Posts mit dem Label Kinderarmut werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Kinderarmut werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Donnerstag, 17. September 2015

Schämen ... einfach nur schämen

.


Tafel stoppt Schülerfrühstück

150 Kinder betroffen

von Jan Oechsner .... erschienen am 16.09.2015
 
2016 soll Schluss sein. Zu hohe Kosten, zu wenige Spenden - auch von den Kommunen: Der Verein sieht sich gezwungen, nur noch die Kernaufgabe der Tafel….aufrechtzuerhalten.
 

Stollberg. Tafelchefin Annerose Aurich ist bekannt dafür, dass sie für das Tafelprojekt zu kämpfen in der Lage ist. Doch jetzt streckt sie die Waffen - zumindest beim Schülerfrühstück. "Die Inakzeptanz und das Aussitzen von Bürgermeistern führt dazu, dass der Tafelverein das Projekt zum Jahresende schließen wird. Wir warten noch die Weihnachtszeit ab. Dann ist Schluss." Etwa 150 Kinder aus sozial schwachen Familien in vier Schulen sind von dieser Entscheidung betroffen - Mittel- und Förderschüler in Oelsnitz, Altstadtschüler in Stollberg und Oberschüler in Lugau.

.
Seit 2008 betreibt die Stollberger Tafel das Projekt Schülerfrühstück im Altkreis Stollberg. Das Angebot gibt es einmal in der Woche: Brot oder Brötchen, Obst, Joghurt. Einkaufswert: bis zu 5 Euro. "Hierfür erhebt die Tafel aber nur einen Unkostenbeitrag von bis zu 60 Cent pro Frühstück. Es werden extra Lebensmittel gekauft, das sind keine aus unserem Tafelangebot", sagt Aurich.
...
Doch das Tafel-Budget - in diesem Jahr sind es etwa 15.000 Euro - reicht nicht mehr, um das defizitäre Schülerfrühstück mitzutragen. Für den Transport in die Schulen unterhält der Verein ein Fahrzeug; dafür fallen Benzinkosten, Versicherungen, Reparaturen an. "Wir sind an der finanziellen Schmerzgrenze und müssen reagieren. Sonst wird auch unsere Kernaufgabe als Tafel gefährdet sein", sagt Aurich.
...  .
Auch sinkende Spenden engen den finanziellen Spielraum immer mehr ein, sagt sie. "Deshalb baten wir im Mai 2014 Stollbergs Oberbürgermeister Marcel Schmidt und dessen Lugauer Amtskollegen Thomas Weikert um Hilfe." Es wurden umfangreiche Daten abgefordert, die von der Tafel geliefert wurden, erklärt sie. Von Lugau sei sogar mehrmals ein Vertreter in der Schule gewesen, um sich ein Bild zu machen. Die Stadtverwaltung Stollberg habe dagegen sehr verhalten reagiert. Aurich: "Es gab lediglich ein kurzes Gespräch mit dem Hauptamtsleiter, der uns eine Prüfung unseres Anliegens mitteilte." . Zwar beteilige sich die Stadt Oelsnitz mit kleineren Spenden oder erträglichen Mietforderungen für das Domizil der Tafel in Neuwürschnitz, aber das reiche nicht, so Aurich. Die anderen Kommunen weigerten sich, zu helfen. 
...  ...
Im Kern bleibt die ***Stadt Stollberg bei ihrer Auffassung, mit der Oberbürgermeister Schmidt vor mehr als einem Jahr Aufsehen erregte. Der Rathauschef wollte nicht einfach Spenden überweisen, vielmehr verlangte er eine Gegenleistung: Auch die Armen sollten sich für ein paar Stunden im Monat ehrenamtlich einbringen - etwa im Altersheim den Bewohnern ein Buch vorlesen oder eine Schulklasse beim Ausflug begleiten. Dies würde die Kommune dann mit zehn Euro pro Monat honorieren - für jeden Bedürftigen, der mitmacht. Der Vorschlag liegt seither auf Eis, weil Stadt und Tafel bis heute kein Verhandlungsergebnis erzielen konnten.
...
- Lugaus Bürgermeister Thomas Weikert betont, dass 1000 Euro im Haushalt der Stadt für das Schülerfrühstück der Tafel eingestellt seien. "Aber wir haben eine Haushaltssperre, weil unsere Ausgaben die Einnahmen spürbar übersteigen. Da können wir für freiwillige Leistungen keinen Euro frei machen." Aus seiner Sicht können die Kommunen das Tafelproblem nicht auffangen. "Punktuell haben wir es versucht. Es ist also nicht so, dass wir gar nicht helfen wollen. Eine dauerhafte finanzielle Unterstützung ist jedoch nicht denkbar."



...
© Copyright Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG


Freie Presse

Samstag, 16. Februar 2013

Die Rückkehr der Kinderarbeit in Europa

...
Von Stefan Steinberg
5. April 2012
Die neuesten Zahlen von Eurostat, der Statistikbehörde der Europäischen Union, zeigen, dass die Arbeitslosenzahlen in der Eurozone seit mittlerweile zehn Monaten ansteigen und im Februar die Marke von siebzehn Millionen überschritten haben – das entspricht 10,8 Prozent aller Arbeitsfähigen. Die offizielle Arbeitslosenquote ist damit auf dem höchsten Stand seit Einführung des Euro vor fünfzehn Jahren und 1,5 Millionen höher als vor einem Jahr.

Die Gesamtzahl von 17,1 Millionen Arbeitslosen verschleiert beträchtliche Unterschiede zwischen einzelnen europäischen Staaten. Die höchste Arbeitslosenquote wurde für Spanien registriert, hier sind insgesamt 23,6 Prozent arbeitslos, und mehr als 50 Prozent der unter 25-jährigen. Auf dem zweiten Platz liegt Griechenland mit 21 Prozent. Am niedrigsten ist sie in einer Reihe nordeuropäischer Staaten wie Österreich (vier Prozent) und Deutschland, dessen offizielle Arbeitslosenquote 5,7 Prozent beträgt.

Man kann davon ausgehen, dass die Zahlen von Eurostat die tatsächliche Lage in Europa stark beschönigen. Laut Eurostat beträgt die Arbeitslosenquote in Deutschland 5,7 Prozent, aber die Bundesagentur für Arbeit gibt sie mit 7,2 Prozent an. Wenn man die Diskrepanz zwischen den offiziellen Zahlen aus Deutschland und der Schätzung der EU als Vergleichsgrundlage nimmt, müsste die tatsächliche Arbeitslosenzahl in der Europäischen Union über 21 Millionen liegen.

Weder die nationalen noch die europäischen Arbeitslosenstatistiken berücksichtigen das wachsende Problem der Unterbeschäftigung, d.h. derjenigen Arbeiter, die schlecht bezahlte Teilzeitstellen haben und eine reguläre Stelle zu angemessenem Lohn suchen. Dieses Problem ist in Deutschland besonders drängend. Hier sind zurzeit 7,5 Millionen Menschen in 400-Euro-Jobs beschäftigt.

Dieser riesige Niedriglohnsektor hat zu einem dramatischen Anwachsen der Armut bei Arbeitslosen und Beschäftigten in Deutschland geführt. Er ist das Herzstück des „deutschen Wirtschaftsmodells“, das von Politikern und Finanzinstitutionen zunehmend als Musterbeispiel für Europa dargestellt wird.

Dass die Arbeitslosigkeit weiter steigt, ist eine direkte Folge der Sparmaßnahmen, die auf dem ganzen Kontinent durch die Europäische Union und den Internationalen Währungsfonds durchgesetzt werden. Sie haben weite Teile Europas in die Rezession gestürzt. Irland, Griechenland, Belgien, Portugal, Italien, die Niederlande und Slowenien stecken offiziell in der Rezession. In Großbritannien ist das Wachstum minimal, in Frankreich und Deutschland geht das Wachstum zurück.

Der Trend zur Rezession wurde auch durch den aktuellen Purchasing Managers Index (Einkaufsleiterindex, PMI) bestätigt, einem wichtigen Indikator für die Wirtschaftsaktivität in der Eurozone. Er ist von 49 Punkten im Februar auf 47,7 Punkte im März gesunken, wobei alles unter 50 Punkten als Anzeichen für eine Rezession gilt. Der Index ist seit August unter 50 Punkten.

Laut Markit, dem Herausgeber des PMI, gingen die Arbeitsplätze in der Produktion im März so schnell zurück wie seit zwei Jahren nicht mehr, wobei von der französischen Wirtschaft besonders schlechte Zahlen kommen. Auch in Deutschland verlangsamte sich die Wirtschaftsaktivität. Die Nachfrage nach deutschen Waren ist nicht nur in Europa gesunken, sondern auch in Asien. Auch China hat mit einem Rückgang seiner Wirtschaftsleistung zu kämpfen.

Vor dem Hintergrund wachsender Inflation rechnet Markit für die nächsten Monate mit einer weiter sinkenden Wirtschaftsleistung. Dieser Rückgang wird weiteren Arbeitsplatzabbau in Europa zur Folge haben.

Der Ökonom Martin van Vliet von dem Bankunternehmen ING erklärte zu diesen Zahlen, die Verschlechterung des PMI „werfe einen dunklen Schatten auf die Wachstumsvorhersagen der Region“. Die hohe Arbeitslosigkeit in vielen südeuropäischen Ländern sei Ausdruck der „kurzfristigen wirtschaftlichen Härten, die von den drakonischen Sparprogrammen verursacht werden.“

Die drakonischen Sparprogramme, von denen van Vliet spricht, werden für viele Millionen europäische Familien nicht nur zu „kurzfristigen wirtschaftlichen Härten“ führen, sondern für Jahrzehnte zu großem Elend.

Ein Artikel aus der französischen Zeitung Le Monde, über die Rückkehr der Kinderarbeit auf dem europäischen Kontinent zeigt, wie stark die derzeitige Sparpolitik den europäischen Lebensstandard gesenkt hat.

Der Artikel trägt die Überschrift „Kinderarbeit kehrt in Neapel zurück“ und beschreibt, dass in der süditalienischen Metropole tausende Kinder dazu gezwungen sind, die Schule abzubrechen, um zu arbeiten und so ihre Familien zu unterstützen. Der Artikel zitiert aus einem Bericht der lokalen Behörden von 2011, laut dem in der Region Kampanien vom 2005 bis 2009 54.000 Kinder die Schule abgebrochen haben. Etwa 38 Prozent von ihnen waren jünger als dreizehn Jahre.

Der Artikel beschreibt, wie Kinderarbeit zu einer alltäglichen Erscheinung in der Region geworden ist, wobei kleine Kinder in einer ganzen Reihe von Berufen tätig sind. Der stellvertretende Bürgermeister von Neapel wird folgendermaßen zitiert: „Wir waren natürlich die ärmste Region in Italien, aber so etwas haben wir seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht gesehen… Mit zehn Jahren arbeiten diese Kinder schon zwölf Stunden am Tag. Das ist eine klare Verletzung ihres Rechts auf Entwicklung.

Der Le Monde-Artikel weist darauf hin, dass das verzweifelte Schicksal der Kinder und Jugendlichen in der Region ein direktes Ergebnis der „Finanzreformen“ ist, die mehrere italienische Regierungen durchgeführt haben. Durch sie haben Arme und Arbeitslose entweder schwierigeren oder gar keinen Zugang mehr zu staatlichen Hilfsleistungen.
Der Hauptteil der Unterstützung für junge Menschen und ihre Familien in der Region kommt von Gemeindeeinrichtungen, die zunehmend in Finanznot geraten. Laut dem Artikel haben in der Region Kampanien 20.000 Arbeiter in derartigen Systemen seit zwei Jahren keinen Lohn mehr erhalten.

Die Rückkehr der Kinderarbeit ist nicht nur ein Problem in Italien. Zweihundert Jahre nach der Geburt des britischen Schriftstellers Charles Dickens, der die Folgen derartiger Praktiken eindrücklich geschildert hatte, ist die Kinderarbeit ein Problem für ganz Europa. Sie ist ein verheerendes Armutszeugnis des politischen Konsenses in Europa, dem sich auch sozialdemokratische Parteien und Gewerkschaften angeschlossen haben, die die Europäische Union und ihre Politik unterstützen.


wsws.org
...