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Das Testament Jesu in Johannes 17
Die
Wurzeln Europas liegen in Athen, Rom und Jerusalem. Athen und Rom
stehen für die denkerischen und technischen Fähigkeiten, Jerusalem steht
für den jüdischen Glauben und die Hoffnung der christlichen Urgemeinde
auf das Gottesreich der Erlösung und Nächstenliebe. Welchen Beitrag
bilden die Abschiedsworte Jesu im Johannesevangelium für die Fundamente
Europas? Genau genommen spricht hier allerdings der Evangelist Johannes.
Er legt für alle künftigen Christen Jesus ein Testament in den Mund.
Dieses mündet in ein eindringliches Gebet um das Eins-Bleiben des
Gottesvolkes. Johannes unterscheidet die Anhänger Jesu sehr klar von den
Welt-Bürgern, aber er bezieht die Aufgabe seiner Schüler ganz auf die
Arbeit an der Welt. Der Zustand der Welt hängt am Zustand der Gläubigen.
„In der Welt gehasst“ – weil „nicht von der Welt“
‚Welt‘
verweist auf die sündigen Seiten des Europäers. List, Gewalt und Sex
bestimmen seine Gründungsmythen: Zeus entführt als Stier Europa, um den
Besitz Helenas entbrennt der Krieg um Troja (George Steiner). Die ‚Welt‘
habe Gott nicht erkannt, sagt Johannes, denn sie missbraucht die
Freiheit, die uns Menschen gegeben ist. Auch diese bittere Wahrheit
gehört zum Erfahrungsschatz der jüdisch-christlichen Weisheit. Das
Gegenstück heißt: „in der Wahrheit geheiligt“ sein (Joh 17,19),
oder: „Glaube und Vernunft“ (Papst Benedikt XVI.). Israel, Jesus und die
Apostel erkannten Gottes Willen und Ausweg. Wie können die Risse in der
Schöpfung aber geheilt werden, wenn die Gerechten und Gläubigen, weil
ihr Dienst anspruchsvoll ist, nur eine Minderheit bilden?
„Ich habe sie in die Welt gesandt“
Wie
kann eine Minorität von Christen die übrige große Gesellschaft im
Gleichgewicht halten? Man kann sich eine alte Apothekerwaage vorstellen:
So liegt auf der einen Schale die kleine Gemeinschaft der Christen und
auf der anderen Seite das ganze Gewicht der Welt. Nur durch eine
entsprechende Qualität, nämlich das Gewicht unseres Christseins – Jesus
nannte es Salz, Sauerteig, Stadt auf dem Berg – können wir Christen
unsere Umwelt und Gesellschaft im Gleichgewicht des Heils halten. Am
besten durch unser Vorbild, indem wir uns selber aller Bereiche und
Aspekte des Lebens annehmen und zeigen, wie sie stimmig, gerecht und
schön sein können. Man könnte es auch Neuevangelisierung durch
Faszination nennen. Man braucht nicht einmal eine
Missionierungskampagne. Schöne und auffallende Dinge ziehen von allein
den Menschen an, über dessen Schaulust und Lust am edlen Wettstreit.
„Sie sollen vollendet sein in der Einheit“
Das
„Ihr“ und „Euch“ der Jünger meint eine geballte Kraft. Sie sind keine
vereinzelten Egoisten. Sie haben den Auftrag verstanden, Werkzeug Gottes
in der Welt zu sein, Jesu Wirken fortzusetzen in der Kraft ihrer
Gemeinsamkeit. Dieses Netzwerk Gottesvolk aus Gemeinden soll die Länder,
Staaten und Kontinente umspannen, in der Ohnmacht der Minderheit, aber
mit der Macht der Wahrheit und der Liebe. Martin Buber fand den Begriff
der „mittegeeinten Gemeinde“: die Peripherie eines Wir wäre nur ein
soziales Gebilde, erst die Radien zu einer gemeinsamen Mitte machen ihr
Wesen aus. Was ist unsere Mitte? Alle sind geeint durch das Erleben der
Geschichte mit Gott. Jesu Testament nennt die Früchte: Freude an der
Liebe Gottes, Fülle und Herrlichkeit. Gott hat zwei Arme und Hände, um
in die Welt hineinzuwirken: seinen Heiligen Geist und seinen Sohn Jesus
Christus. Er braucht aber nach der Tötung Jesu Fortsetzer. Diese sind
die Werkstatt Gottes, sein Volk, seine Gemeinde, wo in seinem Geist und
im Geist Jesu gewirkt wird.
Um die Einheit kann selbst Christus nur beten
Natürlich
ist in der Welt das Zerstreuen, die Einheit ist ein Wunder. Die Welt,
die den Frieden nicht finden kann, bedarf des Vorbildes der Christen. „Damit die Welt erkennt, … damit die Welt glauben kann“, heißt es in der Bitte Jesu an Gott den Vater, und ganz profiliert: „Für sie bitte ich, nicht für die Welt bitte ich, sondern für alle, die du mir gegeben hast“.
Das ist Realistik, und das verlangt die Logik. Gott braucht
Mitarbeiter, und er findet nur eine Minderheit. Aber sie genügt – wenn
die Spaltungen nicht wären, die Vieles unglaubwürdig und allzu
menschlich machen. Bei dem Thema Kirchenspaltungen vergessen wir
gewöhnlich die Urtrennung zwischen Christen und Juden. Es war das
„Urschisma“ (Kardinal Walter Kasper), das heißt, wir Christen sind nicht
der Alleinerbe an Stelle der Juden, sondern wir sind von der jüdischen
Wurzel Getrennte. Der von Gott ungekündigte Bund mit den Juden müsste
die erste Hauptfrage des ökumenischen Anliegens sein. Denn um diesen
Bund geht es in der Bitte Jesu. Es muss uns erschüttern, dass sogar der
Gottessohn und sein Tod die Einheit des Gottesvolkes nicht erzwingen
können. Auch Jesus kann nur um sie beten.
Wer
betet, dem geht es um eine Gebets- und Willenseinheit mit Gott. Das
Beten ist eine Arbeit Gottes am menschlichen Herzen: es soll die Wünsche
Gottes erkennen und mit ihnen übereinstimmen. Es ist der Anfang und
Entschluss zu einem entsprechenden Leben und Handeln und kann nicht
wirkungslos bleiben.
Professor
Dr. Ludwig Weimer lehrt am „Lehrstuhl für die Theologie des Volkes
Gottes“ an der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom (www.ltvg.org)
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