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Ich lebe in einer Kleinstadt im südlichen NRW, hier kennt man sich, im Ortskern leben ca. 8000 Menschen. Für mich sind Hartz IV und Sozialhilfe jeden Tag zum "Greifen" nahe, bei uns leben ca. 12 Prozent der Bevölkerung von dem ihnen als "Existenzminimum" zugestandenen Leistungen, von denen selbst der Vizepräsident der Bundesanstalt für Arbeit in einem Interview mit der Zeitung "Der Tagesspiegel" am 29. April 2011 sagte: "Nur Lebenskünstler können von Hartz IV leben". Das reale Elend dieser Menschen kann ich am Besten beschreiben, wenn ich aus meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Sozialarbeiter für diese Menschen, von meinen Erlebnissen mit ihnen berichte. Nur so wird meiner Meinung nach Hartz IV und seine Bedeutung für die Betroffenen auch für andere Menschen sichtbar und nachvollziehbar. Statistiken und Zahlen sind anonym, konkrete Schicksale nicht.
Ein paar meiner Begegnungen und Gespräche mit den Betroffenen, in der letzten Woche, welche ich für mich dokumentiert habe, möchte ich daher öffentlich machen, um das Ausmaß des Elends, was sich in unserer Gesellschaft breit gemacht hat, die teilweise Hoffnungslosigkeit, die Verzweiflung, aber auch die Hoffnungen dieser Menschen zu verdeutlichen.
Man kann viel über, im Amtsdeutsch sogenannte, "Sozialtransferempfänger" schreiben, aber mit ihnen zu reden, sie wahrzunehmen und zu verstehen lernen, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Und dieses Blatt kenne ich nur zu gut.
Montags gehe ich immer so gegen 11.00h in einen öffentlichen Park bei uns, da treffe ich sie, die Lisa*, 39 J., ehemalige Verkäuferin, alleinerziehend, sieht aber aus wie 50, den Heinz*, 46J., mit seinen Tattoos, der in seinem früheren Leben Dreher in der Metallindustrie war, den Jupp* 25 J., ungelernt, der als Hilfsarbeiter keinen Job mehr findet und all die anderen.
Wenn man als ahnungsloser Passant vorbeigeht denkt man: "Oha, eine Horde von besoffenen Pennern, um die Zeit mit Bier im Park, die sollten doch arbeiten gehen, statt zu saufen". Wenn es denn so einfach wäre ...
Lisa* hat, nach sage und schreibe 251 HANDGESCHRIEBENEN Bewerbungen und derselben Anzahl Ablehnungen, resigniert. Noch eine will sie nicht schreiben. Sie hat hervorragende Zeugnisse, aber keiner will sie, als alleinerziehende Mutter der 7-jährigen Tochter Cornelia* einstellen, zu groß sei die "Gefahr", dass sie wegen des Kindes mal ausfällt.
Lisa* trinkt keinen Alkohol, aber die meisten anderen im Park schon. Ich habe sie Montag gefragt: "Lisa* meinst Du die Gesellschaft hier tut Dir gut?" "Nein", sagte sie, "aber ich habe doch keine andere. Eiskaffee und so ist für mich nicht drin. Die neuen Schuhe für die Kleine letzten Monat haben 58 Euro gekostet, musste sie aber haben, sie muss vom Arzt her Einlegesohlen tragen und da gehen die Billigschuhe von Deichmann nicht.
Was soll ich machen, zuhause fernsehen, wenn die Kleine in der Schule ist, oder putzen? Bei uns ist immer alles blitzsauber, ich koche für Cornelia* und tue was ich kann, aber irgendwann fällt mir die Bude auf den Kopf und dann muss ich mal unter Menschen. Und hier guckt niemand auf mich runter, so wie meine Nachbarn, die alle denken, ich sei zu faul zum arbeiten".
Heinz* der frühere Dreher, steht meist schon morgens um 10.00h "unter Strom", wenn er im Park ist, unter 8 Bier von ALDI oder Norma geht da gar nichts. Heinz* den ich jetzt seit 3 Jahren kenne, ist, sowie das Wetter es zu lässt von morgens 7.00h bis abends 10.00h im Park, genau parallel zu den Öffnungszeiten des Norma Marktes, wo er sein Bier holt.
Heinz* hatte in seinen guten Zeiten ein kleines Häuschen erworben, war verheiratet, Frau, Kind, Auto, Vereine, alles paletti. Und dann kam die Arbeitslosigkeit. Die Hypotheken drückten, er hat über 340 Bewerbungen geschrieben, drei Vorstellungsgespräche gehabt, die Firmen wollten ihn zu so niedrigem Lohn einstellen, dass es nicht mal für die Hypotheken gereicht hätte.
Heinz* machte sich in seinem früheren Leben nicht viel aus Alkohol. "Dann", sagte er mir, "wurde ich immer depressiver. Unser Haus ging an die Bank, ich wurde aggressiv, auch in meiner Familie, aber, nee, ich habe niemand gehauen, aber rumgeschimpft, wohin sollte ich mit all dem Frust? Und dann hat meine Frau unseren Sohn geschnappt und ist zurück zu ihren Eltern. Seitdem ist die Clique hier im Park meine Familie, Prost".
Ich habe Heinz* in eine Alkoholentwöhnungstherapie vermittelt gehabt, war nicht einfach, vier Monate waren bewilligt. Nach drei Wochen saß er wieder im Park. "Bringt doch eh nix Dieter, danach habe ich auch keinen Job und die Schulden habe ich immer noch".
Ich möchte das nicht bewerten, aber ich verstehe es. Was Heinz* für Bier ausgibt, spart er sich bei allem anderen ab. Wenn er so weiter macht, gebe ich ihm keine fünf Jahre mehr, die er überlebt.
Jupp*, der 25 jährige Ungelernte schlägt sich immer irgendwo so durch das Leben. Er trinkt wenig, mal ein zwei Bier, wenn es hoch kommt, aber auch für ihn gibt es nichts anderes als die Gesellschaft im Park. "Die kennen mich hier, das sind meine Freunde". Jupp* hat eine süsse Freundin, die Petra*, 23 Jahre, arbeitslose Bäckereifachverkäuferin.
"Na klar Dieter, der Park kekst uns an", sagte sie zu mir, "aber was anneres gibts für uns in dem Kuhkaff doch nicht. Kein Arbeitslosentreff oder sowatt, wo man mal für kleines Geld hin kann. Im Winter ist Sch... dann haben wir nicht mal den Park und uns fällt die Bude uffn Kopp. Dann jitt ett Zoff zwischen uns, nicht schön, wollen wir auch nich, aber ..."
Die beiden haben eine 1 Zimmerwohnung, 24 qm, einen Uraltfernseher, von der Oma geschenkt bekommen, kein Telefon, keine Zeitung, einfach nichts, was für so viele andere selbstverständlich ist.
Petra* hatte vor 2 Jahren mal einen "Frustkauf" bei einem Versandkaufhaus gemacht, Klamotten für 1500 Euro für sie beide. Nun stottern die beiden das von ihrem wenigen Geld ab, Privatinsolvenz wollen sie nicht anmelden, obwohl sie noch 5000 Euro Altschulden haben, die sie auch monatlich brav abzahlen.
Ein solches Moralverständnis kenne ich von unseren "Bankern" nicht.
Nun ist wieder "Parksaison", ich gönne es den Menschen, mit denen ich ehrenamtlich zu tun habe, sie haben NICHTS anderes. Auf niemanden von ihnen würde ich jemals herunterschauen, dass spüren und wissen sie, nächste Woche begleite ich wieder einige von ihnen zu Behördengängen, was für sie Albträume sind, da sie das Beamtendeutsch und die Formulare einfach nicht verstehen.
Und eine falsch beantwortete Frage, ein Kreuz im Formular an der falschen Stelle, bedeutet für diese Menschen ganz einfach:
Habe ich am Monatsende noch genug Geld für das Nötigste?
Was ich an Ihnen bewundere, ist die Solidarität untereinander.
Obwohl sie alle so gut wie nichts haben, sie teilen zur Not das letzte Hemd untereinander. Und irgendwie haben sie alle Hoffnung auf ein neues, besseres Leben, das höre ich in den Gesprächen immer wieder durch und die Wünsche sind so etwas von bescheiden, dass ich mich häufig schäme, weil sie ja wissen, dass es mir besser geht.
Lisa* sagte die Tage zu mir: "Dieter, weißt Du wovon ich träume? Dass ich einmal mit meiner Kleinen an die Ostsee fahren kann. Und ich Ihr da auch ein Eis am Strand bezahlen kann und dass wir uns einen neuen Kühlschrank leisten können, der alte will nicht mehr."
Was sollte ich dazu sagen?
Ehrlich gesagt, mir fiel nichts, aber auch gar nichts ein, ich habe Lisa* und die kleine gedrückt und meine Partnerin und ich haben danach Volleyball mit den beiden gespielt, wenigstens ein Volleyballplatznetz gibt es in unserem Park der gesellschaftlich Ausgestoßenen und Vergessenen.
Das ist die Realität in Deutschland, dem Staate Absurdistan, im Jahre 2011, im Jahre 6 nach dem Verbrecher Hartz, so wie ich sie täglich erlebe!
Und wer da meint, diese Menschen wären noch für irgendwelche Parolen irgendwelcher Parteien empfänglich, der hat nie mit ihnen gesprochen.
Klar, auch wir haben im Park ein paar Ultrarechte oder Ultralinke dabei, aber die nimmt niemand wirklich ernst, wenn es um's nackte Überleben vom Ersten des Monats bis zum Ersten des nächsten Monats geht, ist das weit weg und nebensächlich. (Dieter Carstensen)
Ein paar meiner Begegnungen und Gespräche mit den Betroffenen, in der letzten Woche, welche ich für mich dokumentiert habe, möchte ich daher öffentlich machen, um das Ausmaß des Elends, was sich in unserer Gesellschaft breit gemacht hat, die teilweise Hoffnungslosigkeit, die Verzweiflung, aber auch die Hoffnungen dieser Menschen zu verdeutlichen.
Man kann viel über, im Amtsdeutsch sogenannte, "Sozialtransferempfänger" schreiben, aber mit ihnen zu reden, sie wahrzunehmen und zu verstehen lernen, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Und dieses Blatt kenne ich nur zu gut.
Montags gehe ich immer so gegen 11.00h in einen öffentlichen Park bei uns, da treffe ich sie, die Lisa*, 39 J., ehemalige Verkäuferin, alleinerziehend, sieht aber aus wie 50, den Heinz*, 46J., mit seinen Tattoos, der in seinem früheren Leben Dreher in der Metallindustrie war, den Jupp* 25 J., ungelernt, der als Hilfsarbeiter keinen Job mehr findet und all die anderen.
Wenn man als ahnungsloser Passant vorbeigeht denkt man: "Oha, eine Horde von besoffenen Pennern, um die Zeit mit Bier im Park, die sollten doch arbeiten gehen, statt zu saufen". Wenn es denn so einfach wäre ...
Lisa* hat, nach sage und schreibe 251 HANDGESCHRIEBENEN Bewerbungen und derselben Anzahl Ablehnungen, resigniert. Noch eine will sie nicht schreiben. Sie hat hervorragende Zeugnisse, aber keiner will sie, als alleinerziehende Mutter der 7-jährigen Tochter Cornelia* einstellen, zu groß sei die "Gefahr", dass sie wegen des Kindes mal ausfällt.
Lisa* trinkt keinen Alkohol, aber die meisten anderen im Park schon. Ich habe sie Montag gefragt: "Lisa* meinst Du die Gesellschaft hier tut Dir gut?" "Nein", sagte sie, "aber ich habe doch keine andere. Eiskaffee und so ist für mich nicht drin. Die neuen Schuhe für die Kleine letzten Monat haben 58 Euro gekostet, musste sie aber haben, sie muss vom Arzt her Einlegesohlen tragen und da gehen die Billigschuhe von Deichmann nicht.
Was soll ich machen, zuhause fernsehen, wenn die Kleine in der Schule ist, oder putzen? Bei uns ist immer alles blitzsauber, ich koche für Cornelia* und tue was ich kann, aber irgendwann fällt mir die Bude auf den Kopf und dann muss ich mal unter Menschen. Und hier guckt niemand auf mich runter, so wie meine Nachbarn, die alle denken, ich sei zu faul zum arbeiten".
Heinz* der frühere Dreher, steht meist schon morgens um 10.00h "unter Strom", wenn er im Park ist, unter 8 Bier von ALDI oder Norma geht da gar nichts. Heinz* den ich jetzt seit 3 Jahren kenne, ist, sowie das Wetter es zu lässt von morgens 7.00h bis abends 10.00h im Park, genau parallel zu den Öffnungszeiten des Norma Marktes, wo er sein Bier holt.
Heinz* hatte in seinen guten Zeiten ein kleines Häuschen erworben, war verheiratet, Frau, Kind, Auto, Vereine, alles paletti. Und dann kam die Arbeitslosigkeit. Die Hypotheken drückten, er hat über 340 Bewerbungen geschrieben, drei Vorstellungsgespräche gehabt, die Firmen wollten ihn zu so niedrigem Lohn einstellen, dass es nicht mal für die Hypotheken gereicht hätte.
Heinz* machte sich in seinem früheren Leben nicht viel aus Alkohol. "Dann", sagte er mir, "wurde ich immer depressiver. Unser Haus ging an die Bank, ich wurde aggressiv, auch in meiner Familie, aber, nee, ich habe niemand gehauen, aber rumgeschimpft, wohin sollte ich mit all dem Frust? Und dann hat meine Frau unseren Sohn geschnappt und ist zurück zu ihren Eltern. Seitdem ist die Clique hier im Park meine Familie, Prost".
Ich habe Heinz* in eine Alkoholentwöhnungstherapie vermittelt gehabt, war nicht einfach, vier Monate waren bewilligt. Nach drei Wochen saß er wieder im Park. "Bringt doch eh nix Dieter, danach habe ich auch keinen Job und die Schulden habe ich immer noch".
Ich möchte das nicht bewerten, aber ich verstehe es. Was Heinz* für Bier ausgibt, spart er sich bei allem anderen ab. Wenn er so weiter macht, gebe ich ihm keine fünf Jahre mehr, die er überlebt.
Jupp*, der 25 jährige Ungelernte schlägt sich immer irgendwo so durch das Leben. Er trinkt wenig, mal ein zwei Bier, wenn es hoch kommt, aber auch für ihn gibt es nichts anderes als die Gesellschaft im Park. "Die kennen mich hier, das sind meine Freunde". Jupp* hat eine süsse Freundin, die Petra*, 23 Jahre, arbeitslose Bäckereifachverkäuferin.
"Na klar Dieter, der Park kekst uns an", sagte sie zu mir, "aber was anneres gibts für uns in dem Kuhkaff doch nicht. Kein Arbeitslosentreff oder sowatt, wo man mal für kleines Geld hin kann. Im Winter ist Sch... dann haben wir nicht mal den Park und uns fällt die Bude uffn Kopp. Dann jitt ett Zoff zwischen uns, nicht schön, wollen wir auch nich, aber ..."
Die beiden haben eine 1 Zimmerwohnung, 24 qm, einen Uraltfernseher, von der Oma geschenkt bekommen, kein Telefon, keine Zeitung, einfach nichts, was für so viele andere selbstverständlich ist.
Petra* hatte vor 2 Jahren mal einen "Frustkauf" bei einem Versandkaufhaus gemacht, Klamotten für 1500 Euro für sie beide. Nun stottern die beiden das von ihrem wenigen Geld ab, Privatinsolvenz wollen sie nicht anmelden, obwohl sie noch 5000 Euro Altschulden haben, die sie auch monatlich brav abzahlen.
Ein solches Moralverständnis kenne ich von unseren "Bankern" nicht.
Nun ist wieder "Parksaison", ich gönne es den Menschen, mit denen ich ehrenamtlich zu tun habe, sie haben NICHTS anderes. Auf niemanden von ihnen würde ich jemals herunterschauen, dass spüren und wissen sie, nächste Woche begleite ich wieder einige von ihnen zu Behördengängen, was für sie Albträume sind, da sie das Beamtendeutsch und die Formulare einfach nicht verstehen.
Und eine falsch beantwortete Frage, ein Kreuz im Formular an der falschen Stelle, bedeutet für diese Menschen ganz einfach:
Habe ich am Monatsende noch genug Geld für das Nötigste?
Was ich an Ihnen bewundere, ist die Solidarität untereinander.
Obwohl sie alle so gut wie nichts haben, sie teilen zur Not das letzte Hemd untereinander. Und irgendwie haben sie alle Hoffnung auf ein neues, besseres Leben, das höre ich in den Gesprächen immer wieder durch und die Wünsche sind so etwas von bescheiden, dass ich mich häufig schäme, weil sie ja wissen, dass es mir besser geht.
Lisa* sagte die Tage zu mir: "Dieter, weißt Du wovon ich träume? Dass ich einmal mit meiner Kleinen an die Ostsee fahren kann. Und ich Ihr da auch ein Eis am Strand bezahlen kann und dass wir uns einen neuen Kühlschrank leisten können, der alte will nicht mehr."
Was sollte ich dazu sagen?
Ehrlich gesagt, mir fiel nichts, aber auch gar nichts ein, ich habe Lisa* und die kleine gedrückt und meine Partnerin und ich haben danach Volleyball mit den beiden gespielt, wenigstens ein Volleyballplatznetz gibt es in unserem Park der gesellschaftlich Ausgestoßenen und Vergessenen.
Das ist die Realität in Deutschland, dem Staate Absurdistan, im Jahre 2011, im Jahre 6 nach dem Verbrecher Hartz, so wie ich sie täglich erlebe!
Und wer da meint, diese Menschen wären noch für irgendwelche Parolen irgendwelcher Parteien empfänglich, der hat nie mit ihnen gesprochen.
Klar, auch wir haben im Park ein paar Ultrarechte oder Ultralinke dabei, aber die nimmt niemand wirklich ernst, wenn es um's nackte Überleben vom Ersten des Monats bis zum Ersten des nächsten Monats geht, ist das weit weg und nebensächlich. (Dieter Carstensen)
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