Die Beleidigung ihres Propheten durch einen einzelnen
Menschen aus Amerika veranlasst dieser Tage weltweit Millionen von
Muslims zu tödlichen Hasstiraden auf alles Westliche. Von der Verfolgung
von 100 Millionen Christen bis hin zum Tod in vielen islamischen
Staaten, spricht kein Mensch. Alles eine Frage der Ehre.
In Amerika hat jemand einen Film ins Internet gestellt, der den Islam
und die Muslims beleidigt. Wer es war, steht noch nicht fest, nicht
einmal zu 100 Prozent, ob es ein Amerikaner war. Tatbestand:
Beleidigung. Die Folge: Mord und Totschlag.
Rund um den Globus marschiert in islamischen Ländern der Mob auf, um
gegen westliche – nicht nur amerikanische – Einrichtungen und gegen
Menschen aus dem Westen Gewalt anzuwenden, oftmals unbehelligt von den
staatlichen Stellen vor Ort, bisweilen mit deren stiller Duldung und
Sympathie. Viele Tote sind inzwischen zu beklagen, hunderte Verletzte.
Ein Teil unserer Medien sucht zumindest die Mitschuld im Westen selbst,
der Moderator des ZDF-Magazins, Claus Kleber, gehört dazu, auch die
Süddeutsche Zeitung und viele andere.
Beleidigung einer anderen Religion, auch wenn sie von einem
Unbekannten ausgeht – das geht nicht, ist in der muslimischen Welt für
viele ein todeswürdiges Verbrechen. Dafür dürfen ganze Gesellschaften,
Staaten, Hemisphären in Haftung genommen werden. Um wieviel ehrenwerter
scheint es da offenbar für einen strammen Muslim zu sein, Angehörige
einer anderen Religion nicht zu beleidigen, sondern gleich totzuschagen,
zu verfolgen, zu vertreiben, einfach so. Es gibt ja auch den passenden
Begriff des Ehrenmords. Ehrenbeleidigung gilt nicht.
Das christliche Hilfswerk “Open Doors” gibt an, das weltweit 100
Millionen Christen wegen ihres Glaubens von Verfolgung, Misshandlung
oder Tod bedroht sind. Andere Angaben gehen vom Zweieinhalbfachen aus.
Christen sind heute mit Abstand die am meisten verfolgte Glaubensgemeinschaft. Laut dem Theologen Thomas Schirrmacher,
Geschäftsführer des Arbeitskreises für Religionsfreiheit der Deutschen
und der Österreichischen Evangelischen Allianz bekennen sich neun von
zehn wegen ihres Glaubens verfolgte zum Christentum. In ganz
überwiegendem Maße sind davon Christen in muslimischen Ländern betroffen
(auch wenn Nordkorea hierbei an der Spitze stehen soll). Unfassbar:
Jahr für Jahr müssen heutzutage 105.000 Christen wegen ihres Glaubens
sterben, “alle fünf Minuten einer”, hat der Italiener Massimo
Introvigne, Beauftragter der OSZE für Fragen der Religionsfreiheit,
errechnet.
In vielen muslimischen Ländern hoffen Christen vergeblich auf den
Schutz durch staatliche Stellen. In Nigeria, Somalia, auch im Iran gilt
es nicht mal als Kavaliersdelikt, einen Christen zu erschießen,
erdolchen oder erschlagen. Handelt es sich um einen konvertierten
Muslim, gilt es oft geradezu als Pflicht. Abfall vom Glauben an
Allah ist vielerorts ein Kapitalverbrechen. Auch in der Türkei ist es
nach aller Erfahrung offenbar nicht schwer, nach Morden an Christen
einfach unbehelligt abzutauchen, selbst dort werden Christengemeinden
nicht als Körperschaften anerkannt, selbst dort dürfen sie keine
Priester ausbilden.
Selbst in dem so unkomplizierten und angelich liberalen Indonesien
werden Gemeinden mancherorts aufgefordert, ihre Kirchen wieder
einzureißen. Auf den östlichen Außeninseln des Staates waren erst vor
einem Jahrzehnt die Christen mehrere Jahre lang regelrechten Pogromen
ausgesetzt, starben viele Hundert von ihnen. In Ägypten gelten die
christlichen Kopten für viele als Freiwild. Irak, Iran, Afghanistan,
Pakistan, überall dort, wo man jetzt wegen der Beleidigung durch einen
einzelnen Menschen mit Mordaufrufen massenhaft durch die Straßen zieht,
sind sich ansässige Christen seit vielen Jahren ihres Lebens nicht mehr
sicher.
Der große Unterschied: Während die Beleidigung durch den Film auf
einen einzelnen Menschen zurückgeht, dessen Identität nicht mal
hundertprozentig klar ist, wird die Christenverfolgung unserer Tage
vielfach staatlich geduldet wenn nicht organisiert. Und: Wer einmal auch
nur mit dem Gedanken gespielt hat, in Saudi Arabien oder im Norden
Nigerias eine christliche Kirche zu errichten, wird manchen Streit
hierzulande um die Höhe von Minaretten und anderen Details beim Bau von
Moscheen mit ganz eigenen Augen sehen.
Man könnte in den Medien hierzulande natürlich auch diese
Angelegenheit einmal näher beleuchten. Doch natürlich, das wäre
absehbar, fänden sich auch da genügend Gründe, die Schuld dafür auch bei
den Christen zu suchen. Ich würde mich nicht wundern, wenn Claus Kleber
dann genüsslich ein paar Epochen zurückspringt, und die
Christenmissionare des 19. Jahrhunderts für all das in die Verantwortung
nimmt. Er kann sich ja dann nochmal mit dem iranischen Präsidenten
darüber beraten. Den kennt er schon von seinem großartigen Interview im
Frühjahr, in dem Ahmadinedschad endlich einmal seine Meinung zur
Weltlage im ZDF unter die Leute bringen konnte, unbehelligt
von bohrenden Nachfragen des Interviewers Kleber.
Und überhaupt: Irgendwie ist Beleidigung schließlich ein anderes Kaliber von Verbrechen als Mord. Alles eine Frage der Ehre.
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