Das invasive Wir
- Vom Bringen und Nehmen
von Elisa Brandt
Als ich kürzlich die Überschrift des Beitrages in der „Welt“ von Lamya Kaddor „Wir müssen über unsere Bringschuld
sprechen“ gelesen hatte, war mein erster Gedanke: na, wenn sogar die
Kaddor, ein Drittel meines persönlichen Trio Infernale der
Berufsmigrantinnen, bestehend aus ihr, Mely Kiyak (Sarrazin =
Menschenkarikatur) und der Kopftuchpropagandistin Kübra Gümüsay,
diese Selbstverständlichkeit kapiert, dann gibt es womöglich doch einen
Silberstreif am Horizont. Aber schon die nächsten Sätze zerstörten
diese – zugegebenermaßen - naive Illusion.
Die Religionslehrerin, deren Schüler sich sogleich nach dem bei ihr
genossenen Islam-Unterricht hoffnungsfroh in den Dschihad absentierten,
woran selbstverständlich nicht sie, sondern die Gesellschaft Schuld sei,
meint – natürlich! – ganz genau das Gegenteil. Die Deutschen haben eine
Bringschuld und müssten zugunsten der ungebeten und ungewollt sich in
ihre Heimat quetschenden Nafris
und illegalen Wirtschaftsmigranten sowie zugunsten der eigentlich nur
temporär schutzberechtigten Bürgerkriegsflüchtlinge ihre Identität
verändern und sich von diesen eine neue aufdrängen lassen – die
letztlich im Wesentlichen von der Identität der Zugewanderten bestimmt
werden wird.
Kaddor macht zwar viel Brimborium um diese Tatsache, verwendet die
bekannten Worthülsen und Sprachpuzzleteile, ohne die sie nicht in den
sich als seriös verstehenden Medien auftreten kann und spricht
verschleiernd von „unseren“ Werten und der Selbstverständlichkeit, sich
an „unsere“ Gesetze zu halten. Da aber unsere Werte und unsere Gesetze
Ausfluss unserer Identität sind, ist das natürlich ein logischer
Querschuss.
„Wir“ ist in letzter Zeit zu einem Transportvehikel mehr oder weniger subtiler Manipulation geworden
Das harmlose Personalpronomen „Wir“ ist in letzter Zeit zu einem Transportvehikel mehr oder weniger subtiler Manipulation geworden. Man kennt das „Krankenschwester-Wir“ („Wir nehmen jetzt diese Tablette“ = „Schluck’s endlich runter, ich muss weiter“) und das exkludierende Wir („Wir schaffen das“ = „Seht zu, wie Ihr das schafft“ bzw. „Wir müssen das aushalten“ = „Ihr habt das gefälligst auszuhalten“). Das Wir in Kaddors Satz „Wir haben eine Bringschuld“ ist jedoch ein invasives Wir. Es suggeriert, dass die gebürtige Syrerin, die nicht die Bohne daran denkt, sich ehrlich, neugierig und offen mit deutscher Kultur, Geschichte und Tradition zu befassen und in diese Stück für Stück hineinzuwachsen, wie selbstverständlich dazu gehört.
Das invasive Wir suggeriert, dass Menschen, die für sich beschlossen
haben, dass man in Deutschland besser leben kann als in der Heimat - die
man gleichwohl in Gestalt der kulturellen Prägung stets mit sich trägt
und auch in der 4. Generation nicht aufgeben will - und die sich ohne
zustimmendes Mehrheitsvotum der Ursprungsdeutschen in das Land gedrängt
haben, dasselbe Grundrecht auf dieses Land haben wie Menschen, die ihre
Vorfahren hier seit 500 Jahren zurückverfolgen können und die dieses
Land in einem jahrhundertelangen Prozess zu dem gemacht haben, was es
ist.
Nein, nach der Kaddorschen Denkweise haben die Zuwanderer nicht
dasselbe Recht auf Deutschland wie die Deutschen, sondern gar ein
größeres Recht; die Deutschen haben ihre Identität anzupassen und nicht
etwa die Zuwanderer. An diese stellt sie nur die Minimalforderung,
Deutsch zu lernen und sich an die Gesetze zu halten. Die orientalische,
afrikanische, asiatische und ganz überwiegend muslimische Identität und
Kulturprägung der Migranten wird von ihr an keiner Stelle in Frage
gestellt. Die deutsche Identität aber wird im Kaddor-Artikel infolge
der normativen Kraft des Faktischen zum Abbruch freigegeben.
Das ist natürlich nur möglich, wenn diese Identität auch von der
eigenen Seite aus verwirrtem Selbsthass entweder in ihrer Existenz
angezweifelt oder – bis auf Formalia („Verfassungspatriotismus“) -
negativ bewertet wird. Ich konnte neulich in einer Flüchtlingsdebatte
wieder einmal ein typisches Beispiel für diese Verwirrtheit beobachten.
Eine Lehrerin, die mit ihren 15 bis 16 jährigen Schülern eine
Wahlveranstaltung besuchte, gab das Statement ab: Sie habe sich niemals
in ihrem Leben gern als Deutsche gefühlt und sei erst recht nie stolz
auf dieses Land gewesen, aber als Merkel die Grenzen öffnete, da habe
sie zum ersten Mal in ihrem Leben Stolz auf Deutschland empfunden und
glaube jetzt, dass es gerade wir Deutschen seien, die diese Lage
bewältigen werden. „Uff“, dachte ich mir, „von der Scham, eine Deutsche
zu sein“ bis zu „Wer, wenn nicht wir?" in nur einem einzigen Satz – das
ist auch eine Art von Leistung!
Für mich ist dieses Land einfach wie eine Familie
Jetzt könnte man sicher aus dieser einen Äußerung ein ganzes Psychogramm von der – übrigens ganz typisch aussehenden Lehrerin an einem Gymnasium in einem sehr gutbürgerlichen Winkel Berlins – häkeln. Allein der Unterschied zu meinen Lehrern (zugegeben aus einem anderen Jahrtausend), die z.T. stark von den 68ern geprägt waren, aber immer noch Diskussionen zuließen und vor allem nicht auf der moralischen Erpressertour unterwegs waren, zu diesem emotional aufgeladenen, unerwachsenem Quengeltyp, spricht dafür, dass in den letzten Jahrzehnten ganz gewaltig etwas schief gelaufen sein muss und zwar gerade dort, wo der Wohlstand sich wie eine alles erstickende Sahnesoße breit gemacht hat.
Ich, die ich nie Probleme mit meiner deutschen Identität hatte, würde
übrigens niemals sagen „Ich bin eine stolze Deutsche“. Für mich ist
dieses Land einfach wie eine Familie, in die man ohne Zutun und damit
ohne Schuld oder Verdienst, hineingeboren wurde. In der man aber von
klein auf mit jedem Wort und jeder Geste der Eltern, Geschwister und
Verwandten aufgesaugt hat, was diese Familie ausmacht. Natürlich weiß
man, dass die eigene Familie nach objektiven Maßstäben nicht mehr „wert“
ist als andere oder mehr Rechte hat.
Aber es ist – ganz einfach – die
eigene Familie, die einem so vertraut ist wie der eigene Arm. Anders
herum weiß ich selbstverständlich, dass meine eigenen Kinder nicht mehr
Menschenrechte beanspruchen können als andere, es sind aber die einzigen
Kinder, für die ich mich ohne Zögern vor einen Zug werfen würde, wenn
ich sie damit retten könnte. Das klingt banal, ist es aber nicht, denn
jede tiefe Wahrheit ist eigentlich ganz einfach.
Und der „erfolgreichen“ Religionslehrerin Kaddor sage ich: Jemand mit
so einer dreisten Aufdringlichkeit wie Sie, der sich mit dem Hintern in
die Buttertorte setzt und anschließend sagt, die Buttertorte habe sich
zu verändern, werde ich in hundert Jahren nicht als eine von uns
anerkennen. Ich bin sicher, da stimmen mir viele zu. Übrigens auch die
Menschen, die nicht deutscher Herkunft sind, aber eine wirkliche
Bereicherung für dieses Land ausmachen.
Solche Menschen habe ich in
meiner eigenen Familie und sie sind mir, um im Bild zu bleiben, so
vertraut geworden wie mein anderer Arm. Es wäre also möglich, dazu zu
gehören, aber Sie, Frau Kaddor, sind nicht in der Lage dazu. Sie haben
nicht einmal das Rüstzeug, um überhaupt den Unterschied zu erkennen.
Leider verbindet Sie das, stellvertretend für viele andere
Willkommensbesoffene, mit dem armen Hascherl von Gymnasiallehrerin – und
das ist die eigentliche Tragik dieses Landes.
Elisa Brandt ist Historikerin und lebt in Berlin.
Achse des Guten
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