Laut Weltverfolgungsindex 2013 wird es für Christen in
vielen arabischen Länder und in Subsahara-Afrika immer gefährlicher. Auf
Besitz einer Bibel steht in Nordkorea gar die Todesstrafe.
Von Dietrich Alexander
Asirs Lebensweg war
vorgezeichnet. Der Muslim aus Nordafrika sollte in einem pakistanischen
Terroristencamp zum islamistischen Kämpfer ausgebildet werden,
Sprengtechniken und Bombenbau erlernen, professionelles Töten
Andersgläubiger. Kurz vor seiner Abreise jedoch kamen ihm Zweifel.
"Ich erkannte,
dass es mehrere Versionen des Korans gab und manche Texte einander
widersprachen", sagt Asir heute, vier Jahre später. Sein Imam konnte
diese Widersprüche, die bereits ganze Generationen von islamischen
Rechtsgelehrten beschäftigt haben, auch nicht zufriedenstellend
erklären.
Asir war
verunsichert, hinterfragte das Dogma seiner salafistischen
Sozialisierung und seines fanatisch-religiösen Umfeldes. Schließlich
zerriss er seinen Reisepass, um seine Ausreise unmöglich zu machen. In
dieser Phase religiöser Desorientiertung traf Asir mit einem Christen
zusammen, der ihm von Jesus erzählte.
Er suchte im
Internet nach mehr Informationen über den fremden Glauben, rief die
Nummer einer christlichen Hotline an und stieß auf einen christlichen
Fernsehsender. "Ich begann, gemeinsam mit einem Pastor in der Bibel zu
lesen. In gewisser Weise bin ich von einem Extrem ins andere gegangen",
sagt Asir heute. Er konvertierte. In seinem Land ist das
lebensgefährlich.
Auch Azni aus
Tschetschenien ist Christin. Sie bezahlt dafür einen hohen Preis. Ihre
Brüder wollen sie umbringen, um die Schande von ihrer Familie
abzuwälzen. Ihr Mann bezeichnet die fast 40 Jahre alte Frau als Fluch
für die Familie. "Ich wünsche mir so sehr, dass mein Mann Christ wird.
Ich bin müde und habe Angst. Bitte, bete für mich, dass ich überlebe und
durchhalte", sagte Azni zu einer Freundin.
Als ein Exemplar
des Neuen Testaments in ihrem Zimmer gefunden wurde, versuchten die
Mullahs (islamische Rechtslehrer) mit Koranversen die "bösen Geister"
aus ihrem Körper zu vertreiben.
Salihas Heimat
liegt im Norden Nigerias. Während der Süden des Landes überwiegend
christlich geprägt ist, gilt hier das göttlich-islamische Recht, die
Scharia. Die heute 20-jährige Saliha wuchs in einer christlichen Familie
am Rande eines kleinen Dorfes auf. Ihre Kindheit war geprägt von
Schule, Hausaufgaben, im Haushalt helfen, mit Freundinnen spielen.
Jeden Sonntag ging die
Familie zur Kirche. Das Leben war leicht, und Saliha war zufrieden. Doch
eines Tages trat ihr Vater zum Islam über. Salihas Mutter verweigerte
sich der Konversion. Am Ende warf ihr Mann sie mit der damals
achtjährigen Saliha aus dem Haus. Das beendete aber nicht die Verfolgung
der beiden. Der Vater fand Saliha und zwang sie unter den Schleier, sie
musste eine Koranschule besuchen.
Eines Tages
gelang ihr die Flucht. Heute lebt Saliha sicher in einer christlichen
Institution, sie ist eine exzellente Schülerin. Sie muss jedoch weiter
vorsichtig sein, denn ihr Vater sucht nach ihr. Und wie ein
Damoklesschwert schwebt über ihr die Gefahr, mit einem Muslim
zwangsverheiratet zu werden.
Drei Christen,
drei Schicksale. Sie stehen symbolisch für die rund 100 Millionen
Menschen, die nach Schätzungen des christlichen Hilfswerkes "Open Doors"
weltweit wegen ihres christlichen Glaubens verfolgt werden. In dem
gerade vorgelegten Weltverfolgungsindex 2013 der Organisation belegt das
kommunistische Nordkorea zum elften Mal in Folge den unrühmlichen
ersten Platz in der Rangliste von 50 Ländern mit der stärksten
Christenverfolgung.
Zwischen 50.000 und 70.000
Christen seien in Arbeitslagern eingesperrt, berichtet "Open Doors",
bereits der Besitz einer Bibel werde in der stalinistischen Diktatur mit
der Todesstrafe oder Arbeitslager für die gesamte Familie bestraft.
Ihren Glauben können die etwa 200.000 bis 400.000 Christen nur heimlich
leben. Trotz harter Verfolgung gelingt es dem Regime jedoch nicht, die
wachsenden Hauskirchennetzwerke im Untergrund auszulöschen.
Auf den Plätzen
folgen islamische Länder wie Saudi-Arabien, Afghanistan, der Irak,
Somalia, die Malediven, Mali, der Iran, der Jemen und Eritrea. Daran hat
offenbar auch der Aufstand der arabischen Völker gegen ihre
diktatorischen Herrscher kaum etwas geändert. Man kann nach den
bisherigen Erkenntnissen wohl behaupten, dass die eine Autokratie nur
durch eine andere ersetzt worden ist, was für die Christen in diesen
Ländern keinerlei Verbesserung ihrer Situation bedeutet.
Apostasie,
Glaubensabfall also, wird in den meisten islamischen Ländern nicht als
private Entscheidung, sondern als Verbrechen gegen die Gemeinschaft
interpretiert, als religiöse Fahnenflucht gewissermaßen. "Die
Revolutionen und demokratische Wahlen wie in Ägypten haben
islamistischen Gruppierungen wie den Muslimbrüdern und Salafisten als
Trittbrett gedient, um an die Macht zu gelangen" sagt Markus Rode,
Leiter von "Open Doors" in Deutschland. "Leider sehen wir derzeit kein
Ende der länderübergreifenden Ausbreitung eines extremistischen Islam
mit einer massiven Verfolgung und Vertreibung der christlichen
Minderheit."
Im anhaltenden Bürgerkrieg
Syriens werden Christen zumeist von ausländischen Islamisten ins Visier
genommen, die sich der Syrischen Befreiungsarmee angeschlossen haben.
Das Land rückt im Index 2013 dadurch von Rang 36 vor auf Rang elf.
Libyen verschlechtert sich von Platz 26 auf 17, Tunesien von 35 auf 30.
Ägypten mit seiner bedeutenden christlichen Minderheit (Kopten) rangiert
hingegen auf Platz 25 und konnte zehn Plätze "gutmachen".
Der jährlich
erhobene Index nimmt in diesem Jahr erstmals die Länder in
Subsahara-Afrika – Mali, Tansania, Kenia, Uganda und Niger auf –, weil
sich dort die Lage für die christlichen Minderheiten dramatisch
verschlechtert hat. In Mali eroberten militante Islamisten den Norden.
Sie stehen dem islamistischen Terrornetzwerk al-Qaida nahe und sind Teil
von dessen nordafrikanischem Ableger.
Eine
islamistische Unterwanderung der Gesellschaft und damit
korrespondierende gewaltsame Übergriffe auf Christen registriert "Open
Doors" auch aus Tansania, Kenia, Uganda, Niger und Nigeria.
Zu den
diesjährigen "Gewinnern" gehört China. Das Riesenreich ist im neuen
Index von Platz 21 auf 37 zurückgefallen, weil Hauskirchen – sofern sie
sich an bestimmte Beschränkungen halten – ihre Gottesdienste in der
Regel ungestört feiern können. Die Regierung unternehme allerdings
verstärkte Anstrengungen, die Hausgemeindebewegung zu kontrollieren.
Mindestens 100 Christen befinden sich wegen ihres Glaubens oder ihrer
religiösen Aktivitäten im Gefängnis. Der Iran belegt Rang acht (vormals
Platz fünf).
Usbekistan
steht im aktuellen Weltverfolgungsindex auf Platz 16 (vormals sieben).
Dass im Index einige wenige Länder zurückgefallen sind und sich damit
verbessert zu haben scheinen, ist der Organisation zufolge allerdings
nur dem Umstand geschuldet, dass sich die Lage in anderen Ländern zum
Teil deutlich verschlechtert hat.
Wirklich
verbessert hat sich die Lage der Christen "Open Doors" zufolge in
Tschetschenien, Kuba, der Türkei, Weißrussland und Bangladesch, die im
Index 2013 der 50 Christen-feindlichsten Staaten gar nicht mehr
aufgeführt werden – was keineswegs heißt, dass diese Länder keine
Christen mehr verfolgen würden. Sie sind lediglich nicht mehr unter den
50 schlimmsten.
Quelle: WeltOnline
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