Selber denken! Sieben Wochen ohne falsche
Gewissheiten
3. Woche: „Selber reden“ (Hiob 13,1–13)
Siehe, das hat alles mein Auge gesehen und mein Ohr gehört,
und ich hab's verstanden. Was ihr wisst, das weiß ich auch, und ich
bin nicht geringer als ihr. Doch ich wollte gern zu dem Allmächtigen
reden und wollte rechten mit Gott. Aber ihr seid Lügentüncher und
seid alle unnütze Ärzte. Wollte Gott, dass ihr geschwiegen
hättet, so wäret ihr weise geblieben. Hört doch, wie ich mich
verantworte, und merkt auf die Streitsache, von der ich rede! Wollt ihr Gott
verteidigen mit Unrecht und Trug für ihn reden? Wollt ihr für ihn
Partei nehmen? Wollt ihr Gottes Sache vertreten? Wird's euch auch
wohlgehen, wenn er euch verhören wird? Meint ihr, dass ihr ihn
täuschen werdet, wie man einen Menschen täuscht? Er wird euch hart
zurechtweisen, wenn ihr heimlich Partei ergreift. Werdet ihr euch nicht
entsetzen, wenn er sich erhebt, und wird sein Schrecken nicht über euch
fallen? Was ihr zu bedenken gebt, sind Sprüche aus Asche; eure Bollwerke
werden zu Lehmhaufen. Schweigt still und lasst mich reden; es komme über
mich, was da will.
Liebe Fastengemeinschaft!
Ich hoffe, dass Sie auch die zweite Woche über Freude beim Selbsttun
hatten. Wir haben bereits selbst gedacht und selbst gesucht, ab nun sollen
wir auch noch selbst reden. Wieder bekommen wir ein biblisches Vorbild
dafür, und diesmal ist es Hiob. Eine gute Wahl, wenn ich so sagen darf,
denn Hiob macht wie kaum jemand sonst den Mund auf. Er hat allen Grund dazu,
schließlich tun Gott und Satan in einem ungewöhnlichen
Bündnis ihm die schlimmsten Dinge an. In einem
„Menschenexperiment“ wollen sie schauen, wie weit man es treiben
muss, bis ein frommer Mensch seinem Gott abschwört. Hiob wird sein Hab
und Gut genommen, seine Familie und schließlich seine Gesundheit. Doch
Hiob wendet sich nicht von Gott ab, sondern er wendet sich gegen ihn. Er will
mit seinem Peiniger ins Gericht gehen.
Als seine Freunde von Hiobs entsetzlichem Unglück erfahren, kommen
sie ihn besuchen. Als sie das Häuflein Elend sehen, das einmal ihr
Freund war, setzen sie sich zu ihm auf die Erde, und zunächst reden sie
kein Wort. Sieben Tage und Nächte lang sitzen sie einfach da. Dann
beginnt Hiob zu reden. Er verflucht sein ganzes Leben, das ihm nur Qual ist.
Und dann beginnt das lange Gespräch. Die Freunde können anscheinend
nicht ertragen, dass Hiob einerseits so leidet und andererseits so redet.
Nacheinander sprechen sie Hiob an und er antwortet ihnen jeweils. Spannend
für unser Motto „Selber reden“ ist dabei, dass sie beginnen,
sich über das Reden des anderen zu ereifern. Ich habe für Sie mal
Sätze aus den Reden zusammengestellt, in denen es um das Schweigen und
das Reden geht und die bis zu dem Punkt führen, an dem unser Wochentext
steht.
Zuerst spricht Elifas, und seine ersten Worte sind eine glatte
Unterstellung: „Du hast's vielleicht nicht gern, wenn man
versucht, mit dir zu reden; aber Worte zurückhalten, wer
kann's?“ (Hiob 4,2) Als Hiob antwortet, geht er noch nicht
direkt darauf ein. Er klagt weiter sein Schicksal, doch sagt er:
„Belehrt mich, so will ich schweigen.“ (6,24) Sein
Freund Bildad will ihm dann tatsächlich den Mund verbieten. Er
fährt ihn an: „Wie lange willst du so reden und sollen die
Reden deines Mundes so ungestüm daherfahren?“ (8,2) Hiob
nimmt das noch hin, doch er will reden, unbedingt reden will er. Er ruft aus:
„Dass es doch zwischen uns einen Schiedsmann gäbe, der seine
Hand auf uns beide legte! Dass er seine Rute von mir nehme und mich nicht
mehr ängstige! So wollte ich reden und mich nicht vor ihm fürchten,
denn ich bin mir keiner Schuld bewusst.“ (9,33–35) Das
ist nun zu viel für Zofar. Es entfährt ihm: „Muss
langes Gerede ohne Antwort bleiben? Muss denn ein Schwätzer immer recht
haben? Müssen Männer zu deinem leeren Gerede schweigen?“
(11,2–3) Nun wird Hiob ironisch: „Ja, ihr seid die
Leute, mit euch wird die Weisheit sterben!“ (12,2)
So ist die Stimmung, als Hiob die Sätze sagt, die uns für diese
Woche Mut machen sollen, „selbst zu reden“. Wäre es nicht
besser gewesen, die vier Männer hätten einfach weiter geschwiegen,
wie sie es sieben Tage lang getan haben? Hätten nicht wenigstens die
Freunde den Mund halten können, anstatt zu versuchen, Hiob zu
erklären, warum er leiden muss? Hätten sie nicht einfach mit
aushalten können? Und wenn sie schon reden, warum nur wollen Sie
einander zum Schweigen bringen? Hiob hat zunächst durchaus meine
Sympathie, denn schließlich will er sich nicht anhören, er sei
selbst schuld an seinem Leid. Es ist, als würde man einem Krebskranken
ständig etwas von Psychosomatik erzählen. Aber er mutet mit seinen
unbarmherzigen Worten seinen Freunden eine Menge zu. Wie soll ich es
aushalten, wenn ein geliebter Mensch den Tag seiner Geburt immer wieder
verflucht? Hätten Sie nun reden oder schweigen sollen? Ich schlage Ihnen
wieder zwei kleine Gedankenübungen vor.
Die erste Übung „Wenn du geredet
hättest“
Erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie geschwiegen haben, obwohl Sie etwas hätten sagen können. Was war der Anlass? Wer war mit dabei? Was war es, das Sie hätten sagen können? Wie groß war der Drang in Ihnen, etwas zu sagen? Warum haben Sie geschwiegen? Wenn Sie sich an die Situation wieder gut erinnern können, kommt nun die Frage zum Selberdenken:
Was wäre wohl geschehen, wenn Sie geredet hätten?
Erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie geschwiegen haben, obwohl Sie etwas hätten sagen können. Was war der Anlass? Wer war mit dabei? Was war es, das Sie hätten sagen können? Wie groß war der Drang in Ihnen, etwas zu sagen? Warum haben Sie geschwiegen? Wenn Sie sich an die Situation wieder gut erinnern können, kommt nun die Frage zum Selberdenken:
Was wäre wohl geschehen, wenn Sie geredet hätten?
Die zweite Übung "Wenn du geschwiegen
hättest"
Suchen Sie in Ihrer Erinnerung nach einer Situation, in der Sie sehr wohl selbst geredet haben. Sie haben Ihren Mund aufgemacht und gesagt, was Sie denken. Was war der Anlass? Wem gegenüber haben Sie geredet? Was war es, das Sie sagten? Wie haben Sie es gesagt? Wie ging es Ihnen dabei?
Haben Sie die Situation? Dann denken Sie selber weiter und fragen Sie sich:
Was wäre wohl passiert, wenn ich geschwiegen hätte?
Suchen Sie in Ihrer Erinnerung nach einer Situation, in der Sie sehr wohl selbst geredet haben. Sie haben Ihren Mund aufgemacht und gesagt, was Sie denken. Was war der Anlass? Wem gegenüber haben Sie geredet? Was war es, das Sie sagten? Wie haben Sie es gesagt? Wie ging es Ihnen dabei?
Haben Sie die Situation? Dann denken Sie selber weiter und fragen Sie sich:
Was wäre wohl passiert, wenn ich geschwiegen hätte?
Vielleicht verstehen wir Hiob und seine Freunde nun ein wenig besser. Ich
empfehle Ihnen für die kommende Woche, dass Sie sich dieses Buch einmal
vorknöpfen und ganz lesen. Hiob selbst schweigt übrigens am Ende
gegenüber Gott. Warum? Nun, darüber haben sich schon so viele
Generationen die Köpfe heiß geredet, dass wir es für diese
Woche lieber mit den Reden der Freunde belassen sollten. Aber glauben Sie
nicht, dass ich Ihnen den Mund verbieten möchte.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie in dieser Woche Reden und Schweigen gut
mischen können und vor allem, dass Sie selbst sehr bewusst entscheiden
können, wann Sie was davon tun.
Alles Gute!
Ihr Frank Muchlinsky
Frank
Muchlinsky ist Pastor der Nordkirche. Er hat viele Jahre in der
Erwachsenenbildung und in der Diakonie gearbeitet. Sein Schwerpunkt liegt
darauf, Glaube und Theologie erfahrbar und verständlich zu machen. Das
tut er in seinen Seminaren mit Erziehungsfachkräften an evangelischen
Kitas ebenso wie mit der Methode des "Bibliologs", die er seit 1999
anwendet und lehrt. Seit 2012 arbeitet er bei evangelisch.de und betreut dort
die Bereiche Glauben und Fragen.
Internet: http://www.7wochenohne.de/
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