer.
Im Berliner
Wirtschaftsministerium betont man genau deshalb, die Europäer würden
dafür sorgen, dass das Abkommen offen für den Beitritt weiterer Länder
bleibe.
3. Todesstoß für "Doha"
Die Doha-Runde
steckt fest, ob sie jemals zum Abschluss gebracht werden kann, ist
fraglich. Politiker beiderseits des Atlantiks hoffen, dass ein
transatlantisches Abkommen die multilateralen Verhandlungen wieder ins
Laufen bringen wird, weil andere Staaten unter Druck gesetzt werden.
4. Konzentration auf den falschen Handelspartner
In vergangenen
Jahren hat der transatlantische Handel stark zugelegt, gerade deshalb
machen Industrieverbände hier wie dort Druck auf die Politik, das
Abkommen voranzutreiben. Doch die Musik spielt künftig woanders, in
Asien, in Lateinamerika.
Weltwirtschaftsexperte
Langhammer befürchtet, ein transatlantischer Zusammenschluss werde
Europa per Saldo sogar schaden, weil er zulasten der
Wirtschaftsbeziehungen mit den Schwellenländern geht.
...
"Ich sehe nicht, worauf sich die USA und die EU in der Agrarpolitik einigen wollen", sagt auch Bhagwati. Bhagwati sieht zudem die Gefahr, dass Europa als treibende Kraft einer späteren multilateralen Handelsliberalisierung ausfiele: "In der Doha-Runde waren die USA die Bremser und die Europäer die Antreiber." Nach Abschluss eines transatlantischen Liberalisierungsvertrags dagegen, befürchtet Bhagwati, "müssten die Europäer stärker auf die Interessen der USA und ihrer Lobbygruppen achten".
USA und Pazifikstaaten beschließen Freihandelszone
(14.11.2011/hg/dpa)
Die USA und acht asiatisch-pazifische Staaten haben sich auf Grundzüge eines Freihandelsabkommens geeinigt. „Viele Details sind noch auszuarbeiten, aber wir sind zuversichtlich, dass wir es hinkriegen“, sagte US-Präsident Barack Obama am Samstag beim Gipfel der 21 APEC-Länder in Honolulu auf Hawaii.
Die APEC (Asiatisch-pazifische wirtschaftliche Zusammenarbeit) wurde 1989 mit dem Ziel gegründet, im pazifischen Raum eine Freihandelszone einzurichten. Mit den Beschlüssen vom Wochenende rückt dieses Ziel einen deutlichen Schritt näher.
Bereits 2012 könne der Pakt geschlossen werden. Unterzeichner der Erklärung sind neben den USA Australien, Brunei, Chile, Malaysia, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam.
Zusammengenommen seien diese acht Länder der fünftgrößte Handelspartner der USA, sagte Obama. „Wir kommen bereits auf ein jährliches Handelsvolumen von 200 Milliarden Dollar“, führte er aus. Das Abkommen soll Hürden für Handel und Investitionen verringern, die Exporte ankurbeln und für mehr Jobs sorgen. Die asiatisch-pazifische Region ist aus Sicht der USA auf dem Weg, in diesem Jahrhundert zu einer Schlüsselregion zu werden.
Vorangetrieben hatte das Vorhaben auch Japans Ankündigung, für eine Beteiligung an der Freihandelszone Trans-Pazifik-Partnerschaft (TPP) offen zu sein. Diese wurde ursprünglich 2006 von Singapur, Neuseeland, Chile und Brunei gegründet. Seit vergangenem Jahr wollen sich auch Australien, Malaysia, Peru, Vietnam und die USA dem TPP-Abkommen anschließen.
Doch ein Beitritt Japans in eine von den USA geführte Freihandelszone ist in dem Inselstaat stark umstritten. Das Thema spaltet nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Demokratische Partei von Japans Regierungschef Yoshihiko Noda. Industrieverbände fordern vehement einen Beitritt, damit Japan im globalen Wettbewerb nicht noch weiter hinter Südkorea und andere schnell wachsende Länder zurückfällt. Massiver Widerstand kommt hingegen unter anderem von den Landwirten. Sie fürchten einen Zusammenbruch des stark abgeschotteten heimischen Agrarmarktes.
Denn alle Mitglieder der TPP sollen innerhalb von zehn Jahren ihre Zölle abschaffen. Japans Landwirte fürchten daher, ihren Reis nicht mehr verkaufen können, der bislang durch eine Zollmauer von rund 780 Prozent geschützt wird. 90 Prozent der konsumierten 8,1 Millionen Tonnen Reis jährlich würden künftig importiert, so die Gegner. Befürworter halten dagegen, dass es in den TPP-Ländern gar nicht genug Produzenten für den japanischen Kurzkornreis gebe. Zudem würde laut dem Industrieministerium Japans Wirtschaftsleistung noch viel stärker durch geringere Exporte schrumpfen, wenn Japan dem TPP nicht beitreten würde.
Das Thema könnte zu einer Zerreißprobe für Noda werden, der offenbar gewillt ist, der Freihandelszone beizutreten
Auch China sprach sich auf dem APEC-Gipfel generell für eine Öffnung des Handels aus, äußerte sich aber kritisch über die im TPP vorgesehene strikte Abschaffung von Zöllen oder Barrieren für ausländische Investoren. Chinas Wirtschaft öffne sich zwar, sagte der chinesische Staatspräsident Hu Jintao. Aber eine „unausgewogene, unkoordinierte und nicht nachhaltige Entwicklung“ sei nicht erstrebenswert.
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