Die SPD und die unanständigen Berliner
von Vera Lengsfeld
Berlin hat gewählt und die wichtigste Botschaft dieser Wahl
war die entschlossene Demonstration aller Politiker, dass sie sich nicht
vom Wählerwillen beirren lassen. Die SPD hat ihr historisch
schlechtestes Ergebnis eingefahren, darf aber weiter an der Macht
bleiben, nur diesmal in einer Dreier-Koalition. Nur das zählt, alles
andere interessiert nicht. Kein Wort darüber, dass nur die Piraten mehr
Prozente verloren haben, als die „Wahlsieger“.
Siegmar Gabriel strahlt wie ein Honigkuchenpferd, überreicht der Frau
des Regierenden Bürgermeisters rote Rosen und sagt tatsächlich, dass
Berlin „anständig“ geblieben sei. Damit erklärt er alle Menschen die
nicht Rot-Rot-Grün gewählt haben für unanständig und damit nicht wert,
Mitglied des „Zusammenhalts“ zu sein, den die SPD im Falle ihres Sieges
der Stadt versprochen hat.
Wenn es Müller und seiner Partei wirklich um Zusammenhalt ginge,
müsste er die CDU und die FDP in seine Koalition einbinden, um den
bürgerlichen Wählern eine Beteiligung an den Geschicken Berlins
einzuräumen. Stattdessen werden die Weichen auf Rot-Rot-Grün gestellt
und damit auf eine Vertiefung der Spaltung der Stadt. Was das für Andersdenkende bedeutet, konnte man am Vorabend der Wahl auf den Straßen der Stadt erleben.
Schon beinahe kabarettistisch sind die Versuche, die Schuld an den
SPD-Wählerverlusten der CDU in die Schuhe zu schieben, wie es der
Bundestagsfraktionsvorsitzende Thomas Oppermann im Deutschlandfunk getan
hat. Er verstieg sich tatsächlich zu der Behauptung, die SPD werde von
der permanenten Debatte innerhalb der Union „mitruntergezogen“.
Fehleranalyse? Fehlanzeige.
Mit der Kanzlerin hat das alles nichts zu tun
Das CDU-Ergebnis hat ebenfalls die schlimmsten Verlusterwartungen übertroffen. Sie fuhr zwar nicht, wie die SPD, das allerschlechteste, aber das zweitschlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl seit Gründung der Partei ein. Mit der Kanzlerin hätte das alles gar nichts zu tun, beieilten sich die Funktionäre, die am Wahlabend vor die Kamera mussten, zu versichern. Der Generalsekretär Tauber ging sogar so weit, dem SPD-Spitzenkandidaten Müller den Absturz der CDU in die Schuhe zu schieben. Das ist an Schamlosigkeit schwer zu überbieten.
Die einzige Stimme, die auf das wahre Dilemma der CDU hinwies, war
der ehemalige Regierende Bürgermeister Diepgen, der sagte, die CDU müsse
sich wieder rechts positionieren. Seine Mahnung , so richtig sie ist,
wird wohl nicht gehört werden, denn rechts ist inzwischen ein
vergifteter Begriff, weil die Union die demokratische Rechte nicht
verteidigt, sondern ihre alten Positionen, mir denen sie nicht nur als
Partei reüssierte, sondern auch die alte Bundesrepublik zum
Erfolgsmodell machte, unter Merkel fast komplett aufgegeben hat.
Frank Henkels Versuche, als Spitzenkandidat an Adenauer und Kohl
anzuknüpfen, kamen zu spät und waren zu zögerlich. Wenn er fallen
sollte, wird das Problem der Berliner CDU zum katastrophalen Dilemma,
denn seine innerparteilichen Gegner, die schon die Messer wetzen, sind
alle Merkelianer. Was die CDU dagegen braucht, ist ein einheimischer
Sebastian Kurz. Merkel bedeutet Untergang. Wer das immer noch nicht
begriffen hat, dem ist nicht zu helfen. Eine wirkliche Fehleranalyse bei
der CDU? Unwahrscheinlich.
Die ehemalige Mauerschützenpartei gehört jetzt zum Club
Obwohl die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin gezeigt
haben, dass die AfD Wähler aus allen Parteien einfangen konnte, also
weit davon entfernt ist, ein extremistisches Klientel zu bedienen,
weigerten sich alle Redner am gestrigen Abend, sie als demokratische
Partei anzuerkennen. Das zeugt von einem beunruhigend eingeschränkten
Demokratieverständnis. Während die ehemalige Mauerschützenpartei nach
viermaliger Umbenennung ohne Aufgabe ihrer programmatischer Positionen,
die nach wie vor auf einen „Systemwechsel“ zielen, inzwischen problemlos
zu den „demokratischen Kräften“ gezählt wird, werden die AfD-Wähler auf
eine Weise ausgegrenzt, wie es bei den
SED-PDS-Linkspartei-Linke-Wählern nie der Fall war.
Natürlich gibt es in der AfD zwielichtige Gestalten und zweifelhafte
Positionen. Das war und ist aber in anderen Parteien auch so. Bei den
Grünen waren es unter anderen die Pädophilen, deren Forderungen
zeitweilig sogar zum Programm erhoben wurden. Die Linke hat nach wie vor
zahllose Stasioffiziere in ihren Reihen, deren Interessen von der
Partei immer noch hochgehalten werden. Bei der Union und gab es
ehemalige Nazifunktionäre, bei der SPD Linksradikale, um nur wenige
Beispiele zu nennen. Eine demokratische Partei wird früher oder später
mit solchen Personen und Positionen fertig, auch wenn es, wie bei den
Grünen, manchmal Jahrzehnte dauert. Diese Chance sollten Demokraten der
AfD fairerweise auch einräumen. Dass die Partei stattdessen wie eine
Aussätzige behandelt wird, zeugt nicht von demokratischer Reife.
Die Linke hat immer noch SED-Mitglieder in höchsten Positionen, die
maßgeblich an der Verschiebung von geschätzten 24 Milliarden Westmark,
also 12 Milliarden Euro DDR-Vermögen beteiligt waren und ihr Wissen dem
Bundestagsuntersuchungsausschuss nicht preisgegeben haben. Dietmar
Bartsch, Bundestagsfraktionschef, sei stellvertretend genannt. Aber auch
der junge, unbelastete Spitzenkandidat Klaus Lederer ist nicht bereit,
Licht in das Dunkel dieser Vermögensverschiebung zu bringen, wie ich auf
einer öffentlichen Veranstaltung selbst erlebt habe.
Die Linke wird dennoch demnächst auch in Berlin wieder regieren, in einer Konstellation, die fatale Ähnlichkeiten mit der Nationalen Front der DDR aufweist. Als die SED die einzigen demokratischen Wahlen nicht gewinnen konnte, holte sie einfach die späteren Blockparteien ins Boot. Lederer hat bereits auf Grund der Zugewinne seiner Partei, auch wenn es mehrheitlich zurückgekehrte Piratenstimmen sind, harte Verhandlungen angekündigt. Die SPD hat sich durch ihre voreilige Festlegung erpressbar gemacht. In der Koalition will die Linke der Koch und nicht der Kellner sein.
Für Berlin bedeutet das nichts Gutes.
Achse des Guten
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