Johannes 14,6 ... Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. ///
Römer 1,17 ... Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie denn geschrieben steht: "Der Gerechte wird aus dem Glauben leben."
Das Erstarken der Populisten ist das Versagen der Politik.
Die Brexit-Entscheidung der Briten ist dabei nur der letzte von
zahlreichen Warnschüssen, die im etablierten Poltitikbetrieb offenbar
niemand hören wollte oder konnte. Wo Populisten stark werden, ist die
Politik nicht populär (genug).
Demokratie hat keinen Numerus Clausus. Vor allem aber ist Demokratie
kein Spiel, bei dem immer der Gute gewinnt. Die EU, gegen die die
Brexit-Kampagneros nun erfolgreich zu Felde zogen, ist dabei eine Art
Paradebeispiel, bei dem sich die politischen und vor allem auch die
Wirtschaftseliten einig waren, dass es eine gute Sache sei. Wer das
nicht begriff, wurde belächelt. Wer darauf hinwies, dass die Menschen in
anderen Bezugsrahmen denken, sich nicht mit Binnenmärkten
identifizieren, die Gängelung aus Brüssel aber sehr wohl registrierten,
die Segnungen von dort aber nicht, der wurde rasch beiseite geschoben.
Neue Beitrittskandidaten, Euro, Euro-Rettung - lieber nicht die Wähler
mitreden lassen, könnte ja schiefgehen.
Jetzt ist es schiefgegangen
Brexit, AfD, FPÖ-Gewinne, Trump-Aufstieg: All das ist mehr als eine
politische Mückenplage. Hinter diesen Effekten verbirgt sich ein
typischer Unten-Oben-Konflikt, allerdings ohne traditionelles
Klassenkampf-Modell. In anderen Zeiten hätte das zu Revolutionen oder
Aufständen geführt. All jene Bewegungen, bei denen wir in den
Nachrichten die Einordnung „rechtspopulistisch“ dem dummen Konsumenten
gleich mitliefern, mobilisieren aus dem Nichtwähler-Potenzial. Menschen,
die das Mitwirken am politischen Prozess längst aufgegeben und
resigniert haben, kehren zurück, weil jemand ihre Sprache spricht und
vor allem, weil er das etablierte System frontal angreift.
Mit anderen Worten: Es sind Menschen, die mit dem alltäglichen Ringen
um politische Sachkompromisse schon nicht mehr erreichbar sind, denen
es egal ist, ob am EEG rechts oder links gefeilt wird oder wer sich bei
der Erbschaftssteuerreform durchsetzt. Die Abwesenheit dieser Menschen
im demokratischen System ist so lange nicht aufgefallen, wie sie sich im
Nichtwählerlager aufhielten, denn die Prozentsätze der etablierten
Parteien werden von den abgegebenen Stimmen berechnet, nicht von den
theoretisch möglichen. Sobald sich jedoch eine Projektionsfläche in
Gestalt einer neuen Partei, einer Volksabstimmung oder eines irgendwie
neuen Kandidaten bietet, sind sie wieder da. Und schlagen zurück,
bekämpfen ein System, dass glaubte, sich um sie nicht scheren zu müssen.
Die Strategie der asymmetrischen Demobilisierung, die gerade darauf
abzielt, mit politischen Ideen so zu jonglieren, dass immer die Gleichen
regieren, ist ein Katalysator dieser Entwicklung.
Genau deshalb gilt es, die Alarmsignale endlich zu sehen und
ernstzunehmen. Es gibt keine Alternative zum Wähler. Wird er von den
großen Parteien nicht abgeholt, richtet er sich in eigenen Milieus
(Pegida, AfD etc) ein, züchtet im Netz seine eigenen Wahrheiten, wartet
auf eine Chance zum Eingreifen.
Irgendwann kocht die Suppe über
Eine Europäische Union, die keiner versteht, lebensfremder
Gender-Quark, Quotenregelungen für Aufsichtsräte oder Vorstände, bei
denen die Eliten ihre Kontonummern austauschen, aber bei der
Discounter-Kassiererin nichts besser wird, eine Flüchtlingspolitik, die
Einheimische zu willenlosen Erduldern eines von oben geregelten
Weltgeschicks degradiert, Metropolen-Eliten, die bei Buntheit und
Lebensstil den Ton angeben, Denken in nationalen Bezügen als überwunden
verachten, ein Bundestag ohne wirkliche Opposition, Medien, die sich im
wesentlichen einig sind und mehr oder weniger als Einheitsfront mit der
Politik gesehen werden... All das reichert sich untergründig an und
bricht irgendwann aus.
Wenn die Parteien verlorene Wähler zurückgewinnen wollen - und das
müssen sie, wenn das demokratische System weiter funktionieren soll -
muss auch der dumpfe, vermeintlich falsche oder gestrige Wähler
erfahren, dass man ihm zuhört. Wenn es weiter darum geht, dass der
Wähler sich hinter der Funktionärsdoktrin aufstellen oder sich zum
Teufel scheren kann, wird er sich zum Teufel scheren. Und mit diesem
wiederkommen.
Der Vergleich des Historikers Paul Nolte mit dem Anfang der 30er
Jahre klingt dramatisch, stimmt aber insofern, als es eine Art
demokratisches Lotto-Spiel ist, welche Bewegung das Glück hat, aktiv zum
Zuge zu kommen. Jetzt war es Brexit, demnächst vielleicht Le Pen? Wenn
die Präsidentenwahl in Österreich tatsächlich wiederholt wird, könnte
die FPÖ demnächst erstmals in die erste Reihe der aktiven Politik
eintreten.
Unsere Volksvertreter überbieten sich derzeit in der Kunst, ihre Wähler zu beleidigen. Mal werden wir als »Pack«, »Ratten« oder »Mischpoke« beschimpft. Und jetzt generell zum »Problem« erklärt.
Es gab einmal eine Zeit, da waren unsere Politiker Volksvertreter. Es waren Menschen aus dem Volk. Der 2015 verstorbene Helmut Schmidt hat über seinen Tod hinaus Beliebtheitswerte, von denen selbst internationale Popstars nur träumen können. Nie wäre Helmut Schmidt auf die Idee gekommen, die Menschen da draußen verächtlich zu beschimpfen.
Heute nennen Politiker deutsche Wähler wahlweise»Pack« (SPD-Chef Sigmar Gabriel), bezeichnen sie implizit als »Ratten« (Sachsens CDU-Innenminister Markus Ulbig) oder »Mischpoke« (Grünen-Chef Cem Özdemir). Letzteres ist eine Wortwahl, für die sich auch Josef Goebbels entschied, der nach dem Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte begeistert in sein Tagebuch schrieb: »Ich diktiere einen scharfen Aufsatz gegen die Greuelhetze der Juden. Schon seine Ankündigung lässt die ganze Mischpoke zusammenknicken.«
In den Reihen deutschsprachiger Politiker scheint es heute einen Wettbewerb in der Kunst zu geben, wer das Volk am übelsten beleidigen kann. Vielleicht gewinnen ja nicht Gabriel, Ulbig oder Özdemir, sondern Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Er nennt jene, die sich öffentlich gegen die Regierungspolitik aussprechen, ungeniert eine »Schande für Deutschland«. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) setzt noch einen drauf und verunglimpft unzufriedene Bürger, die es wagen, gegen die Zustände in der Politik zu demonstrieren, als »Nazis in Nadelstreifen«.
LSD? Crack? Stechapfeltee? Kokain? Crystal Meth?
Angesichts der tiefen Verachtung unserer Politiker für die Wähler da draußen fragt man sich immer öfter, welche Drogen in der Politik konsumiert werden. Ganz dicht scheinen die dort nicht mehr zu sein. Was rühren die morgens nur in ihr Müsli? Den Bezug zur Realität haben sie offenkundig verloren. Während Millionen Menschen da draußen vor lauter Sorgen nicht wissen, wie sie steigende Mieten und Lebensmittelpreise verkraften sollen, fordern sie uns dazu auf, den Gürtel enger zu schnallen, suchen bestimmte Journalisten die Nähe zu genau jenen Eliten.
Und während die EU Staatsbankrotte nur noch durch pausenloses Gelddrucken hinauszögern kann, erwartet sie eine Willkommenskultur für Millionen Armutsflüchtlinge.
Zu viel Crack? Zu viel LSD? Oder liegt es am Kokain?
Während die Bürger die Nase voll haben von den Toten der Auslandseinsätze, setzen sich Politiker und ihnen ergebene Medienvertreter den Stahlhelm auf und sekundieren Amerikaner munter bei der Planung neuer Kriegseinsätze. Sind das die Folgen von Crystal Meth? Vielleicht sollte man einmal den Grünen-Politiker Volker Beck dazu befragen.
Und nun hat sich auch Bundespräsident Gauck zu Wort gemeldet. Gauck sagt in einem Gespräch mit der ARD ab Minute 11:03:
In Artikel 20 des Grundgesetzes wird festgelegt, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Die Aussage, dass das Volk nicht so springt, wie es Eliten und Politik von ihm fordern, ist vor diesem Hintergrund eine Anwandlung, die mit dem Grundgesetz nicht mehr viel gemein hat.
Die Aussage des Herrn Gauck zeigt wieder einmal, dass Bürger aus der Sicht von Politikern wie kleine unmündige Kinder sind, die man ständig erziehen muss, damit sie endlich erkennen, was für die Zukunft im Mekka Deutschland wichtig ist. Von Volkserziehern in den Reihen von Politik und Medien haben allerdings immer mehr Bürger die Nase voll.
Der Unternehmer Remzi Aru und der Rechtsanwalt Ramazan Akbaş werden Nägel mit Köpfen machen und ihre angekündigte Partei
auf die Beine stellen. Den letzten Ausschlag dafür gab laut Aru die
Armenienresolution im Bundestag.
Die Begründung für die Parteigründung
könnte indessen auch Deutsche ansprechen: Das Land entwickle sich „in
eine fatale Richtung“ und „Altparteien flüchten sich immer mehr in
Ideologie, weil ihre Distanz zum Normalbürger immer größer wird“, sagte
Aru gegenüber der Onlinezeitung Nex.
In einem Aufruf schrieb der Unternehmer, es würden hierzulande
„stalinistische Massenmörder und Verbrecher von Abgeordneten,
Journalisten und anderen Meinungsführern verteidigt und verherrlicht“.
Und außerdem: Etablierte Parteien benutzten Migranten nur als Stimmvieh
und brächten ansonsten keinerlei Empathie für sie auf.
Neben etlichen in Deutschland lebenden Türken zeigen sich bereits
Albaner, Bosnier, Marokkaner, Sinti und Roma, Aussiedler sowie andere
Zugewanderte an der Partei interessiert. Auch primär antisemitisch
motivierte Aktivisten scharren bereits mit den Hufen. Nex titelt:
„Palästinensische Gemeinde: ‚Wir werden Remzi Arus Partei
unterstützen‘".
In einem Leserkommentar dazu ist zu lesen, die
palästinensischen Gruppen in Deutschland müssten sich „an einen Tisch
setzen, nur so können wir gemeinsam der Welt zeigen, dass wir gegen den
Feind Israel als Macht sind“.
Interessante Neukonstellationen respektive Spaltungen im Parteiengefüge
Unter diesem Aspekt wäre die neue Partei optimale Anlaufstelle für
die ewigen Israelmobber aus dem linken Spektrum; allerdings richte sie
sich „gegen Extremismus von links und rechts“ sowie gegen
türkischstämmige Abgeordnete, die der Armenienresolution ihre Stimme
gaben; die sind auch in den dortigen Reihen anzutreffen. Außerdem dürfte
den Linken der Passus über die Verherrlichung „stalinistischer
Massenmörder“ einige Verdauungsprobleme bereiten.
Es könnten sich dennoch interessante Neukonstellationen respektive
Spaltungen ergeben, aus denen sich ablesen lässt, wer tatsächlich wie
vorrangig aufgestellt ist. Man darf auch gespannt sein, ob nach dem zu
erwartenden Senkrechtstart dieser Partei die Einwanderungspolitik von
links und grün immer noch so offenherzig daher kommt. Schließlich
könnten jene, die sie bisher verteidigten, zu Konkurrenten beim Kampf um
die Tröge im Bundestag werden.
Man hätte dann also mit der AfD gleich zwei Parteien, die es zu
bekämpfen gilt. Sollten allerdings die etablierten Parteien den neuen,
wohl mehrheitlich aus Einwanderern bestehenden Konkurrenten tatsächlich
bekämpfen, agierten sie dann in ihrer eigenen Logik rassistisch? In
mancher Hinsicht könnte die Angelegenheit noch heiter werden und
nebenbei hohle Argumentationsmuster entlarven. Mindestens aber wird sie
die Gemütlichkeit der bundestäglichen Großfamilie empfindlich stören.
Gestörte Gemütlichkeit der Bundestags-Großfamilie
Das Parteiprogramm in Kurzform
steht bereits im Netz. Es beginnt mit den Worten: „Wir stehen für ein
selbstbewusstes, traditionsbewusstes, aber auch weltoffenes,
multireligiöses und multinationales Deutschland, das einen gesunden
Patriotismus und Nationalstolz pflegt, statt von einem Extrem ins andere
zu fallen. Wir stehen für ein Deutschland, das eine konstruktive und
ausgleichende Rolle in der Welt spielt, statt anderen Ländern gegenüber
den Schulmeister herauszukehren.“ Man stehe außerdem „für ein Europa,
das sich auf seine elementarsten Kernaufgaben beschränkt“ und für die
Stärkung des „elterlichen Erziehungsrechts gegenüber politischen
Ideologen“; Frühsexualisierung in Kindergärten und Schulen habe zu
unterbleiben. Man wolle „ein Deutschland freier Menschen, freier Märkte
und freier Entfaltung der Potenziale“.
Soweit durchaus ansprechbar. Wären da bloß nicht die unselige Scharia
und der gepflegte Antisemitismus sowie ein gewisser, gar nicht in
Deutschland lebender Platzhirsch im Hintergrund. Schade eigentlich.
Gefährlich? Sollte die Neuaufstellung zu bedachterer
Einwanderungspolitik seitens der Altparteien führen – wenn auch nur um
lieb gewonnene Pfründe zu verteidigen – nicht unbedingt mehr als ein
Weiter so wie bisher. Morgen, am 26. Juni, soll es eine Pressekonferenz
zur Parteigründung geben.
Im ersten Buch seiner dreibändigen ‚Geschichte der Philosophie’
behandelt der Philosoph Richard David Precht Erkenntnisse der Antike.
Zum Thema Judentum und Christentum hat er sich heillos verirrt.
Ein Gastbeitrag von Hubert Hecker.
Im Interview mit der Münchener Abendzeitung wird Precht nach seinen Motiven gefragt. Seine Antwort: Ich hatte das unbändige Bedürfnis, ein Buch zu schreiben, das ich als Student selber gerne gelesen hätte, um den Überblick zu bekommen.
Eine weitere Frage lautete: Wozu braucht man Religion? Er persönlich brauche keine, meint der Schriftsteller.
Aber ich zeige in meinem Buch ja auch, wie das
Christentum entstanden ist. Erstaunlich eigentlich, denn es hatte zuvor
schon so viel Klügeres gegeben. Die Philosophie war schon auf einem viel
höheren Niveau als das, was dann kam. Das Christentum war ein enormer
kultureller Rückschritt.
Mit dem vielen Klugen in der Zeit vor dem Christentum meint Precht
insbesondere die großen griechischen Philosophen wie Sokrates, Platon
und Aristoteles, auch wohl die römische Stoa. Durch die Ausbreitung des
Christentums sei dann ein kultureller Rückschritt eingetreten. Mit
dieser These zeigt der Philosoph, wie wenig er vom frühen Christentum
und seiner Beziehung zur Philosophie verstanden hat.
Das griechische Erbe gehört wesentlich zum Christentum
Es war das besondere Forschungsgebiet vom Theologen Joseph Ratzinger,
der Hellenisierung des Christentums nachzuspüren und sie zu
rechtfertigen. In seiner Regensburger Rede kommt er darauf zurück, dass das griechische Erbe wesentlich zum Christlichen Glauben gehört. Das innere Aufeinanderzugehen zwischen biblischem Glauben und griechischem philosophischem Fragen
sei schon in der jüdisch-biblischen Zeit der Weisheitsliteratur
ausgeprägt gewesen. Als Beispiel nennt er die in Alexandria entstandene
griechische Übersetzung des Alten Testaments, die Septuaginta. In ihr
habe das Beste des griechischen Denkens den entmythologisierten
Glaubenshorizont der jüdischen Spätzeit inspiriert. Es sei dabei zutiefst um die Begegnung zwischen Glaube und Vernunft, zwischen rechter Aufklärung und Religion gegangen.
Samenkörner der Wahrheit in der griechischen Philosophie
Wenn Johannes in seiner Evangeliumseinleitung Gott den logos
nennt, was sowohl Wort wie auch Vernunft bedeutet, dann ist schon bald
nach Jesu Tod eine erste Synthese von biblischem Glauben und
griechischem Denken auf den Weg gebracht, so Papst Benedikt 2006 in
Regensburg.
Ein weiterer Zeuge dafür ist der Märtyrer Justin (+165). Der
heidnische Philosoph war mit den Hauptströmungen der damaligen
Denkschulen vertraut wie Platoniker, Peripatetiker, Pythagoräer und
Stoa. Er bekehrte sich schließlich zum Christentum, das er die allein zuverlässige und brauchbare Philosophie nannte. In Justin manifestiere sich die klare Option der frühen Kirche für eine Philosophie,
die von den heidnischen Mythen und Götterkulten sowie von den
kulturellen Gewohnheiten der Zeit gereinigt ist, um der Wahrheit des
Seins den Vorrang zu geben – so fasste es Papst Benedikt in seiner
öffentlichen Katechese am 21. März 2007 zusammen.
In der griechischen
Philosophie zeigten sich die Samenkörner der Wahrheit, die sich dann in der geschichtlichem und personalen Offenbarung des Logos im Christentum entfalten konnten.
Europa ist auf drei antiken Hügeln gebaut: Akropolis, Kapitol und Golgata
Jerusalem
Auf dieser Linie konnten spätere Theologen weiterarbeiten – etwa mit
der Sentenz, nach dem Logos – also vernunftmäßig – zu handeln dem Wesen
Gottes gemäß sei.
Benedikt charakterisiert in seiner Regensburger Rede die entsprechende Formulierung des oströmischen Kaiser Manuel II. von 1395 als wirklich aus dem inneren Wesen des christlichen Glaubens heraus (entstanden) und zugleich aus dem Wesen des Griechischen, das sich mit dem Glauben verschmolzen habe.
Das Christentum hat zwar seinen Ursprung und wichtige Entfaltungen im Orient gehabt, so der Papst, aber seine geschichtlich entscheidende Prägung hat es in Europa gefunden. Die Begegnung des Christentums mit der griechischen Philosophie, zu der
dann noch das Erbe Roms trat, habe die Wertegrundlagen Europas
geschaffen.
Das ist auch mit dem bekannten Diktum gemeint, nach dem
Europa auf drei Hügeln aufgebaut ist: Die Akropolis steht für
griechische Philosophie, das Kapitol für das römische Verwaltungs- und
Rechtswesen und schließlich Golgatha bei Jerusalem als der Ort, von dem
aus die christliche Erlösungsbotschaft der Nächstenliebe den Völkern der
damaligen Welt eine befreiende Perspektive gegeben hat.
Die Maxime der Frühchristen: Prüft alles, das Gute behaltet!
Natürlich haben die frühchristlichen Kirchenväter von den
griechischen Philosophen nicht alle und alles übernommen, sondern einen
kritischen Sichtungsprozess vorgenommen nach dem Pauluswort:
Prüft alles, das Gute behaltet (1 Tess 5,21).
So etwa haben sie die von Platon geförderte Pädophilie verworfen oder
die von Aristoteles legitimierte Abtreibung sowie Aussetzung von
behinderten Kindern abgelehnt.
Insbesondere die Transzendenz-Lehren von Platon nahmen die Kirchenväter als Samenkörner der Wahrheit
auf. Augustinus und weitere bedeutende Autoren der Kirchenväterzeit
brachten den Neu-Platonismus in die Theologie ein. Im Mittelalter wurde
schließlich von den christlichen Universitäten das Lehrwerk des
Aristoteles’ zur Grundlage der scholastischen Lehr- und Lernmethode
gemacht.
Die These Prechts vom Abstieg oder Abbruch der griechischen Philosophie durch das Christentum ist nicht zutreffend.
Verhackstückung von Judentum und Christentum
Der Zeitungsinterviewer fragt nach Prechts Abwertung des Christentum dann mit Recht: Warum wurde es dann ein Erfolg?
Der erste Satz seiner Antwort ist noch einigermaßen zustimmungsfähig: Das Christentum entwickelte den personellen Gottesbezug, das hat die Menschen extrem angesprochen.
Doch im Weiteren zeigt der Schriftsteller, dass er an Bibel und
Theologie wie mit einem Buschmesser herangeht, um sich Judentum und
Christentum auf dem Hauklotz nach seinem Gusto zurechtzuhacken. Hier
das Ergebnis seiner lächerlichen Verhackstückung:
Im Frühchristentum durfte man alle töten, die nicht an Gott
glaubten. Bei den Juden war das anders. Es gab ja andere Götter neben
Jahwe, die waren aber schwächer. Im Christentum gibt es nur den einen
Gott, und wer nicht an den glaubt, der hat sein Leben verwirkt. Die
Radikalität der Frühchristen findet man heute wieder bei denen, die sich
für den IS rekrutieren lassen. Glücklicherweise hat sich das
Christentum dann weiterentwickelt.
Sind Polytheisten friedlicher?
Die Ausführungen Prechts gehen erkennbar auf eine alte These von Jan
Assmann aus dem Jahr 1997 zurück. Danach sei erst mit der
mosaisch-jüdischen Herausstellung eines einzigartigen, wahren Gottes
Intoleranz und religiös motivierte Gewalt in die bis dahin
polytheistisch-friedliche Völkergeschichte eingezogen. Diese
grobschlächtige These hat sich im bisherigen Diskurs als unzutreffend
erwiesen, so dass Assmann sie in seinem neuen Buch Exodus
teilweise revidieren musste.
Tatsächlich glaubten die Hebräer, dass
viele (Volks-) Götter existierten, aber Jahwe der stärkste wäre. Doch
gerade der von Precht gelobte polytheistische Kontext des
alt-israelischen Glaubens führte zu tödlichen Gewaltaktionen innerhalb
des jüdischen Volkes: Nachdem ein Teil der Hebräer einen goldenen
Stiergott angebetet hatten, töteten die Leviten auf Anweisung Moses etwa
3000 ihrer Volksgenossen (vgl. Ex 32,26). Damit ist Prechts These
hinfällig, dass die Existenz anderer Götter neben Jahwe die Juden vor
Tötungsaufrufen bewahrt hätte, während das monotheistische Christentum
die Tötung von Nicht-Christen legitimiert hätte.
Unter dem monotheistischen Schöpfergott sind alle Menschen Geschwister
Erst in nachexilischer Zeit erkannte man in Israel den alleinigen
Schöpfergott als Vater aller Menschen, die damit als Geschwister
anzusehen sind.
So zeigte sich erst in diesem spätjüdischen Glauben der
Horizont eines völkerumfassenden Monotheismus, der im Messias Christus
und seiner Lehre zur Vollendung kommt. Der ernsthafte Glaube an
Herrschaft und Erbarmen Gottes für alle Menschen sowie die entsprechende
Entgrenzung der Nächstenliebe führt aber – so die naheliegende
Folgerung – bei den (monotheistischen) Gläubigen eher zur Minderung der
Gewaltbereitschaft.
In der Friedens- und Friedlichkeitslehre Christi
sowie seinem Beispiel in Leben und Tod erweist sich Assmanns These (und
seiner Epigonen) endgültig als falsch. Nebenbei ist durch die
Ausführungen klar geworden, dass Prechts Behauptung von dem
durchgehenden Polytheismus des vorchristlichen Judentums
augenscheinlich falsch ist.
Philosophische Halluzinationen
Bezüglich des Christentums stellt Precht drei aufeinander bezogene Thesen auf:
Die Lehre des christlichen Eingottglaubens beinhalte, dass alle Nicht-Gläubigen ihr Leben verwirkt hätten.
Diese Behauptung ist eine philosophische Halluzination, bestenfalls ein
Ausfluss von Assmanns falscher Grundthese. Jedenfalls findet sie in der
christlichen Bibel keinerlei Anhaltspunkte oder Basis.
Im Frühchristentum sei es die Lehre des Christentums gewesen, dass Nicht-Glaubende getötet werden dürften.
Bei den frühchristlichen Theologen, also den anerkannten Kirchenvätern,
kann Precht keine Zeugen für seine These finden, dass Heiden wegen ihres
Nicht-Glaubens an den einen Gott getötet werden dürften oder sollten.
Und selbst wenn er eine marginale Quelle für diese These gäbe – Lehre
der Kirche war das nicht. Warum behauptet ein Philosoph, der für sich
und sein Werk Rationalität beansprucht, so einen unbelegbaren Unsinn? Da
bleibt als Erklärung nur der seit Voltaires Zeiten verbreitete
Kirchenhass übrig.
Schließlich unterstellt Precht in diesem Zusammenhang mit der Formulierung Radikalität der Frühchristen, dass die Tötung von Nicht-Glaubenden von Christen praktiziert worden sei.
Anscheinend verwechselt Precht die im Römischen Reich verfolgten
Christen mit den heidnischen Römern. Die haben während zweieinhalb
Jahrhunderten periodisch Christen gefoltert und getötet, wenn die auf
ihrem Nicht-Glauben an den Gott-Kaiser beharrten.
In späteren Zeitaltern nach dem Frühchristentum hat es tatsächlich
Gewaltexzesse gegen Nicht-Gläubige von Seiten (un)christlicher Herrscher
gegeben. Man denke etwa an die Aktionen von Karl dem Großen gegen die
widerspenstigen Sachsen. Auch wenn solche Strafaktionen im Namen der
Kirche durchgeführt wurden, so waren sie doch in keiner Weise aus und
auf der Basis der biblisch-christlichen Lehre begründet.
Im 11. Jahrhundert hat es von Kirchenleuten begründete
Gewaltanwendung gegen Ketzer gegeben. Aber die entsprechenden
Legitimierungen der Theologen – etwa im Umfeld von Papst Gregor VII. –
konnten ebenfalls nicht aus der christlichen Bibel hergeleitet werden,
sondern bezogen sich ausschließlich auf altjüdische Gewaltaktionen, also
gerade aus dem (polytheistischen) Kontext, der nach Precht
glaubenstolerant und gewaltablehnend gewesen sein sollte. Auch diese
historischen Beispiele zeigen somit, dass der Philosoph mit seiner
frühchristlichen Radikalitätsthese völlig falsch liegt.
Unsinn zu Absurdität gesteigert
Als wenn der Unsinn nicht schon ein Übermaß erreicht hätte, steigert
der Philosoph die Absurdität seiner Behauptung noch einmal mit dem
Hinweis, dass sich die angebliche Radikalität der Frühchristen mit dem
islamisch motivierten Terror der ISlamisten vergleichen ließe. Will
Precht etwa die selbstmörderischen Kampf-“Märtyrer“ des Islamischen Staates mit den frühchristlichen Passions-Märtyrern gleichsetzen, die selbst unter Folter und Todesschlägen ihren Glauben bezeugten?
Precht will mit seinem Buch einen Überblick über die Philosophie-Geschichte geben. Dabei hat er sich beim Thema Judentum und Christentum selbst heillos verirrt und völlig den Überblick verloren.
Zumindest für die zitierten Passagen sollte man Precht das bekannte Diktum zurufen: Si tacuisses, philosophus mansisses– Wenn du (zu diesen Themen) geschwiegen hättest, wärest du (vielleicht) ein Philosoph geblieben.
Kardinal Cañizares, der Erzbischof von Valencia, Spanien, hat
sich in den vergangenen Wochen klar und eindeutig für die Familie und
gegen die Gender-Ideologie ausgesprochen. Nun ist er im Kreuzfeuer
„linker“ Medien und Politiker und soll sogar wegen „Anstiftung zu
Diskriminierung und zum Hass“ geklagt werden.
Homosexuellen-Organisationen wie „Lambda“, das „LGBT Kollektiv von
Valencia“ und andere haben ebenfalls angekündigt, den Kardinal beim
„Sonderstaatsanwalt für Hassverbrechen“ anzuklagen.
Der Kardinal sagte unter anderem am 13. Mai 2016 während einer Predigt: „Wir
haben hier eine Gesetzgebung, die sich immer mehr gegen die Familie
wendet […]. Die Situation ist ernst und hat große Auswirkungen auf die
Zukunft unserer Gesellschaft. Wir müssen uns jetzt gemeinsam um die
Stabilität von Ehe und Familie kümmern. Unterstützen wir die Anerkennung
der Familie in der Öffentlichkeit als unser vordringliches Ziel.“
Am 29. Mai 2016 bezeichnete der Kardinal die Gender-Ideologie in ihrer radikalen Ausprägung als „die heimtückischste Ideologie, was den Abbau von Menschlichkeit im Laufe der Geschichte betrifft“. Dies manifestiere sich auch in den hohen Abtreibungszahlen und an der hohen Scheidungsrate.
Außerdem äußerte sich der Kardinal kritisch über
radikalfeministischen Gruppen und teilte massive Bedenken gegenüber
unkontrollierter Massenzuwanderung nach Europa.
Aufgrund der klaren Worte des Kardinals orchestrierten Teile der
spanischen Massenmedien und die radikale Linke eine Medienhetze gegen
Kardinal Cañizares. Der Kardinal ist in ernster öffentlicher Bedrängnis,
was sich angeblich auch negativ auf seinen Gesundheitszustand
niederschlägt. Wir müssen Kardinal Cañizares jetzt gemeinsam den Rücken
stärken, damit Meinungsfreiheit verteidigt und koordinierter Medienhetze
eine Absage erteilt wird.
Unterzeichnen wir deshalb diese Petition an den Bürgermeister von
Valencia und an jene Gruppierungen, die Kardinal Cañizares so massiv
attackieren.
Jeder hat das Recht auf Religionsfreiheit und auf freie Meinungsäußerung, auch ein Kardinal.
Erst kürzlich haben nun auch Vertreter der LGBT-Lobby bei einem
Gericht in Valencia Klage gegen Kardinal Cañizares eingereicht. Der
sozialistische Präsident der Regionalregierung in Valencia, Ximo Puig,
verurteilte den Kardinal, indem er meinte: „Seine Worte geziemen
sich seiner hohen Verantwortung nicht […]. Jeder kann jeden lieben und
ich mache mir Sorgen über jene, die nicht jeden lieben […]. Ich fühle
mich eher von Papst Franziskus vertreten, als vom Kardinal.“
Auch die Vizepräsidentin des Regionalparlaments von Valencia, Monica Oltra, griff den Kardinal unsachlich an: „[Kardinal
Cañizares] Worte schüren ein Klima von Hass und deshalb auch von
Hassverbrechen […]. Seine Botschaft ist frauenhassend und erniedrigend
für Frauen.“
Kardinal Cañizares ist jedoch bei weitem nicht allein mit seiner
Unterstützung für die Familie. Sehr viele Menschen auf der ganzen Welt
teilen die Meinungen des Kardinals, dass Gender-Ideologie der Menschheit
insgesamt Schaden zufügt und gegen die Natur des Menschen gerichtet
ist.
Auch Papst Franziskus äußerte sich kritisch über den Genderismus: „Eine
weitere Herausforderung ergibt sich aus verschiedenen Formen einer
Ideologie, die gemeinhin Gender genannt wird und die den Unterschied und
die natürliche Aufeinander-Verwiesenheit von Mann und Frau leugnet. Sie
stellt eine Gesellschaft ohne Geschlechterdifferenz in Aussicht und
höhlt die anthropologische Grundlage der Familie aus. Diese Ideologie
fördert Erziehungspläne und eine Ausrichtung der Gesetzgebung, welche
eine persönliche Identität und affektive Intimität fördern, die von der
biologischen Verschiedenheit zwischen Mann und Frau radikal abgekoppelt
sind. […] Es ist beunruhigend, dass einige Ideologien dieser Art, die
behaupten, gewissen und manchmal verständlichen Wünschen zu entsprechen,
versuchen, sich als einzige Denkweise durchzusetzen und sogar die
Erziehung der Kinder zu bestimmen.“ Wir sind „berufen, unser
Menschsein zu behüten, und das bedeutet vor allem, es so zu akzeptieren
und zu respektieren, wie es erschaffen worden ist.“ (Amoris Laetitia, Punkt 56, Seite 53)
Obwohl Kardinal Cañizares lediglich allgemein bekannte christliche
Standpunkte vertritt, sah er sich aufgrund der Hetze veranlasst, einen
Brief an die Gemeinden seiner Diözese zu veröffentlichen. Darin schreibt
er: „Bin ich jemand, der Hass nährt? Oder wird Hass vielmehr von
anderen gegenüber mir geschürt, wie beispielsweise in der
Parlamentssitzung vom vergangenen Donnerstag? Ihre verurteilenden Worte
[gegen meinen Glauben] schwören unvorhersehbare und unerwünschte
Konsequenzen herauf.“ Ist es homophob, die Familie zu verteidigen?
Doch bis jetzt beharren links-orientierte Politiker und Teile der
Medien auf ihrem Ansinnen, den Kardinal nicht nur politisch, sondern
auch vor Gericht zu kriminalisieren.
Teilen wir den Verantwortlichen unseren Protest mit und
zeigen wir ihnen unsere Solidarität mit Kardinal Cañizares, der einer
politischen und medialen Hetzkampagne ausgesetzt ist, nur weil er
christliche Standpunkte vertritt.
Sollte Kardinal Cañizares vom Gericht verurteilt werden, drohen ihm bis zu drei Jahre Haft.
Mit der Unterzeichnung dieser Petition wird eine E-Mail an den
Bürgermeister von Valencia, Joan Ribó, gesandt. Auch die Sprecher
weiterer politischer Gruppierungen, die den Kardinal attackieren, werden
über diese Petition informiert.
Gottesdienste
sind heute vielerorts eine Spielfläche für Experimente geworden. Wir
sorgen dafür, dass wir in den Gottesdiensten immer häufiger dem
begegnen, was wir sowieso gut kennen, nämlich unserer Alltagskultur.
Sind Gottesdienste dafür da?
Mehr im Aufsatz „Gottesdienst als Spielwiese – Geistlicher Aufbruch
durch neue Gottesdienstkulturen?“ (Bekennende Kirche, Nr. 52, 3/2013, S.
19–27): www.bekennende-kirche.de/heft/52.
Vorwärts immer, rückwärts nimmer: Jetzt kann nur noch Peking helfen!
. Ja, die Morgenmeldungen muss man erst mal verdauen. Wem wie
mir beim Verfolgen der Abstimmung in Großbritannien so gegen ein Uhr die
Augen zugefallen sind, hatte heute Morgen beim Blick auf den
Nachrichtenticker des Smartphones ein übles Erwachen. Die Briten werden
also die EU verlassen. Wirklich.
Eigentlich hatte ich vor dem Einschlafen schon befürchtet, heute die
Siegesmeldungen der EU-Funktionäre lesen zu müssen. Etwa von Herrn
Juncker, der von einem „Sieg der Vernunft“ spricht oder Herr Schulz, der
sicher etwas in der Art „jetzt müssen wir noch schneller und
umfassender zusammenwachsen“ sagen würde. Stattdessen ein Videokommentar von Florian Harms auf SPON, der von einem „Schwarzen Tag für Europa“ und „jetzt erst recht“
spricht. Für Europa, nicht die EU. Ganz so, als hätten die Briten samt
ihren Inseln längst Segel gesetzt und wären in den Weiten des Atlantik
verschwunden.
Aber keine Sorge, Britannien ist noch da. Und die EU-Granden sagen
genau das, was ich erwartet habe – obwohl das Referendum anders ausging,
als sie erwartet hatten. Seltsam, oder? SPON weiter: „Ja, die EU ist nicht perfekt, sie ist oft bürokratisch. Sie scheitert zu oft an den großen Herausforderungen unserer Zeit.“
Ach, tatsächlich! Mir scheint, das ist einer kleinen Mehrheit der
Briten auch aufgefallen und was noch entscheidender sein könnte, einer
noch größeren Mehrheit der „Rest-EU“ auch. Für Harms jedoch kein Grund,
die EU zu verlassen.
„Die EU wurde zwar als Wirtschaftsgemeinschaft gegründet, aber heute ist sie viel viel mehr“,
so Harms. Wenn ich mir die Meldungen des heutigen Tages so ansehe, habe
ich leider den Verdacht, dass dies nichts als ein frommer Selbstbetrug
ist.
Der DAX bricht um 1000 Punkte ein, die deutsche Börse will ihre
Fusion mit der Londoner Börse „jetzt erst recht“ durchziehen, die
deutsche Autoindustrie fordert schon heute konkrete Verhandlungen für
ein Freihandelsabkommen mit den Briten. Es ist also die
Wirtschaftsgemeinschaft, die betroffen ist, reagiert und mit der neuen
Situation klarkommen muss. Was ich dagegen noch nicht gehört habe ist,
dass Deutschland den Briten den Krieg erklärt hat oder dass es
Reisewarnungen für die britischen Inseln gäbe. Alles funktioniert
überraschend normal, der Verlust freiheitlicher Werte ist nicht in
Sicht.
Eine Art heilender Schock? Oder einfach mehr vom selben?
Ich gebe zu, auch ich habe gehofft. Gehofft, dass die Briten die
Franzosen nicht mit uns alleine in der EU lassen wollen. Gehofft, dass
dieses Referendum eine Art heilender Schock für den undemokratischen,
unkontrollierbaren, unnützen Brüsseler Beamtenbienenstaat und seine
Bienenkönige Juncker, Tusk und Schulz sein würde. Stattdessen lese ich
das Statement von EU-Ratspräsident Donald Tusk, der sagt „Was dich nicht umbringt, macht dich stärker“
und man fragt sich, ob nach dem Verlust eines Arms durch Amputation
auch das Bewusstsein Schaden genommen hat. Wenn nicht, sollten
schnellstens noch ein Paar Staaten aus der EU austreten, um diese zu
stärken.
Harms dazu: „Wenn die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel
zusammensitzen, dann geht es längst um viel mehr als nur um kleinliche
Fragen der Wirtschaft. Dann wird Weltpolitik gemacht.“
Weltpolitik
machen, das ist also das Ziel der EU? Und die Wirtschaft befasst sich
also nur mit kleinlichen Fragen? Wirtschaft ist die einzige Weltpolitik,
die am Ende zählt. Denn ohne das Stoffwechselprodukt der Wirtschaft,
Geld, lassen sich keine Räder drehen, keine Arbeitsplätze erhalten, kein
Sozialsystem finanzieren, keine Entwicklungshilfe leisten und keine
Flüchtlinge versorgen. Nirgends, auch nicht in der EU, geht es ohne die
Wirtschaft. Erstaunlich, dass alle Vorkehrungen, alle Brandmauern, alle
Hiobs-Meldungen des heutigen Morgens sich ausschließlich mit
Wirtschaftsthemen befassen. All die anderen Aspekte der EU scheinen
heute selbst für die EU-Bürokraten keine große Rolle zu spielen, obwohl
man seit Jahren immer wieder das Gegenteil behauptet.
Wie wäre das Referendum ausgegangen, wenn nicht die Drohung aus
Brüssel im Raum gestanden hätte, die „Einheit Europas“ müsse noch viel
tiefer, weitgehender und unumkehrbarer sein? Was, wenn man sich auf die
Aspekte konzentriert hätte, die funktionieren und gesagt hätte, vergesst
den Rest? Was, wenn man den Briten nicht mit „draußen ist draußen“
gedroht hätte? Was, wenn aus Brüssel nicht voller Häme angekündigt
worden wäre, Großbritannien für einen Status, wie Norwegen und die
Schweiz ihn haben, kräftig zur Kasse bitten zu müssen?
Wenns mit der Liebe nicht klappt, mache ich Dir ein Kind
Haben die Briten einen Fehler gemacht? Nur die Briten? So richtig
zufrieden ist man zum Beispiel mit dem Euro auch nirgends. Die einen
Länder ächzen unter ihrer Schuldenlast, die anderen werden durch
Negativzinsen kalt enteignet. Gut, sagt man sich in Brüssel, das liegt
daran, dass wir keine gemeinsame Finanzpolitik haben, am besten eine,
die aus Brüssel kommt. Nun macht die EZB genau das – wenn auch aus
Frankfurt – und versenkt Milliarden in Staatsanleihen klammer
Eurostaaten.
Da auch das nicht wirklich gut funktioniert, sagt man in
Brüssel, das liege daran, dass wir keine gemeinsame Wirtschaftspolitik
haben. Für mich klingt das etwa so: „Schatz, wenn’s mit der Liebe nicht
mehr klappt, lass uns heiraten – und wenn das auch nicht hilft, mach ich
dir ein Kind!" Wenn „eng“ nicht funktioniert, muss es eben „enger“
werden. Eine Logik, die nur in Brüssel gelehrt wird. Die unverhohlene
Drohung „Draußen ist draußen“ in Richtung London hat ihre Wirkung
verfehlt. Es mag der EU nicht passen, aber offensichtlich gibt es auch
andere Wege, die die Nationen Europas beschreiten können, ohne das Krieg
ausbricht oder den Kühen die Milch im Euter sauer wird.
Erinnern Sie sich noch daran, dass es früher mal sowas wie „bilaterale Verträge“ gab, Verträge zwischen zwei
Ländern? Solange ich denken kann berichteten die Fernsehnachrichten von
Ereignissen, deren Szenenbild immer so aussah: Hinter einem wuchtigen
Tisch saßen zwei hochwichtige Männer in dunklen Anzügen mit
bedeutungsvoller Mine vor zwei Stapeln Papier, deren Seiten zwei
dienstbeflissene Sekretäre links und rechts neben den hochwichtigen
Männern blitzschnell umblätterten. Am Ende standen die wichtigen Herren
auf, steckten die Füllfederhalter weg – wichtige Verträge brauchen immer
Füllfederhalter, umarmten sich und die im Halbkreis hinter der Szene
stehenden Zeugen nickten zufrieden und brachen in anerkennenden Applaus
aus. Geschafft! Fünfzig Mähdrescher können sich auf den Weg machen, ein
Staudamm wird errichtet, ein Kredit ist vergeben, Gefangene werden
freigelassen oder Atomwaffen zu Espressomaschinen verarbeitet. Länder
machen sowas laufend. Zumindest früher machten sie das.
Es geht um Kompetenzen, Expertise und Ängste
Erinnern Sie sich auch noch an TTIP? Die Brexit-Debatte hat die
TTIP-Verhandlungen leider etwas in den Hintergrund rücken lassen. Dabei
hängt das eine sehr eng mit dem anderen zusammen. Es geht bei beiden
Diskussionen um Kompetenzen, Expertise, Ängste, die von Scheindebatten
überdeckt werden. In diesem Freihandelsabkommen versucht die EU doch
tatsächlich, ein Abkommen mit einem Staat außerhalb der EU zu
treffen. Das Entgegenkommen soll angeblich sogar so groß sein, dass die
EU auf Beitragszahlungen der USA an die EU verzichten will! Sollte sowas
nicht auch mit den Briten machbar sein? Mit dem künftigen britischen
Premierminister säße sogar jemand am Verhandlungstisch, der
Entscheidungen treffen kann – im Gegensatz zu TTIP, wo die Vertreter
ausgerechnet der Körperschaften eben nicht mit am Tisch sitzen, die am
Ende in vielen Fällen die Entscheidungsgewalt zum Beispiel in Sachen
Umweltstandards haben…die US-Counties.
Vielleicht sucht die EU-Kommission nun aber auch nach größeren
Aufgaben. Mit den demokratischen aber sehr speziellen Strukturen der USA
hat man ja so seine Probleme und die Briten haben unangenehmerweise
auch beschlossen, dem tumben Volk die demokratische Entscheidung über
ihr Schicksal zu überlassen. In Brüssel hat man längst gelernt, dass
Demokratien unzuverlässige Partner für die EU sind. Die EU braucht
Partner, die ihr auf Augenhöhe begegnen und ähnlich ticken. Wer bietet
sich da an? Ganz klar, Peking!
China schwächelt und in Berlin drückt man auf die Paniktaste
Es ist noch nicht so lange her, da interessierte sich niemand für
China. Von dort kamen sowieso nur Reis (sofern die Säcke nicht schon
dort umfielen), rote Mao-Bibeln und Drachenlegenden. Heute ist das
anders, heute fragt sich die Wirtschaft schon beim Morgenkaffee, wie es
China geht und wenn die Auguren im Elb-Orakel „Der Spiegel“ aus dem Smog
Pekings unter 7 Prozent Wirtschaftswachstum herauslesen, schweben im
Kanzlerinnenamt bereits erste Hände über den Panik-Tasten. China
schwächelt, was ist zu tun?
Dreht man den TTIP-Spieß einmal um, müsste die Antwort lauten:
Handelshemmnisse abbauen! Die panischen Meldungen in ARD und ZDF, die
von wieder eingeführten Grenzkontrollen zu Österreich berichteten und
die Marktwirtschaft in Gefahr sahen, zaubern einem chinesischen
Firmenchef nur ein müdes Lächeln ins Gesicht. Er kennt das nicht anders,
nirgends! China ist nicht mal eine anerkannte Marktwirtschaft, von
„Freier Fahrt für freie Waren“ ganz zu schweigen! Dennoch exportiert
China, und wie!
Im Gegensatz zum Handel mit den Vereinigten Staaten hat die EU im
Handel mit China einen deutlichen Import-Überschuss. Das Export-Volumen
macht nicht einmal 50 Prozent dessen aus, was die EU-Mitglieder in die
USA exportieren. Wäre hier ein Freihandelsabkommen nicht viel
sinnvoller? Man stelle sich vor, welche ungeahnten Möglichkeiten sich
daraus ergeben würden. Die EU als Wachstumsgarant des chinesischen
Drachens, der Bedeutungsgewinn Brüssels wäre mit Händen zu
greifen. Endlich echte Weltpolitik machen, wichtig sein, keine
Extra-Saucages für die unwichtigen britischen Inseln mehr – Europa tickt
süß/sauer! Es bestünde im Gegensatz zu TTIP auch keine Gefahr, dass
sich eine Region irgendwo hinter Shanghai den Verhandlungsergebnissen
widersetzt oder die Pekinger Regierung plötzlich das eigene Volk fragt,
was es von einem Abkommen hält. Zum Glück gibt es in China
keine Demokratie! Endlich Planungssicherheit für die Brüsseler
Planwirtschaft! Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Heute mag die EU am
Abgrund stehen, morgen ist sie vielleicht schon einen Schritt weiter. Ex oriente lux!
Dänemark: muslimische Jugendliche rufen in Kopenhagen „Scharia Zone“ aus
Freiwillige patrouillieren in ihrer Nachbarschaft und fordern zum Verzicht auf Alkohol auf
(Institut für Islamfragen,
dk, 24.06.2016) Laut eines Berichts in „Russia Today“ am 12. Mai 2016,
der von der Assyrian International News Agency am 16. Mai zitiert wurde,
habe eine Gruppe von Barbesitzern in einer Kopenhagener Vorstadt, die
mehrfach von muslimischen Jugendlichen belästigt worden seien, die in
dieser Vorstadt eine „Scharia Zone“ errichten wollten, eine Beschwerde
über das Geschehen bei einem der Minister der dänischen Regierung
eingereicht.
Das Konzept einer „Scharia Zone“ dieser Gruppe, die sich
„Call to Islam“ [Ruf zum Islam] nenne, sei von ihr schon vor fünf Jahren
eingeführt worden.
Sie würden Freiwillige dazu nutzen, täglich in der
Nachbarschaft zu patrouillieren und die, die Alkohol tränken, auffordern
dies zu lassen, da Alkohol, Spielkasinos und andere Dinge nicht mit dem
islamischen Glauben vereinbar wären.
Vor kurzem hätten einige junge
muslimische Männer eine Bar betreten und hätten geschrien, alle Gäste
sollten nach Hause gehen, denn dieser Bezirk gehöre ihnen und er sei
eine „Scharia Zone“, so dass Alkohol trinken nicht erlaubt sei.
Daraufhin habe die dänische Ministerin für Immigration und Integration,
Inger Stajberg, zusammen mit einigen Lokalpolitikern und Journalisten
den Bezirk besucht und die muslimischen Aktionen als nicht akzeptabel
abgelehnt. Die Ministerin sei von zwei Frauen verbal angegriffen und als
„Nazi“ und „Faschistin“ bezeichnet worden.
Daraufhin wurden die beiden
Frauen festgenommen und auf Grundlage von Paragraph 121 des dänischen
Strafgesetzbuches angeklagt, das die Beleidigung von dänischen
Offiziellen verbietet. Die Ministerin habe klar gestellt, dass das
Konzept von „Scharia Zonen“ nie in Dänemark Wurzeln schlagen könne.
Quelle: Bericht der Assyrian International News
Agency (AINA) am 16.05.2016 (www.aina.org/news/20160512125149.htm), der
sich auf einen Artikel in „Russia Today“ vom 12.05.2016 stützt:
„Copenhagen Bars Tired of ‚Sharia Patrols‘ Raise Issue With Integration
Minister
Rom/Frankfurt am Main (idea) – Eine pakistanische Menschenrechtsanwältin
hat Papst Franziskus am 23. Juni einen bemalten Ziegelstein als Symbol
für zahlreiche in Ziegeleien versklavte Christen in dem südasiatischen
Land überbracht. Das teilte die Internationale Gesellschaft für
Menschenrechte (IGFM) mit.
Zwei Repräsentanten der Organisation nahmen
an der Übergabe während einer Generalaudienz teil. Den „Stein des
Anstoßes“ hatten drei christliche Kinder gestaltet, deren Eltern – Shama
Bibi (26) und Shahzad Masih (28) – Anfang November 2014 von einem Mob
in einem Ziegelofen lebendig verbrannt worden waren. Die beiden Christen
wurden beschuldigt, Seiten aus einer Koranausgabe in Brand gesteckt zu
haben. Sie arbeiteten laut IGFM als Sklaven in einer Ziegelei. Der
Eigentümer habe laut Polizeierkenntnissen einen islamischen Prediger
angestiftet, das Ehepaar öffentlich der Blasphemie zu bezichtigen. Ein
fanatisierter Mob schlug die Christen daraufhin zusammen und stieß sie
in den Ziegelofen. Kurienkardinal Jean-Louis Tauran hatte die Tat als
„barbarischen Akt“ verurteilt und islamische Autoritäten aufgefordert,
die Tat zu brandmarken. Der Hauptverdächtige für den Lynchmord war Mitte
April gegen Kaution freigelassen worden.
Die Menschenrechtsanwältin
Aneeqa Anthony bat den Papst bei der Audienz, sich dafür einzusetzen,
dass verfolgte Christen aus Pakistan Asyl in Europa erhalten. Für diese
Minderheit sei das Land kein sicherer Herkunftsstaat. Anthony – gegen
sie kursiert ein Mordaufruf – appellierte an den Papst: „Helfen Sie uns,
die europäischen Regierungen zu überzeugen!“ Pakistan zählt laut dem
„World Slavery Index“ zu den fünf Staaten mit den meisten versklavten
Bürgern – nach Schätzungen rund zwei Millionen, darunter viele Christen.
Die IGFM hofft nun, dass Papst Franziskus bei einem möglichen Besuch in
Pakistan die Aufmerksamkeit auf dieses Problem lenken wird. Laut
Medienberichten hatte er im März eine Einladung von Ministerpräsident
Nawaz Sharif angenommen. Von den 174 Millionen Einwohnern Pakistans sind
etwa 95 Prozent Muslime, 2,7 Prozent Christen sowie zwei Prozent
Hindus.
Merkel ruft Europas Staatschefs zu Krisen-Gipfel nach Berlin
von Christoph Sator
Angela Merkel hat die wichtigsten europäischen Staats- und
Regierungschefs für Montag nach Berlin eingeladen. Bei dem Krisen-Gipfel
soll es um die Zukunft der EU gehen. Einen echten Plan B gibt es
allerdings noch nicht.
Die Kanzlerin lässt sich Zeit. Fünfeinhalb Stunden ist die
Entscheidung der Briten, die EU zu verlassen, schon in der Welt. Erst
kurz vor 12.45 Uhr tritt Angela Merkel in Berlin vor die Kameras. Ein
freundliches «Guten Tag», trotz allem, dann liest sie eine genau
ausformulierte Erklärung vom Blatt, die erkennbar der allgemeinen
Beruhigung dienen soll – getreu dem alten britischen Motto «Keep calm
and carry on» («Ruhig bleiben und weitermachen»).
Zumindest soweit das an einem so schwarzen Freitag überhaupt möglich
ist. Merkel macht aus dem Ernst der Lage auch keinen Hehl. «Es gibt
nichts darum herumzureden: Der heutige Tag ist ein Einschnitt für
Europa.» Alles Weitere hänge nun entscheidend davon ab, ob sich die
künftig nur noch 27 EU-Mitglieder als «willens und fähig» erweisen,
«keine schnellen und einfachen Beschlüsse zu ziehen, die Europa nur
weiter spalten würden».
Da klingen Zweifel durch. Die Kanzlerin weiß, dass ohne die Briten –
die für die Deutschen nicht nur wichtiger Partner, sondern auch
Gegengewicht waren – die innere Balance der EU ins Rutschen kommt. Eine
Union minus Großbritannien wird die ohnehin schon gestiegene Sorge vor
einer deutschen Übermacht nochmals verstärken. Deshalb ihre Empfehlung:
«Mit Ruhe und Besonnenheit zu analysieren, zu bewerten und gemeinsam die
richtigen Entscheidungen zu treffen.»
Aber einfach wird das nicht, auch nicht in der eigenen Koalition. Auf
einen gemeinsamen Auftritt – was der Situation vielleicht angemessen
gewesen wäre – verzichten Merkel und ihre SPD-Minister. Die
CDU-Vorsitzende äußert sich solo im Kanzleramt, Vizekanzler Sigmar
Gabriel im Bundestag, Außenminister Frank-Walter Steinmeier in
Luxemburg. Dessen Rat: «Wir dürfen weder in Hysterie noch in
Schockstarre verfallen.»
Für diesen Samstag hat der Außenminister die Kollegen aus den anderen
«Gründerstaaten» der EU in die Villa Borsig eingeladen, das Gästehaus
des Auswärtigen Amts: Frankreich, Italien und die Benelux-Staaten. Von
dem Sechser-Kreis soll es dann eine Erklärung mit Vorschlägen geben, wie
es nun weitergehen könnte. Mehr Integrationsschritte, jetzt erst recht?
Oder nun erst einmal versuchen, den Status Quo zu wahren? Die Deutschen
neigen zu Letzterem.
Das Treffen in kleinem Zirkel wird in anderen Hauptstädten
misstrauisch beäugt – so sind die Zeiten in der EU. «Wir brauchen jetzt
nicht noch mehr Spaltung», sagt ein Diplomat aus einem der neueren
EU-Mitgliedsländer im Osten. Aber auch Merkel warnte – am Tag der
Volksabstimmung – schon vor der Bildung neuer «Untergruppen». Das war
ziemlich deutlich auf den eigenen Außenminister gemünzt.
Wie es um das Klima in der großen Koalition steht, zeigt auch
Gabriels Reaktion auf den Brexit-Beschluss. Die SPD-Chef verlangt als
Folge einen Kurswechsel in der Europapolitik, weniger «erhobene
Zeigefinger» aus Berlin, mehr Investitionen statt reiner Sparpolitik.
Die eigenen Leute meinte er damit nicht. Gabriel war übrigens der erste,
der sich am Morgen zu Wort meldete. Schon um 06.19 Uhr twitterte er:
«Damn (Verdammt)! Ein schlechter Tag für Europa.»
Merkel hatte die entscheidende Phase der Auszählung in ihrer Wohnung
verfolgt. Dort noch begann sie mit der Krisendiplomatie am Telefon. Auch
als sie kurz vor 08.00 Uhr im Kanzleramt eintraf, hatte sie das Handy
am Ohr. Kurz darauf tagte ihr Küchenkabinett. Bevor sie vor die Presse
ging, holte sie dann die Partei- und Fraktionschefs zu sich. So etwas
macht Merkel nur, wenn die Lage tatsächlich schwierig ist.
Die nächsten Tage wird sie nun wieder im Krisenmodus sein. Am Montag
kommen Frankreichs Präsident François Hollande, Italiens Regierungschef
Matteo Renzi sowie EU-Ratspräsident Donald Tusk zu Gesprächen in
unterschiedlichen Runden nach Berlin. Am Dienstag beginnt in Brüssel der
erste EU-Gipfel der neuen Zeit. Am Ende ist Briten-Premier David
Cameron möglicherweise schon nicht mehr dabei.
Die Trennungsverhandlungen mit London werden auch für Berlin Neuland
sein – Beitrittsgespräche rückwärts sozusagen. Ein Vorbild dafür gibt es
nicht. Vom Brexit-Beschluss wurde die Bundesregierung aber natürlich
nicht komplett überrascht. Es gibt sogar manche in Berlin, die sagen:
«Wir waren auf den Brexit besser vorbereitet als für den Fall, dass die
Briten drinbleiben.»
Wie allerdings der Plan B nun genau aussieht, darüber verrät Merkel
noch nichts – und auch die anderen nicht. Die Erwartungen jedenfalls
sind groß, auch außerhalb Europas. Der frühere US-Spitzendiplomat
Nicholas Burns, heute Professor, sieht die Kanzlerin vor einer
«historischen Aufgabe»: «Wird sie, wird Deutschland es schaffen, die EU
neu zu formen?» Sein amerikanischer Kollege Steven Hill erhob Merkel
soeben zur «De-Facto-Premierministerin Europas».
Mit Blick auf solche Stimmen sagte Merkel lediglich: «Deutschland hat
ein besonderes Interesse und eine besondere Verantwortung, dass die
europäische Einigung gelingt.» Die Kanzlerin weiß, dass sie anderswo in
Europa inzwischen auch als Hassfigur gilt. Zuhause versucht die AfD, sie
zu einer der Hauptschuldigen für den Brexit zu machen. Parteivize
Alexander Gauland: «Frau Merkel hat mit ihren offenen Grenzen die Briten
aus der Europäischen Union vertrieben.»
Am Freitagnachmittag, kurz nach 17.00 Uhr, ist die Kanzlerin zunächst
aber mal bei einem anderen Thema, an einem anderen Ort gefragt:
Klausurtagung der Spitzen von CDU und CSU in Potsdam, am Templiner See.
Bis Samstagmittag wollen die Unionsparteien einen Weg finden, wie sie
ihr Zerwürfnis in der Flüchtlingspolitik überwinden können. Im Vergleich
zu dem, was in der nächsten Zeit auf Europa zukommen könnte, wirkt das
schon wieder ziemlich friedlich.