Wir Frauen verschenken Sex heute ohne die Gegenleistung einer festen
Bindung. Und glauben auch noch, das wäre so etwas wie eine Befreiung.
Eine Gegenrede auf Bascha Mika.
Bascha Mika gehört zu meinen Lieblingskontrahentinnen. Mehrfach saßen
wir uns bereits in Talksendungen gegenüber. Sie ist klug und bissig,
mit dieser lächelnden, fiesen Art, wie es nur Frauen können. Also eine
respektable Gegnerin. Ja, ich finde sie sogar sympathisch, was ich nicht
über viele Protagonistinnen der Szene sagen kann. „Sie kriege ich auch
noch, Frau Kelle“, so gingen wir bei der letzten Begegnung scherzend
auseinander. Nein, ganz so weit wird es nicht kommen, es sei denn, sie
nimmt ihr Buch „Die Feigheit der Frauen“ zurück, aber jedenfalls kann
man mit ihr herrlich streiten.
Männer altern, Frauen verblühen
Gerade hat Mika einen neuen Chefredakteursposten bei der „Frankfurter
Rundschau“ angetreten. Also Karriereschritt nach vorne. Und das mit 60
Jahren. Parallel erscheint ihr neues Buch, ausgerechnet zum Thema
Altersdiskriminierung bei Frauen. Das passt doch nicht, Frau Mika! Im Interview mit dem „Spiegel“
klingt es dann fast ein bisschen wehleidig. Männer altern, Frauen
verblühen. Wir Frauen seien immer noch an unseren Körper gekettet und
jedes Jahr mehr gäbe ein Minus in der Gesamtbilanz. Daran schuld sei
aber nicht etwa die unvermeidliche Biologie, sondern Schönheitsideale,
die sich seit Jahrtausenden nicht bewegen und dazu führen, dass wir
Frauen eben aussortiert werden, wenn wir alt und hässlich sind.
Während ein George Clooney hingegen einfach nur reift wie ein guter,
alter, französischer Wein. Alte Frauen sind also deswegen unattraktiv,
weil man sie dafür hält. Alte Männer schnappen sich jüngere Frauen, alte
Frauen bleiben alleine. Klingt wirklich unfair. Ab 55 steige die Kurve
der alleinstehenden Frauen scharf und steil an, so Mika. Diejenigen, die
es wollen, sollten „eine Chance bekommen, einen neuen Liebsten zu
finden“ – was ist das jetzt? Feministische Partnervermittlung? Sollte es
doch so sein, wie Charles Bukowski sagte, Feminismus existiere nur, um
hässliche Frauen in die Gesellschaft zu integrieren? Kommt jetzt die
Quote für alternde und zu Unrecht vernachlässigte Frauen? Bascha Mika
fände ich jedenfalls attraktiv, also wenn ich auf Frauen stehen würde.
Jung, frisch, knackig ist nicht nur für Gemüse ein Ideal
Nun ist die Beobachtung nicht von der Hand zu weisen, dass wir
Attraktivität in der Regel spontan am Aussehen festmachen. Jung, frisch,
knackig ist nicht nur für Gemüse ein Ideal, sondern vor allem für
Frauen. Ja, wir reduzieren gerne und schnell nur auf das Äußere. Frauen
spielen hier jedoch wunderbar mit. Wir sehen gerne gut aus. Wir
vergleichen uns, gerade junge Mädchen sind in den neuen Idealen
gefangen, obwohl es doch so viele andere Möglichkeiten für sie gäbe.
Schön ist das nicht. Gut beobachtet von Mika. Gilt aber auch für Männer.
Die Branche der Schönheitsprodukte für Männer blüht. Sie rennen
inzwischen genauso zum Chirurgen wie Frauen und selbst Magersucht ist
nicht mehr eine rein weibliche Domäne. Das einstige Frauenideal hat die
Männerwelt eingeholt. Von Brad Pitt stammt der Satz „Die Leute
reduzieren mich nur auf mein Aussehen. Manchmal fühle ich mich wie ein
hübsches Mädchen, das an einer Gruppe Bauarbeiter vorbei läuft“.
Aber ist es wirklich nur eine Frage der Sozialisation, dass älteren
Frauen erotische Ausstrahlung und Sexualität abgesprochen wird, wie Mika
behauptet? Und ist das wirklich so? Erst kürzlich stieß ich auf diese
herrliche Zusammenfassung zur Frage, warum Frauen über 40 so wunderbar
entspannend sind für Männer – sie stammt von einem Mann. So schlecht ist es nicht, ein Alter erreicht zu haben, in dem man weiß, was man will und auch von wem.
Wir können die Biologie nicht abschütteln
Es ist eine Frage unseres eigenen Selbstverständnisses, ob wir mit
Würde und damit auch attraktiv altern können, abseits von verblühender
äußerer Schönheit. Schön ist dies immer in der Medienbranche zu
beobachten. Die Lager teilen sich ab einer gewissen Altersgrenze in
diejenigen Frauen, die zu ihrem Alter stehen und damit eine Ruhe und
Größe ausstrahlen, die man in der Jugend niemals erreichen kann. Und in
das Lager der Frauen, die auch jenseits der 50 immer noch wie Girlies
wirken wollen und damit für alle offensichtlich mit sich selbst ein
Problem haben. Nun bin ich kein Mann, aber auch auf Frauen wirkt nichts
weniger sexy, als jemand, der sich seiner selbst unsicher ist. Man kann
die Jugend also entweder auf ewig beneiden, oder mit Humor überwinden.
Zumal es auch für jüngere, hübsche Frauen ja nicht unbedingt einfach
ist, Karriere zu machen. Hängt in diesem Fall nicht immer der Vorwurf
„Schön, aber blöd“ im Raum? Nur wegen ihres Aussehens so weit gekommen?
Hochgeschlafen? Merke: Schönheit mag bei der Paarung von Vorteil sein,
im Job kann es auch ein Minus bedeuten.
Wir können die Biologie nicht abschütteln, Frau Mika. Einem Mann
abtrainieren zu wollen, junge Frauen hübsch oder gar anziehend zu
finden, ist, als wolle man einem Raubtier das Jagen entwöhnen. Sie
erlegen auch im Alter immer noch bevorzugt die jungen Frauen aus einem
einzigen Grund: Weil sie es heute können. Weil die Gesellschaft es heute
erlaubt, dass wir aus langjährigen Beziehungen ausbrechen und neue
eingehen, auch noch im Alter. Die Christian Wulffs von heute werden dafür gefeiert, die jungen Bettys auch.
Jedenfalls so lange das Geld und die Macht reichen. Sonst wird es auch
für die alternden Wölfe nicht gerade gemütlich und auch mal einsam im
Alter.
Sex ist immer noch Macht
Die sexuelle Revolution hat nicht nur die Sexualität von Frauen
befreit, die der Männer auch. Kein Mann muss heute mehr Verantwortung
übernehmen, eine Beziehung oder gar die Ehe eingehen, um das zu
bekommen, was er will. Hat nicht der Feminismus das auch als
Errungenschaft für die Frauenseite gefeiert? Ist es nicht das, was als
modern gilt? Sex getrennt von Liebe. Es gilt als sexy, wenn sich eine
Frau einfach wen oder was sie will nimmt und sei es für eine Nacht. Sie
verhöhnen die Liebe als „Kitsch“. Sie sagen, Beziehung nicht um jeden
Preis. Gilt dann aber auch für Männer. Die Kehrseite sind dann Frauen,
die verlassen werden. Wegen einer Schöneren oder einer Jüngeren.
Sie beklagten einst im Interview,
dass „viele Männer es für selbstverständlich halten, dass Frauen ihnen
zur Verfügung stehen“. Stellen sich nicht viele Frauen selbst zur
Verfügung? Sie beklagten auch, in unserer hypersexualisierten
Gesellschaft würden uns permanent Sex und Erotik als Waren angeboten –
und zwar meist im Zusammenhang mit dem weiblichen Körper. Ja werden denn
all die jungen Mädchen gezwungen, sich in Mode und Werbung zu
verdingen? Für viel zu viele gilt es als Erfüllung eines Traumes. Wir
verschenken unsere Sexualität, unseren Körper heute als Frauen, auch
ohne die Gegenleistung einer festen Bindung. Sex ist immer noch Macht.
Frauen haben das viele Jahrhunderte durchaus auch strategisch zu nutzen
gewusst. Das muss einem nicht gefallen, es ist aber nicht zu leugnen.
Wir haben diese Macht verspielt, und uns dabei einreden lassen, man habe
uns befreit.
Lesen Sie auch die letzte Kolumne von Birgit Kelle:
Gleichberechtigt „schwarzern“
theeuropean.de
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