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Liebe Freunde, 
wir  Christen sind – aus verständlichen Gründen - leicht pessimistisch, was  die Zukunft der Christenheit in Europa betrifft. Haben wir schon einmal  versucht, in den Veränderungen auch etwas Positives zu sehen? Stefan  Meetschen, ein deutscher Journalist und Filmexperte mit Polenerfahrung,  hat für uns dazu ein paar sehr interessante Gedanken niedergeschrieben,  die wir in diesem Europabrief zum Nachdenken vorlegen.
Nützen  wir die Gelegenheit des kommenden Europatages, um in besonderer Weise  für Europa zu beten. Danke dafür und dass Sie der Sauerteig sind, von  dem Jesus sprach!
Ihr Europa für Christus! – Team in Wien
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Europa im Licht der Barmherzigkeit
von Stefan Meetschen
Der polnische Philosoph Józef Tischner (1931-2000) hat einmal gesagt, es gebe im modernen Europa keine Heiden, sondern nur christliche  Heiden. So anhaltend tief sei die geistige Prägekraft des Christentums.  Auch wenn sich viele, der Kirche fernstehende Menschen darüber gar  nicht bewusst seien. Und in der Tat: Wenn man heute in die kulturelle  und politische Landschaft der Länder Europas schaut, so erkennt man  Personen und Institutionen, die sich selbst in ausdrücklicher Opposition  zum Christentum definieren und artikulieren. Als bedürfe diese  Opposition im pluralistischen Zeitalter eine besondere Erwähnung.
Es  gibt mindestens zwei Möglichkeiten auf dieses Phänomen zu reagieren:  Wut oder Barmherzigkeit. Wut steigt bei vielen Christen auf, wenn sie  sehen, wie das, was ihnen heilig ist und unter dem Schutz der  Religionsfreiheit stehen sollte, durch öffentliche Stimmen befleckt und  gesellschaftlich zunehmend marginalisiert wird. Durch Gesetzesreformen,  die das christliche Menschen- und Familienbild weitestgehend aushebeln,  durch künstlerische Aktionen, die einen blasphemischen Charakter  aufweisen. Durch Medienrituale, in denen das Christentum als Teppich für  trampelnde Tabubrüche dient.
Aber  es gibt auch eine denkbar andere Reaktion: die der Barmherzigkeit, des  barmherzigen Verstehens. Tischner, der sich in seinem denkerischen  Schaffen an der Philosophie des Dialogs von Emmanuel Lévinas orientierte  und das Ende seines Lebens in tiefer Verbundenheit mit den Visionen von  der göttlichen Barmherzigkeit der Hl. Schwester Faustyna verbrachte,  neigte zu diesem Ansatz.
Vielleicht  sprach er sich deshalb nach der Wende 1989 dagegen aus, christliche  Werte in den polnischen Verfassungstext aufzunehmen. Dass christliche  Wertesystem fest im säkularen Staat zu verankern. Tischner hatte Angst,  dass dadurch das Christentum zu einer Ideologie werden könne, die  christlichen Tugenden zu Götzen. Wahrer Glaube, wahre Bekehrung, so  formulierte es Tischner in seinem letzten Werk, „Der Streit über die  Existenz des Menschen“, sei etwas völlig anderes. Nur in Freiheit  möglich. Ohne Zwang.
So  gesehen erleben die Christen Europas zu Beginn des 21. Jahrhunderts  vielleicht sogar eine historische Chance, eine Gnade. Nach vielen  Jahrhunderten der machtpolitisch aufoktroyierten und bürgerlich  verwässerten Sozialisierung zum Christentum hat eine Epoche begonnen, in  der eine freie Wahl, eine persönliche Entscheidung zum Christentum  notwendig ist.
Eine  bewusste Wahl, die sich in Freiheit der Person vollziehen kann. Eine  Wahl, die etwas kostet und keine Vorteile bietet. Denn:  gesellschaftliches Prestige lässt sich mit dem christlichen Glauben oder  einem Kirchenamt heute in Europa kaum noch gewinnen. Es ist der Geist  der authentischen Nachfolge Christi, der dadurch neu zur Blüte kommen  kann. 
Zumal  viele Menschen kein wirkliches Wissen mehr von Christus besitzen. Sie  meinen nur zu wissen, wofür Jesus, die Kirche und der Papst stehen. Was  sie nicht an unqualifizierten Äußerungen hindert. Manchmal schleicht  sich beim Hören derartig lauter Kritiker am Christentum der alte  psychologische Diagnoseverdacht ein, dass gerade diejenigen, die  vehement auf das Christentum schimpfen, sich auf einer tieferen Ebene  danach sehnen, im Einklang mit diesem Glauben und seinem Wertesystem zu  leben. Als ließen sich die eigenen Schuldgefühle nur durch die Erzeugung  neuer, selbstgemachter Standards verdrängen. Was für ein riesiger,  faszinierender Weinberg ist Europa für die Christen geworden. 
Höchste  Zeit, die verborgenen Prägungen durch den Glauben neu zu erforschen.  Mit den Augen und Röntgenstrahlen der göttlichen Barmherzigkeit.
Dr. Stefan Meetschen ist Journalist und Autor. Sein Buch „Europa ohne Christus?“ ist beim fe-Medienverlag erschienen. 
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