Thank you, David!
Alte Spielverderber, diese Briten. Wollen einfach
nicht so richtig mitmachen beim schönen, neuen EU-Superstaat. Picken
sich die Rosinen raus, statt die trockene Pampe im ganzen
runterzuwürgen, die wir Mustereuropäer für alle anderen gleich mit
angerührt haben. Und wollen uns auch noch zum Nachdenken zwingen – so
weit kommt’s noch!
Und dann auch noch das Volk befragen! Werden schon
sehen, was sie davon haben. Wir jedenfalls marschieren weiter … So oder
ähnlich klangen die aggressiv-arroganten Kommentare aus den oberen
Etagen der europäischen Polit-Nomenklatura auf die europapolitische
Grundsatzrede des britischen Premierministers David Cameron im Klartext.
Wenn so viele zugleich wie programmiert in derselben
Tonlage aufheulen, hat der Schlag wohl nicht ganz schlecht gesessen.
Und in der Tat: Was der britische Premier in seiner lange angekündigten
und mehrfach verschobenen Europa-Rede ausbreitete, waren keine
exzentrischen britischen Schrullen. David Cameron hat mit seiner „Vision
für eine neue Europäische Union“ einen brauchbaren Ausgangspunkt für
eine Reform aufgezeigt, die die EU vom Kopf wieder auf die Füße stellen
könnte. Er spricht damit nicht allein für britische Sonderinteressen,
sondern im Interesse aller europäischen Nationen.
Pragmatische Haltung eines Briten
Freier Markt, europäischer Freihandel und
partnerschaftliche Zusammenarbeit ja, politische Union und europäischer
Superstaat nein – das ist der kurze Nenner, auf den sich Camerons
Botschaft bringen läßt. Es ist die pragmatische Haltung, die in London
seit jeher gegenüber der europäischen Idee vorherrscht. Der britische
Premier bekräftigt sie just in dem Moment, da die europäische politische
Klasse die Union mit ihrem Dogma einer stetig fortschreitenden
„politischen Integration“ in eine Krise manövriert hat, die sie nutzen
möchte, um die Nationalstaaten weiter zu entmündigen und einen
zentralistischen EU-Superstaat zu erzwingen, sich also mit einem
dialektischen Kunststückchen selbst am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu
ziehen.
Die Schmähungen der Schulzes und Westerwelles gegen
den Briten-Premier entlarven sich aus dieser Perspektive als hektisches
Gezeter ertappter Lügenbarone. Camerons „fünf Prinzipien“, mit denen er
seine Vision untermauert, spießen gezielt auf, was in den letzten
Jahrzehnten falsch gelaufen ist. Er erinnert daran, daß das
vielbeschworene Prinzip der „Wettbewerbsfähigkeit“ schlanke Strukturen
verlangt und nicht sklerotische Bürokratien, die den „gemeinsamen Markt“
nur als Vorwand zur Gleichschaltung von allem und jedem mißbrauchen und
damit – zweites Prinzip – „Flexibilität“ und Vielfalt der gewachsenen
europäischen Länder mißachten.
„Es gibt kein europäisches Staatsvolk“
Das Prinzip der „Fairneß“ verlangt gleiches Recht
für alle; die Euro-Teilnehmer sind nicht die „besseren Europäer“. Es muß
möglich sein, interpretiert Cameron das vertraglich festgeschriebene
Subsidiaritätsprinzip, daß Macht auch wieder zu den Mitgliedstaaten
zurückverlagert wird; „wir können nicht alles harmonisieren“. Und – hier
steckt des Pudels Kern: „Es gibt kein europäisches Staatsvolk – die
nationalen Parlamente sind und bleiben die wahre Quelle demokratischer
Legitimität in der EU“ und müssen deshalb auch die herausragende Rolle
spielen.
Denn nur ein „Europa der Vaterländer“, der
souveränen und demokratisch verfaßten Nationalstaaten also, ist auch ein
demokratisches Europa. Abwegig ist nicht, daß David Cameron auf diesen
Zusammenhang hinweist – vielmehr ist merkwürdig, schreibt Erfolgsautor
Frederick Forsyth, daß das „deutsche Establishment“ sich nicht im
geringsten daran stört, daß „80 Prozent der Regeln, Gesetze,
Verordnungen, Verbote und Vorschriften von nicht gewählten EU-Bürokraten
hinter verschlossenen Türen in Brüssel formuliert und anschließend von
einem Pseudo-Parlament mit überbezahlten Mitgliedern abgenickt werden“.
Das Gespenst der Volksabstimmung geht wieder um
Forsyth erinnert das „stark an die alte DDR“. Immer
mehr Unionsbürger auch – und keineswegs nur in Großbritannien. Denn
nicht nur Briten wollen bei schicksalhaften Weichenstellungen für ihr
Land gern mitreden und selbst entscheiden. Camerons größte Provokation
war daher nicht, daß er die übrigen EU-Staaten mit dem Ultimatum
„Verhandlungen oder Austritt“ unter Druck gesetzt hätte.
Erpreßt wird schließlich am laufenden Band in der
ehrenwerten EU-Gesellschaft, besonders seit der Euro dauergerettet wird.
Aber da geht es ja nur um Geld, noch dazu um das Geld anderer. Camerons
Tabubruch ist, daß er das Volk befragen will: Die ganz normalen Bürger,
Wähler, Steuerzahler, die sich von Brüssel zunehmend ausgeplündert,
entmündigt und für dumm verkauft vorkommen, sollen sagen dürfen, ob sie
diesen Zirkus noch länger mitmachen wollen. Und das geht in der EU
bekanntlich überhaupt nicht.
Vielleicht meint David Cameron das gar nicht so
ernst. Schließlich machte er seine Ansage unter dem Druck der
Parteibasis, und das verheißene Referendum soll ja erst nach der
nächsten Wahl stattfinden – spät genug, um Kritiker in den eigenen
Reihen ruhigstellen und der Konkurrenz Stimmen abjagen zu können, ohne
selbst springen zu müssen. Aber das Gespenst der Volksabstimmung geht
wieder um und versetzt die EU-Nomenklatura in Panik; auch David Cameron
selbst, der es freigelassen hat, wird es so leicht nicht mehr einfangen
können.
Statt „Wir wollen unser Geld zurück“ heißt es jetzt
nämlich: „Wir wollen unser Land zurück.“ David Cameron hat die
Usurpation der Rettungseuropäer und Nationalstaatsabschaffer
zurückgewiesen, die ihre Integrationsideologie zur alleinseligmachenden
Lehre erheben und Andersdenkende als Häretiker oder Ungläubige
abschütteln. Ein anderes Europa als der EU-Moloch der Eurokraten ist
denkbar und machbar. Mit der Debatte, die er angestoßen hat, erweist der
britische Premier allen Europäern einen Dienst.
Junge Freiheit
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen