Allein im Jahr 2008 brachte die Spekulation mit dem Referenzzinssatz
Libor der Deutschen Bank eine halbe Milliarde Euro ein. Wie andere
Geldhäuser steht sie in Verdacht, Libor manipuliert zu haben. von Sebastian Jost
Seit Monaten steht ein schwerwiegender Verdacht gegen die Deutsche Bank
im Raum: Zusammen mit anderen Geldhäusern soll sie den Referenzzinssatz
Libor manipuliert haben. Während diese Untersuchungen weiter laufen,
wird nun erstmals bekannt, wie einträglich Geschäfte im Zusammenhang mit
solchen Zinsbewegungen für die Bank offenbar waren.
Mindestens 500
Millionen Euro soll das Institut allein im Jahr 2008 mit Wetten auf die
Entwicklung des Libor und anderer Referenzzinsen verdient haben, wie aus
internen Dokumenten der Bank hervorgeht, aus denen das "Wall Street Journal" zitiert.
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Zinssätze manipuliert
Im Libor-Skandal
sollen Banken vor allem in den Jahren 2005 bis 2009 mehrere wichtige
Zinssätze manipuliert haben. Eine Manipulation könnte vor allem deswegen
attraktiv gewesen sein, weil bereits kleine Bewegungen der Zinsen
erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben können. Wie groß der Hebel
im Falle der Deutschen Bank war, zeigen die Unterlagen, die den
ermittelnden US-Behörden übergeben wurden.
Demnach brachte
im Herbst 2008 die Veränderung bestimmter Zinssätze um nur einen
Basispunkt (0,01 Prozentpunkte) der Bank einen Profit von bis zu 68
Millionen Euro ein – oder aber einen entsprechend hohen Verlust im Falle
einer Bewegung in die Gegenrichtung.
Der frühere
Mitarbeiter, der den Behörden die Unterlagen verschafft hat, sieht einen
unmittelbaren Zusammenhang zu den Manipulationsvorwürfen. Nach seiner
Darstellung soll die Bank nur deshalb bereit gewesen sein, solche
Risiken bei Zinsgeschäften einzugehen, weil sie davon ausging, die
Entwicklung der fraglichen Referenzzinsen selbst beeinflussen zu können.
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Absicherung gegen Marktschwankungen
Dies weist die
Bank als "kategorisch falsch" zurück. "Die Strategie beruhte auf einer
Markteinschätzung über die wahrscheinliche Richtung von Zinssätzen und
nicht auf einem Glauben, dass die Bank in unangemessener Weise
Interbank-Zinssätze beeinflussen könnte", heißt es in einer
Stellungnahme. Nach Darstellung der Bank handelte es sich auch nicht um
spekulative Geschäfte, sondern um eine Absicherung gegen ungünstige
Marktschwankungen.
"Diese
Strategie, die ... von vielen im Markt genutzt wurde, streute und
verringerte das Risiko des Bankportfolios auf dem Höhepunkt der
Finanzkrise", erklärte die Bank weiter. Zur Höhe ihrer Gewinne aus
Libor-Geschäften wollte sie sich nicht äußern.
Die Höhe der
Gewinne sagt freilich nichts darüber aus, ob die Bank etwas Illegales
getan hat. Doch die Prüfung der Manipulationsvorwürfe nähert sich
offenbar ebenfalls ihrem Ende. Die Finanzaufsicht BaFin habe mit der
Auswertung der ersten Erkenntnisse begonnen, sagten mehrere mit der
Untersuchung vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters.
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Die Aufsicht ermittelt
"Bis Ende des
ersten Quartals dürfte der Bericht fertig sein", hieß es. Die BaFin
prüft seit dem Frühjahr 2012, ob und wie das größte deutsche Geldhaus in
den Libor-Skandal verstrickt ist. Dabei arbeitet sie eng mit den
Aufsichtsbehörden in Großbritannien, den USA und anderen Ländern
zusammen.
Die BaFin
versucht insbesondere herauszufinden, wie es bei der Deutschen Bank zu
den mutmaßlichen Manipulationen des Zinssatzes gekommen ist. "Es geht
darum sicherzustellen, dass es künftig nicht mehr passieren kann", sagte
eine der Personen mit Kenntnissen von den Untersuchungen. Die
Ergebnisse würden Vorstand und Aufsichtsrat vorgelegt.
Anders als die
Regulierer in Großbritannien und den USA, die Banken in der Affäre
bereits hohe Strafen aufgebrummt haben, kann die BaFin selbst nicht
strafrechtlich aktiv werden. Hierfür sind in Deutschland Staatsanwälte
zuständig. Sollte die Sonderprüfung aber strafrechtlich relevante Dinge
aufdecken, werde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, heißt es. Die
BaFin und die Bank äußerten sich nicht zum Stand.
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Ein Dutzend Großbanken im Verdacht
Weltweit stehen
mehr als ein Dutzend Großbanken im Verdacht, in den vergangenen Jahren
den Referenzsatz Libor zu ihren Gunsten manipuliert zu haben, um so
Handelsgewinne einzustreichen. Der Libor beruht auf den von außen
bislang kaum nachvollziehbaren Angaben der Institute zu ihren
Refinanzierungskosten. Er wird einmal täglich in London ermittelt und
ist die Basis für Milliarden-Finanzgeschäfte weltweit.
Die Schweizer UBS musste wegen ihrer Verwicklung in den Skandal bereits mehr als eine Milliarde Euro zahlen. Die britische Bank Barclays
legte 450 Millionen Dollar auf den Tisch. Als nächstes wird bei der
britischen Royal Bank of Scotland mit einem Vergleich gerechnet – in
welcher Höhe, ist noch offen.
Bei der
Deutschen Bank ist bislang nichts von Vergleichsverhandlungen bekannt.
Hohe Gewinne mit den Zinsgeschäften könnten einen möglichen Vergleich
allerdings für die Bank teurer machen. Eine interne Prüfung des
Libor-Falls hat nach Bankangaben keine Erkenntnisse erbracht, dass
Mitglieder des damaligen oder des heutigen Top-Managements Kenntnis
davon hatten.
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Ermittlungen gegen Co-Chef der Bank
Die
mutmaßlichen Händler-Tricksereien fielen in den
Investmentbankingbereich, der bis Juni 2012 vom jetzigen Co-Bankchef
Anshu Jain geleitet wurde. Hier hat die Bank auch noch mit zahlreichen
weiteren Rechtsstreitigkeiten zu kämpfen, vor allem in den USA.
Unterdessen
wurde bekannt, dass die Ermittlungen gegen Co-Chef Fitschen wegen des
Verdachts der schweren Steuerhinterziehung bereits länger laufen als
gedacht. Gegen Fitschen werde bereits seit Ende August 2011 ermittelt,
berichtete die "Süddeutsche Zeitung".
Bekannt wurden
die Ermittlungen gegen Fitschen allerdings erst mit einer Razzia bei der
Deutschen Bank im vergangenen Dezember. Offenbar zahlte die Deutsche
Bank für das Geschäftsjahr 2009 knapp 155,5 Millionen Euro Umsatzsteuer
zu wenig. Co-Vorstandschef Fitschen unterschrieb die entsprechende Steuererklärung ebenso wie Finanzvorstand Stefan Krause, gegen den die Staatsanwälte ebenfalls ermitteln.
Die Behörden
gehen dem Verdacht der schweren Steuerhinterziehung, Geldwäsche und
versuchten Strafvereitelung gegen insgesamt 25 Mitarbeiter der Deutschen
Bank nach. Hintergrund sind mögliche Unregelmäßigkeiten im Handel mit
Luftverschmutzungsrechten.
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