Selber denken! Sieben Wochen ohne falsche
Gewissheiten
6. Woche: Selber bekennen (Lukas 12,8–12)
Ich sage euch aber: Wer mich bekennt vor den Menschen, den wird
auch der Menschensohn bekennen vor den Engeln Gottes. Wer mich aber
verleugnet vor den Menschen, der wird verleugnet werden vor den Engeln
Gottes. Und wer ein Wort gegen den Menschensohn sagt, dem soll es vergeben
werden; wer aber den Heiligen Geist lästert, dem soll es nicht vergeben
werden.
Wenn sie euch aber führen werden in die Synagogen und vor die Machthaber und die Obrigkeit, so sorgt nicht, wie oder womit ihr euch verantworten oder was ihr sagen sollt; denn der Heilige Geist wird euch in dieser Stunde lehren, was ihr sagen sollt.
Liebe Mit- und Selbst-Denkerinnen und -Denker,
die vorletzte Woche der Passionszeit läuft bereits. Die Karwoche beginnt am kommenden Sonntag. Da passt es, dass uns in dieser Woche ein Text zum Selberdenken präsentiert wird, in dem Jesus das in den Blick nimmt, was nach ihm kommen wird. Wie wird es sein, wenn die Christen sich in der Welt zurechtfinden müssen? Es wird vor allem – daran lässt Jesus keinen Zweifel – darum gehen, ihn zu bekennen. Jesus schaut also deutlich über seinen eigenen Tod und seine Auferstehung hinaus in eine Zeit, in der sich bereits so etwas wie eine Kirche gebildet hat. „Wer sich zu mir bekennt, zu dem bekenne ich mich auch vor den Engeln Gottes“, sprich: am Jüngsten Tag. Es folgen weitere Ermahnungen und Anweisungen. Jesus gibt seinen Anhängern hier – erschrecken Sie bitte nur ein wenig – eine Anleitung zum Martyrium.
Das griechische Wort Martyria bedeutet nichts anderes als
„Zeugnis“. Märtyrer sind „Zeugen“ ihres
Glaubens. Und als solche Zeugen sollen die Christen nicht etwa andere
Menschen zwingen, bekämpfen oder gar töten. Sie sollen vielmehr
bereit sein, für ihre Sache einzustehen, sie sollen bekennen. Für
die ersten Christinnen und Christen war das Bekennen eine ausgesprochen
riskante Sache, darum ist es kein Wunder, dass wir im Lukasevangelium so
klare Worte Jesu finden, die dazu auffordern, auf gar keinen Fall den
Heiligen Geist zu lästern. Was Jesus damit meint, wird seit
Jahrhunderten leidenschaftlich diskutiert. Ich kann mir vorstellen, dass er
in diesem Zusammenhang meint: Der Geist wird den „Zeugen“
gegeben, damit sie – in welcher Situation auch immer – reden
können, bekennen können. Nicht zu bekennen, nicht Zeugnis abzulegen
für den eigenen Glauben, kommt darum einer Lästerung des Heiligen
Geistes gleich. Jesu Anleitung zum Zeugesein zum „Martyrium“
lautet also: Vertraue darauf, dass du schon das Richtige sagen wirst, wenn du
anderen – vielleicht sogar öffentlich – von mir
erzählen sollst. Vertraue darauf und tu es!
Nehmen wir also einmal an, dass Jesus will, dass wir in jedem Fall den
Mund aufmachen, wenn unser Glaube gefragt ist. Dann ergibt sich für
diese Woche unsere Aufgabe fast von selbst. Fragen wir uns, wann unser Glaube
gefragt ist. Wir werden ja wahrscheinlich nicht „in die Synagogen
und vor die Machthaber und die Obrigkeit“ geführt werden,
weil wir einen Glauben haben, der den Mächtigen nicht passt. In unserem
Land bedeutet „Martyrium“ keineswegs, sich in Lebensgefahr zu
begeben.
Stellen Sie sich also vielmehr eine Situation vor, in der Sie unter
Menschen sind, die Ihren Glauben nicht teilen. Vielleicht sind sogar einige
darunter, von denen Sie wissen, dass sie es eher lächerlich finden, wenn
vom christlichen Glauben die Rede ist. Sind sogar solche darunter, die Ihren
Glauben verachten und verletzende Bemerkungen machen könnten? Haben Sie
solch eine Situation vor Augen? Sie müssen so etwas nicht direkt erlebt
haben, stellen Sie es sich einfach vor, bevölkern Sie die Szene mit den
entsprechenden Leuten.
Wenn Sie die Szene vor sich haben, können Sie sich nun die folgenden
Fragen stellen:
Was ist es, das Sie an Ihrem Glauben so gut finden, dass es eigentlich
andere hören sollten? Was ist zu gut an Ihrem Glauben, als dass Sie es
für sich behalten könnten? Versuchen Sie wenigstens drei Dinge zu
finden.
__________________________________ (Platz für Ihre
Gedanken)
Was könnte geschehen, wenn Sie anderen davon erzählen, die Ihren
Glauben nicht teilen? Ordnen Sie die Reaktionen danach, was Ihnen besonders
arg vorkommt.
__________________________________ (Platz für Ihre
Gedanken)
Und nun versuchen Sie abzuwägen: Welches Risiko sind Sie bereit
einzugehen, damit Sie von dem Guten, das Sie durch Ihren Glauben haben, etwas
abgeben können? Schreiben Sie das nicht auf. Es wäre zu sehr wie
ein Vertrag, und solch einen möchte ich Sie nicht schließen
lassen. Denken Sie nur einfach mal darüber nach. Es ist ja die Zeit zum
Selberdenken: Was bin ich bereit zu tun, um zu bekennen? Was bin ich bereit
einzustecken?
Wie immer gilt bei unseren Übungen. Gehen Sie vorsichtig mit sich
selbst um. Sie dürfen Gott für jede Schwäche um Vergebung
bitten, auch hier. Und Sie dürfen ihn für jede kleine Stärke
darum bitten, dass sie größer werde.
Viele gute Gedanken wünscht Ihnen für diese Woche und
darüber hinaus
Ihr Frank Muchlinsky
Frank
Muchlinsky ist Pastor der Nordkirche. Er hat viele Jahre in der
Erwachsenenbildung und in der Diakonie gearbeitet. Sein Schwerpunkt liegt
darauf, Glaube und Theologie erfahrbar und verständlich zu machen. Das
tut er in seinen Seminaren mit Erziehungsfachkräften an evangelischen
Kitas ebenso wie mit der Methode des "Bibliologs", die er seit 1999
anwendet und lehrt. Seit 2012 arbeitet er bei evangelisch.de und betreut dort
die Bereiche Glauben und Fragen.
Internet: http://www.7wochenohne.evangelisch.de/
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