Wird der klassische Gemeindepfarrer überflüssig?
Kassel (idea) – Reformen in der evangelischen Kirche führen dazu,
dass der klassische Gemeindepfarrer überflüssig werden könnte. Zu diesem
Ergebnis kommt der hessen-nassauische Pfarrer Christoph Bergner
(Bensheim) in einem Beitrag für das Deutsche Pfarrerblatt (Kassel).
Durch die Streichung vieler Pfarrstellen sei es nicht mehr möglich, das
die Geistlichen wie jahrhundertelang stetigen Kontakt zu den Bürgern
pflegen. Das solle durch ein Netzwerk von Prädikanten aufgefangen
werden. „Da nur ein geringer Bedarf an qualifizierter Theologie nötig zu
sein scheint, können Gemeinden auch von Ehrenamtlichen versorgt
werden“, so die Vorstellung. Prädikanten sind von der Kirche beauftragte
ehrenamtliche Prediger.
Luther zufolge sollte jedes Dorf einen Pfarrer haben
Martin Luther (1483–1546) hat das, so Bergner, völlig anders gesehen.
Dem Reformator zufolge müsse „ein jeglich Dorf und Flecken einen
eigenen Pfarrer haben“. Zum 500-jährigen Reformationsjubiläum 2017 stehe
Luther mit seiner Vorstellung eines qualifizierten Pfarramts in der EKD
„ziemlich allein da“. Laut Bergner passt sich die Kirche an gewandelte
gesellschaftliche Bedingungen an. So widme sie Pfarrstellen in Stellen
für Öffentlichkeitsarbeit um und besetze sie beispielsweise mit
Journalisten. Psychologen übernähmen die Seelsorge. Die Verbindung von
Pfarrer und Gemeinde sei Stück für Stück gelöst worden. Während sich die
evangelische Kirche in der lutherischen und reformierten Tradition als
Gemeindekirche verstanden habe, werde die Kirche nun von oben nach unten
gedacht und organisiert. Bergner: „Die Verwaltung hat alles in der
Hand.“ Da die Verwaltungswege und die Entscheidungen immer komplexer
würden, überschauten die Synodalen oft nicht mehr Folgen ihrer
Beschlüsse. Ein ernsthafter Diskurs sei kaum noch möglich: „Immer
weniger Menschen sind bereit, in eine Synode zu gehen.“ Die Fluktuation
sei so hoch, dass eine kontinuierliche Beratung und Kontrolle der
Kirchenleitung kaum noch möglich sei.
Der Pfarrer muss in der Gemeinde präsent sein
Bergner war 23 Jahre Mitglied der hessen-nassauischen Synode, davon 18 Jahre im Finanzausschuss. Er wünscht sich, dass die evangelische Kirche die Bedeutung des Pastors wiederentdeckt: „Dann würde ihr auch wieder wichtig, was ihren Dienst eigentlich ausmacht und wofür sie in dieser Gesellschaft gebraucht wird. Nicht der funktionale Dienst, sondern die personale Präsenz ist die Voraussetzung für ihre unverzichtbare pastorale Aufgabe.“
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