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Montag, 2. Juli 2018

ADM zum 2.

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Nachdem Angela Merkel ja auch uns allen ein Vorbild ist, haben wir unsere Erziehung umgestellt. Keine Drohungen gegenüber den Teenagern mehr wie „bis heute Abend um 19.00 Uhr ist Dein Zimmer aufgeräumt, ansonsten sperre ich Dein verdammtes Handy“, sondern, integrativ: „Das Säubern Deines Zimmers würde von Deinen Verziehungsverpflichteten als hilfreich begrüßt.“ Wir beschweren uns auch nicht mehr über Frechheiten und Respektlosigkeiten, sondern „verurteilen jede Form prä-aggressiver Ansprachen gegenüber den Schon-länger-hier-Wohnenden“. Wenn es hart auf hart kommt, tun wir das sogar „aufs Schärfste“ und reagieren auf zehn Wochen alte Pizza-Reste und schimmlige halbvolle Colaflaschen „mit Abscheu und Empörung“. 
Gegen zugeworfene Türen und temperamentvolle Ausbrüche bis hin zu „auf-den-Tisch-hauen“ und dem Ignorieren von Verboten „verwahren wir uns in aller Deutlichkeit“ und sollte sich der Nachbar mal wieder wegen zu lauter Musik beschweren, dann schlagen wir „ergebnisoffene Gespräche am Grünen Tisch“ vor. Schmeißt sich der Jüngste vor der Kasse mal wieder zornig auf den Boden, weil er kein Überraschungsei kriegt, dann treten wir, sehr zur Unfreude der hinter uns Wartenden, in einen „konstruktiven Dialog“, der „beiden Seiten gerecht wird“ und kaufen das verdammte Ei. 
Wir sagen auch unseren Bekannten nicht mehr, dass wir ihre Blagen für verwöhnte, verzogene Gören ohne jegliche Erziehung halten, sondern loben das „verhaltensoriginelle und unkonventionelle Auftreten“ der halslosen Monster, wenn sie ungefragt an die Schränke gehen und nach Schokolade durchsuchen.  Das ist für uns einfach eine „bunte, familienkulturelle Abwechslung“, von der wir „sehr profitieren“, weil wir ja nicht fett werden. Kritik äußern wir, wenn überhaupt, nur noch von einer unverbindlichen Metaebene und den kleinen Ringkampf, bei dem das Nachbarskind unserem Jüngsten mit Schmackes ins Gesicht trat, bezeichnete meine Lebensgefährtin vorbildlich als „Missverständnis und Unstimmigkeit“, das „weiterer Aufklärung bedürfe“. Unsere Nachbarin, auf den „Vorfall mit jungen Menschen“ angesprochen, teilte uns mit, dass sie sich „jeder Form von Gewalt unter Kindern konsequent entgegenstelle“. Außerdem wäre die Nase ja nur kaputt, weil unser Kleinster „die falsche Deeskalationsstrategie“ gewählt hätte. Was die gebrochene Nase des Jüngsten aber auch nicht schneller heilen ließ.

Die „Flexibilität des Zeitplans“

Meinen Mitarbeitern und Angestellten werfe ich keine Unpünktlichkeit mehr vor, sondern stelle die „Flexibilität des Zeitplans“ fest, mit „atmenden Unter- und Obergrenzen“, was Arbeitsbeginn und -ende betreffen. Seitdem gibt es auch keine Fehler oder Reklamationen mehr, sondern lediglich „unkonventionelle Lösungswege“, die „mehrere Handlungsoptionen offen lassen“. 
Ich gebe zu, es lebt sich mit diesen konsequenzlosen Allgemeinermahnungen leichter. Der Antagonist kann sich zwar angesprochen fühlen, muss aber nicht. Und daher ist er mir als Mahnendem auch nicht böse und bleibt freundlich.
Einen kleinen Nachteil gibt es allerdings: Die Zimmer bleiben unaufgeräumt, die Reklamationen unerledigt und die Pünktlichkeit meiner Mitarbeiter lässt schwer zu wünschen übrig. Im Gegenteil wird der Problem- und Dreckberg dadurch größer. Aber ich fühle mich gut dabei. Mich regt nur noch das dunkeldeutsche Dreckspack aus dem ersten Stock auf, das alle sechs Wochen pünktlich die Hausordnung erledigt und uns Andersdenkende somit unter Zugzwang zu setzen versucht. Aber da haben sie sich schön geschnitten, die Nazi-Urenkel! Das bedarf noch „intensiver hausinterner  Kommunikation“.




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