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Wie Merkel die Lage am Bosporus klärte, wie unser
Leben verändert wird, und warum Boris Johnson ein schwieriger Buhmann ist
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Wieso ist der Mann überhaupt noch an der Macht? Neigte sich die Ära
Erdogan nicht schon vergangenen Sommer ihrem Ende entgegen? Zumindest
hatte der türkische Machthaber bei den Wahlen im Juni 2015 die absolute
Mehrheit verloren. Und Koalitionen kommen für einen, der alles will,
kaum in Frage.
Also wurden Neuwahlen für den 1. November 2015
anberaumt. Doch die Umfragen zeigten: Das Ergebnis vom Juni würde sich
wohl wiederholen, Erdogan wäre zur Zusammenarbeit mit anderen Parteien
gezwungen worden oder hätte von der Spitze seiner Partei abtreten
müssen, damit ein anderer das macht.
Es war zum Verzweifeln, aber
dann erschien Merkel im Oktober kurz vor dem Wahltag in der Türkei und
klärte die Lage. Die türkische Opposition mag sich große Hoffnungen
gemacht haben. Schließlich hatten die Berliner Demokraten, auch die von
Merkels CDU, doch immer betont, dass sie sich für den Erhalt von
Demokratie und Menschenrechten in der Türkei einsetzten und fest hinter
der gebeutelten Opposition stünden.
Ja, da stand Merkel wirklich,
allerdings nur in dem Sinne, dass man erst hinter jemanden gelangen
muss, um ihm einen Dolch in den Rücken zu rammen. So versetzte die
deutsche Kanzlerin der eben noch hoffnungsfrohen türkischen Opposition
nur wenige Tage vor der Wahl den Todesstoß, indem sie den wankenden
Erdogan mit Geschenken nur so überschüttete.
Visa-Freiheit stellte
Merkel in Aussicht, die EU-Beitrittsverhandlungen würden ab sofort eine
„Dynamisierung“ erfahren (Merkel: „Dieser Prozess hat jetzt begonnen“)
und obendrauf werde es noch Milliarden an Euros auf die Türkei regnen.
Nach diesen Ankündigungen lag die Opposition zerschmettert in ihrem
Blut, Erdogan stand als strahlender Sieger da und auch der letzte
Wechselwähler von Istanbul bis Incirlik wusste nun, wo er sein Kreuz
machen sollte: Wenn sogar die Chefin der größten Demokratie der EU dem
Erdogan so um den Bart geht, kann er ja gar nicht schlimm sein. Am 1.
November holte Erdogans AKP mit Bravour die absolute Mehrheit zurück,
die in Deutschland lebenden Türken gaben ihr sogar zu 60 Prozent ihre
Stimmen. Dermaßen gestärkt ging der AKP-Führer vermutlich daran, jene
schwarzen Listen anzufertigen, die er nun, von einem
nebulös-dilettantischen Putsch zur absoluten Macht gepuscht, abarbeitet.
Warum aber hat Merkel für Erdogan die gute Fee gespielt? Die
CDU-Chefin hatte sich und ihr Land mit ihrer „Willkommenskultur“
metertief in den Morast geritten. Der Türke sollte ihr weitere Massen an
Asylsuchern aus dem Orient vom Hals halten. Oder zumindest so tun, als
täte er das, damit die Deutschen den Eindruck gewinnen, es täte sich
was. Dafür war Merkel zu allem bereit, auch zum Dolchstoß in den Rücken
jener türkischen Oppositionellen, welche in den deutschen Demokraten bis
dahin ihre Freunde gesehen hatten.
Ob Erdogan die Hilfe der
Kanzlerin zu nutzen weiß und nun seinen Traum vom radikal-islamischen
Führerstaat endlich verwirklicht? Da sind wir optimistischer denn je:
Der schafft das! Und wenn es einmal haken sollte, ist Merkel sicherlich
gern bereit, ihm abermals unter die Arme zu greifen.
Allerdings
sollte sie dabei die Entwicklung an der Heimatfront nicht ganz aus dem
Blick verlieren. Zwar gibt sich die AfD derzeit alle Mühe, den
Regierungsparteien mittels Selbstzerfleischung den Rücken freizukämpfen.
Doch das Massaker von Nizza und nicht zuletzt der Amoklauf des jungen
Afghanen in der Eisenbahn lassen ungute Gefühle aufkommen.
Grüne und
andere Politiker freuen sich ein Bein aus darüber, dass die massenhafte
Zuwanderung aus dem Orient das Leben der Deutschen grundlegend verändern
wird – besonders der Frauen, darf vermutet werden. Nun aber tritt
zunehmend die Aussicht hinzu, dass das Leben vieler Menschen hierzulande
nicht bloß verändert, sondern beendet werden könnte durch die Hand des
einen oder anderen Schutzsuchenden, der „vor Krieg und Verfolgung
Zuflucht bei uns gefunden hat“. Diese Ahnung sorgt für Unmut, mehr und
mehr Deutsche haben richtig Angst vor dem radikal-islamischen Terror.
Die Bürger wollen Taten sehen, fordern effektiven Schutz und politische
Konsequenzen.
Zum Glück hat die Politik den Ernst der Lage erkannt
und geht das Übel gemeinsam mit den Sicherheitsorganen energisch an –
indem sie im Auftrag von SPD-Justizminister Maas Leuten auf die Pelle
rücken, welche ihrer Angst in ungeschlachten Worten im Internet Ausdruck
geben. Das ist nämlich „Hatespeech“, zu Deutsch: Hassrede. Solche Reden
werden von Beamten und privaten, staatlich geförderten Schnüfflern,
darunter auch Linksextremisten, im Netz aufgestöbert, was bis zum
polizeilichen Hausbesuch führen kann.
Innenminister de Maizière sagt,
völligen Schutz vor Terror-Attacken könne es nicht geben. Da hat er
natürlich recht, zumal wenn die Beamten gerade mit etwas anderem
beschäftigt sind, etwa dem Aufspüren und Aufsuchen von deutschen
„Hassrednern“. Was derweil in den von Erdogans Türkei massiv geförderten
Moscheen in Deutschland „geredet“ wird, wollen wir lieber nicht so
genau wissen. Das könnte schließlich dazu führen, dass
„Rechtspopulisten“ das Gefundene „ausschlachten“.
Immerhin so viel:
Im „Handelsblatt“ berichtete Wolfram Weimer im Mai über ein Comic für
Kinder, das die staatliche türkische Religionsbehörde Diyanet
herausgibt. Dort werde den Kindern vom „Märtyrertod“ vorgeschwärmt, was
man wie Werbung für eine Karriere als islamischer Selbstmordattentäter
verstehen könnte. Diyanet dirigiert Weimer zufolge die deutschen
Ditib-Moscheen immer direkter, was die Gemeinden quasi zu
Vorfeldorganisationen der AKP mache. Ob das den Genossen Maas
interessiert? Wahrscheinlich nicht besonders. Wenn Sie allerdings auf
die Idee kommen sollten, in einem Internet-Kommentar die türkische
Moschee-Expansion in Deutschland als „gezielten Feldzug zur
Islamisierung des Abendlandes“ zu verunglimpfen, könnten Sie durchaus
die Aufmerksamkeit der Behörden und Hilfsschnüffler („Pegida-Jargon!“)
erheischen.
Was schimpfen Sie? Da werde auf groteske Weise Gefährlich
und Harmlos vertauscht und mit zweierlei Maß gemessen?
Selbstverständlich wird es das. Das mit dem zweierlei Maß machen wir
doch immer so! Längst nicht nur, wenn es um den radikal-islamischen
Terror und die Furcht und Wut der Deutschen geht.
Kurz nach dem
Brexit-Referendum erregten sich Medien und Politiker, weil die
prominenten Fürsprecher von Londons EU-Abschied „auf Tauchstation“
gegangen seien und sich „der Verantwortung entziehen“, da sie nicht nach
den hohen politischen Ämtern strebten, welche den Abschied Britanniens
nun durchzuziehen hätten. Der langjährige EU-Gegner Nigel Farage und
Londons Ex-Bürgermeister Boris Johnson standen ganz vorn auf der
Abschussliste.
Als kurz darauf bekannt wurde, dass die neue
Premierministerin Theresa May Boris Johnson zu ihrem Außenminister
gemacht hatte, legten die Kritiker eine bemerkenswerte Wende hin. Nun
fragten sie aufgeregt, ob es denn angehen könne, dass „so einer“ wie
Johnson Außenminister wird. Eben noch schimpften sie, dass er sich vor
hohen Ämtern drücke, dann giften dieselben, dass er eines bekommen hat.
Immer wie’s gerade passt.
Johnson passt leider gar nicht, wenn es
darum geht, ein Feindbild aufzubauen. Mit seiner robust-freundlichen Art
hat er sogar die EU-Außenminister in Brüssel menschlich eingenommen.
Für unsere Staats- und Konzernmedien, die so gern im erbarmungslosen
Gut-Böse-Kontrast schwelgen, könnte der sympathische Brite noch zum
Problem werden
Preussische Allgemeine
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