Selber denken! Sieben Wochen ohne falsche
Gewissheiten
1. Woche: Selber denken (Epheser 5,6–11)
1. Woche: Selber denken (Epheser 5,6–11)
„Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten;
denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die, die Gott
nicht gehorchen. Darum habt nichts mit ihnen gemein. Denn ihr wart
früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht im Herrn. Lebt als Kinder des
Lichts; die Frucht des Lichts ist allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit
und Wahrheit. Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt keine
Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr
auf.“
Verehrte Freunde des geistreichen Fastens,
willkommen in der Zeit nach der Zeit der fröhlichen
Besinnungslosigkeit. Willkommen in der Phase des freiwilligen Nachdenkens. In
diesem Jahr wird uns vorgeschlagen, dass wir in der Passionszeit vermeintlich
Sicheres über Bord werfen. "Sieben Wochen ohne falsche
Gewissheiten" lautet das Motto. Und gleich in der ersten Woche werden
wir aufgefordert: Selber denken! Dazu gibt es einen Text von Paulus. Es ist
nicht ganz leicht, wenn man angesichts eines Textes von einer solchen
Autoritätsperson wie Paulus zum Selberdenken aufgefordert wird. Paulus
gibt mir häufig das Gefühl, dass ich ihm das Denken überlassen
kann. Das ist auch bei dem Text für diese Woche zunächst nicht
anders. Fünf Imperative in solch einem kleinen Text machen deutlich,
dass Paulus weiß, wo es langgeht. Mein Denken ist weniger gefragt als
mein Handeln nach seinen Anweisungen. Also, Paulus, was hast Du uns zum
Selberdenken zu sagen? Du warnst uns davor, dass uns Menschen mit leeren
Worten verführen wollen. Danke für die Warnung. Leider bleibt
Paulus unkonkret. Wer sind die, die uns verführen wollen mit leeren
Worten? Wer sind die, deren "Mitgenossen" wir nicht werden
sollen?
Aha! Ich beginne zu verstehen. Wir sollen ja selber denken. Nun gut.
Fragen wir uns das also tatsächlich selbst, fragen Sie sich mal ganz
konkret:
Wem möchten Sie nicht auf den Leim gehen?
Wessen Worte sind leer, aber trotzdem so verführerisch, dass Sie
tatsächlich Gefahr laufen, deren Mitgenosse zu werden? Fällt Ihnen
jemand ein? Eine bestimmte Partei oder Gruppierung? Ein vermeintlicher
Freund? Eine Werbung? Eine Pastorin oder ein Pfarrer? Wer verspricht Ihnen
etwas, was Sie wirklich reizt, und kann es nicht halten?
Was kommt dann als Anregung des Apostels zum Selberdenken? Puh, ein
Abschnitt mit lauter ganz großen Begriffen: Finsternis, Licht,
Güte, Gerechtigkeit, Wahrheit. Schwierig, aber wir wollen ja selber
denken. Also alles schön der Reihe nach: "Ihr wart früher
Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn."
Wann waren Sie Finsternis und sind nun Licht in dem Herrn?
In welchen Situationen würden Sie sich rückblickend als finster
beschreiben? Was hat dazu geführt, dass Sie licht wurden? Fühlen
Sie sich heute als Licht? Und welche Rolle spielt Gott dabei, wie Sie sich
selbst einschätzen? Sind Sie einfach so Licht? Oder Licht "im
Herrn"?
"Die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und
Wahrheit." Das sind schöne Worte. Wenn wir Licht sind, bringen wir
also Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor. Das sind drei begriffe,
über die sich vortrefflich (und länger als eine Woche lang) selbst
nachdenken lässt. Machen wir mal einen Anfang:
Wie stellen Sie sich das vor, wenn aus Ihnen Güte hervorgeht?Wie sieht es aus, wenn Sie Gerechtigkeit hervorbringen?Was geschieht, wenn Ihre Frucht Wahrheit ist?
"Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt nicht
Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr
auf." O, das klingt mal spannend. Paulus fordert uns auf aufzudecken,
wenn uns etwas als "Werk der Finsternis" erscheint.
Was haben Sie als Werk der Finsternis erkannt, aber bislang noch nicht
aufgedeckt?
An welchen Stellen ist Ihnen unbehaglich, aber Sie beißen die
Zähne zusammen, weil Sie die Reaktionen fürchten? Welche Skandale
haben Sie erkannt, aber bislang immer nur mit Ihren Freunden oder am
Stammtisch besprochen? Wo wird Ihnen schlecht, aber Sie schlucken weiter
runter? Wo hätten Sie gern mal den Mut zu schreien? Wo eben keine
Güte ist? Wo eben keine Gerechtigkeit herrscht? Wo eben nicht die
Wahrheit herrscht?
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Fastenzeit! Und danke,
Paulus, für die Anregungen!
Ihr Frank Muchlinsky
Frank
Muchlinsky ist Pastor der Nordkirche. Er hat viele Jahre in der
Erwachsenenbildung und in der Diakonie gearbeitet. Sein Schwerpunkt liegt
darauf, Glaube und Theologie erfahrbar und verständlich zu machen. Das
tut er in seinen Seminaren mit Erziehungsfachkräften an evangelischen
Kitas ebenso wie mit der Methode des "Bibliologs", die er seit 1999
anwendet und lehrt. Seit 2012 arbeitet er bei evangelisch.de und betreut dort
die Bereiche Glauben und Fragen.
...evangelisch.de
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