Vor wenigen Wochen flog der Direktor
einer Universitätsklinik
von München nach Berlin. Die Flugzeit
beträgt ca. 45 Minuten. Er nahm in der
so genannten Holzklasse Platz. Als er zu
seinem Sitz ging, konnte er im Vorbeigehen in
der Business-Class zwei Vertreter der
Beratungsfirma begrüßen, die für ein Tageshonorar
von 2000 bis 3000 Euro dem Klinikum den
Weg weisen.
In seiner Klinik hatte er ein
Gespräch mit einer seiner Ärztinnen. Sie besitzt
eine deutsche und eine amerikanische
Facharztqualifikation, ist verantwortlich
für
lebensrettende Entscheidungen und Maßnahmen und
hat ein Monatsgehalt von 1650 Euro. Der
Vergleich zwischen den Entlohnungen der
verantwortungsvollen Ärztin und der
„verantwortungslosen“ Berater machte den
Klinikdirektor nicht gerade glücklich. Die Ärztin
wird auswandern.
Andere
Szene. Süddeutschland:
Ein Architekt hat den
Auftrag, das neue Verwaltungsgebäude für
eine der gesetzlichen Krankenkassen zu
planen. Auf Nachfrage nach dem Kostenrahmen
hört er von den Verantwortlichen der
obersten Kassenetage: Kosten spielen keine
Rolle. Der Architekt war glücklich. Als er das
dem Klinikdirektor erzählte, war der erneut unglücklich. Und beschloss ebenfalls auszuwandern. Der Architekt beschloss hier zu bleiben und sich vermehrt um Aufträge der gesetzlichen Krankenkassen zu bemühen.
Schiefe Hierarchien
Das ist keine erfundene Geschichte. Genausohat es sich zugetragen. Den Namen des Klinikdirektors und der Ärztin nenne ich, sobald sie im Ausland Fuß gefasst haben; den Namen des Architekten nenne ich nicht – er möchte ja weitere Großaufträge ohne Kos-
tenrahmen haben.
Warum erzähle ich diese an sich belanglose Anekdote? Weil sie symptomatisch ist für eine Situation, in der die Hierarchien einfach schief hängen. Die Berater sitzen vorne; die Ärzte sitzen hinten. Die genannte Kasse braucht nicht auf den Kostenrahmen zu achten; der Klinikdirektor bekommt zu hören, dass kein Geld da ist.
Und dann ist da noch eine Schieflage. Auch in der jüngsten Umfrage hat die Bevölkerung den Ärzten wieder das höchste Sozialprestige, das höchste Ansehen bescheinigt. Was ist das für eine Gesellschaft, darf man sich einmal fragen, in der Politiker, die in einiger Entfernung von den Ärzten auf der sozialen Achtungsskala angesiedelt sind, denen, die ganz oben stehen Leitlinien vorschreiben dürfen, Deckelung durchsetzen und Fallkostenpauschale zumuten – ohne selbst jemals die Verantwortung tragen zu müssen, ohne selbst jemals einem Patienten von Angesicht zu Angesicht gegen-überstehen zu müssen? Hier stimmt etwas nicht.
von Paul U. Unschuld
Erstmals ist Kranksein volkswirtschaftliche so wertvoll wie Gesundsein
und hier
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