Leipzig (idea) – Scharfe Kritik an der vorherrschenden Sprache
evangelischer Pfarrer hat die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff
(Berlin) geübt. Viele wollten es „jedem Recht machen“.
Sie predigten
„weichgespült“. Lewitscharoff sprach am 25. Februar bei einer
Festveranstaltung zum 20-jährigen Bestehen des
Liturgiewissenschaftlichen Instituts der Vereinigten
Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) in Leipzig. Die
59-Jährige bezeichnete es als „entsetzlich“, dass der Protestantismus
sich an moderne Sprechweisen anbiedere. Dies sei „der Tod der Kirche“.
Zwar sei die Lehre, dass der Mensch Sünder ist, aggressiv, aber auch
zutreffend. Nach Lewitscharoffs Ansicht sind viele Pfarrer
„glaubensschwach“. Sie müssten rhetorisch und schauspielerisch
überzeugend auftreten, um dies auszugleichen.
Warum die Bibel so wertvoll ist
Die Schriftstellerin unterstrich ferner die Bedeutung der Bibel. Sie
sei ein sehr weises Buch, das zur Zivilisierung des Menschen und zur
Abkehr von Menschenopfer und Mord beigetragen habe. Durch sie lerne man,
Menschen als Gottes Geschöpfe wahrzunehmen. Lewitscharoff: „Die
Geschichten der Bibel sind das Herzblut unserer Gesellschaft, auch wenn
dies viele heute nicht mehr wahrhaben wollen.“ Sie äußerte sich ferner
zum Unterschied zwischen Literatur und Religion. Die Literatur mache es
möglich, in andere Köpfe und Zeitalter einzutauchen. Dadurch werde „das
eigene Erdengepäck leichter“ und sei wie eine „kleine Erlösung“.
Hingegen umfasse der christliche Glaube die Erlösung des ganzen Menschen
und das Leben nach dem Tod. Dies könne die Literatur nicht leisten.
Lewitscharoff erhielt 2013 den mit 50.000 Euro dotierten
Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
EKD-Kulturbeauftragte: Protestantismus ist zeitgeistgefährdet
Die Kulturbeauftragte der EKD, Petra Bahr (Berlin), vertrat die
Ansicht, dass der Protestantismus schon immer gefährdet gewesen sei,
sich dem Zeitgeist anzupassen. So hätten die Predigten während des
Ersten Weltkrieges nationalistische Züge gehabt. Derzeit neige die
evangelische Kirche zum Moralisieren. Bahr zufolge hat es
glaubensschwache Phasen auch schon vor über 300 Jahren zu Zeiten des
evangelischen Pfarrers und Liederdichters Paul Gerhardt (1607-1676)
gegeben. Auch der Reformator Martin Luther (1483-1546) habe Anfechtung
erfahren. Glaubensarmut sei kein neues Phänomen. Der Pfarrer müsse daher
kein Glaubensheld sein. Allerdings solle er die Gemeinde nicht ständig
mit seinen Zweifeln behelligen. Es sei jedoch „schick“ geworden, in der
Predigt seine Zweifel zu äußern. Bahr: „Ich finde jede Form von
frömmelnder Vollmundigkeit fürchterlich. Dies gilt aber auch für
Kleinmut.“
Kritik am Gottesdienst ist einfach
Laut Bahr ist es sehr einfach, Gottesdienstkritik zu betreiben. So
möchte sie bei der „Geht es ihnen auch so“-Anbiederei mancher Prediger
aufschreien: „Nein, mir nicht.“ Zudem klängen manche Fürbitten wie Reden
vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Solche Kritik zu üben,
sei jedoch billig. Sie sei manchmal selbst erschrocken über die Worte,
die in ihrem eigenen Predigtmanuskript stehen. Die Sprache im
Gottesdienst sei häufig „kolossale Wortverschwendung“. Nötig sei mehr
Furcht und Erschrecken im Gottesdienst. Bahr: „Furcht ist der Anfang der
Liturgie.“ Leiter des Liturgiewissenschaftlichen Instituts ist Prof.
Alexander Deeg.
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