Einmal Meckpomm extrascharf
Dirk Maxeiner
„Die Weisheit der Vielen“ heißt ein sehr schönes Buch von
James Surowiecki, dessen These lautet, dass die Kumulation von
Informationen in Gruppen zu gemeinsamen Gruppenentscheidungen führt, die
oft besser sind als Lösungsansätze einzelner Teilnehmer. Das kann so
sein, muss aber nicht so sein. Bei der gestrigen Wahl in
Mecklenburg-Vorpommern scheint es mir aber so gewesen zu sein.
Zunächst mal ganz grundsätzlich: Die Wahlbeteiligung stieg enorm von
51,4 Prozent auf über 61,1 Prozent. Das spricht für ein gewachsenes
demokratisches Bewusstsein der Bevölkerung im Nordosten unseres Landes.
Jahrelang wurde die geringe Wahlbeteiligung in östlichen Bundesländern
(zu Recht) kritisiert, jetzt haben auch viele derjenigen, die beim
letzten Mal zuhause blieben, den Weg in die Wahlkabine gefunden. Dafür
müsste man die Bürger im Nordosten doch eigentlich mal laut loben (aber
vielleicht macht das ja unser Bundespräsident demnächst mal).
Und jetzt zum Wahlergebnis selbst. Es spricht dafür, dass die Bürger
sehr viel klüger sind, als viele im politischen Betrieb ihnen zubilligen
mögen. Einerseits haben sie nämlich dafür gesorgt, dass eine
Landesregierung (SPD/CDU) und ein Ministerpräsident (SPD), die ihre
Sache in der praktischen, alltäglichen Landespolitik wohl gar nicht so
schlecht gemacht haben, weiterregieren können. Wie alle Erfahrungen
zeigen, wählen die Bürger auf dieser Ebene eher nach Person und Ansehen –
und weniger nach Parteibuch. Das ist im Westen ähnlich.
Andererseits haben die Menschen im Nordosten die Gelegenheit genutzt,
ihr Unwohlsein über die Bundespolitik und insbesondere die der
Bundeskanzlerin zum Ausdruck zu bringen. Zwar sackte auch die SPD mit
30,6 Prozent Stimmenanteil deutlich ab, die CDU (19 Prozent) fiel in
Meckpomm aber hinter die AfD zurück, die aus dem Stand auf mehr als 20,8
Prozent kam und nun zweitstärkste Kraft im Landtag ist. Selbst im
Wahlkreis der Kanzlerin kam die AfD auf 24,3 Prozent (Vorpommern-Rügen
IV) und 25,7 Prozent (Vorpommern-Rügen V).
Ganz nebenbei verschwand die unappetitliche NPD aus dem Landtag, ein
Kolateralnutzen des AfD-Aufstiegs. Die Wählerwanderungen zeigen, dass
die AfD aber keineswegs nur von ein paar Radikalinskis und Abgehängten
gewählt wird, sondern bis tief ins wohlhabendere und gebildete Milieu
hinein Anhänger findet. Dahinter steckt auch eine interessante Lehre für
die CSU: Würden die Bayern bundesweit antreten, ginge das mit
Sicherheit auf Kosten der AfD. Die Bayern trauen sich aber nicht und
mosern statt dessen weiter im Führerbunker vor sich hin.
„In solchen Gruppen verfestigt sich eine abgeschottete Bunkermentalität“
So war am Wahlabend schon wieder das ärmlich defensive Argument zu
hören, immerhin hätten fast 80 Prozent die AfD nicht gewählt. Das wird
in einer sich selbst überwältigenden Logik als indirekte Zustimmung für
Merkels Politik formuliert. Ist allerdings vollkommen gaga: Auch Frau
Merkels Partei haben 80 Prozent nicht gewählt, genau genommen waren es
sogar 81 Prozent. Und wenn man die Nichtwähler miteinbezieht, dann haben
sogar über 90 Prozent Frau Merkels Politik nicht gewählt. Zu allem
Überfluss flogen auch noch die Grünen aus dem Schweriner Landtag. Ob es
für Merkels Traumkoalition mit den Özdemir & Co nach der nächsten
Bundestagswahl reicht, scheint inzwischen auch zweifelhaft.
Die Politik der offenen Grenze für Zuwanderung wird der
Bundeskanzlerin übel genommen, ihr stures verbales Festhalten daran als
verbohrt und abgehoben empfunden. „Wenn Entscheidungsträger mentalitäts-
und weltanschauungsmäßig einander zu ähnlich sind, werden sie leicht
Opfer des Gruppendenkens“, schreibt der erwähnte James Surowiecki in
„Die Weisheit der Vielen“. Weil Informationen, die konventionelle
Weisheit in Frage stellen könnten, von vorne herein ausgeschlossen oder
als offenkundig falsch abgetan werden. In solchen Gruppen verfestigt
sich eine abgeschottete Bunkermentalität, die häufig zu vollkommen
falschen Einschätzungen der tatsächlichen Lage führt.“
Die Wahl in ihrem Heimatland verfolgte Frau Merkel von China aus –
wahrscheinlich ging das auch nicht anders. Dennoch wurde auch dies als
Zeichen gedeutet. Da ist eine, die ist längst in höhere internationalen
Spähren abgehoben. Umgekehrt mag Frau Merkel gedacht haben: In
Mecklenburg-Vorpommern fällt ein Sack Reis um. Es könnte allerdings
sein, dass sie selbst das war.
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