Montag, 21. April 2014

Vom Niedergang der Ärzte

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Vor wenigen Wochen flog der Direktor einer Universitätsklinik von München nach Berlin. Die Flugzeit beträgt ca. 45 Minuten. Er nahm in der so genannten Holzklasse Platz. Als er zu seinem Sitz ging, konnte er im Vorbeigehen in der Business-Class zwei Vertreter der Beratungsfirma begrüßen, die für ein Tageshonorar von 2000 bis 3000 Euro dem Klinikum den Weg weisen. 

In seiner Klinik hatte er ein Gespräch mit einer seiner Ärztinnen. Sie besitzt eine deutsche und eine amerikanische Facharztqualifikation, ist verantwortlich
für lebensrettende Entscheidungen und Maßnahmen und hat ein Monatsgehalt von 1650 Euro. Der Vergleich zwischen den Entlohnungen der verantwortungsvollen Ärztin und der „verantwortungslosen“ Berater machte den Klinikdirektor nicht gerade glücklich. Die Ärztin wird auswandern.


Andere Szene. Süddeutschland:
Ein Architekt hat den Auftrag, das neue Verwaltungsgebäude für eine der gesetzlichen Krankenkassen zu planen. Auf Nachfrage nach dem Kostenrahmen hört er von den Verantwortlichen der obersten Kassenetage: Kosten spielen keine Rolle. Der Architekt war glücklich. Als er das dem Klinikdirektor erzählte, war der erneut unglücklich. Und beschloss ebenfalls auszuwandern. Der Architekt beschloss hier zu bleiben und sich vermehrt um Aufträge der gesetzlichen Krankenkassen zu bemühen.

Schiefe Hierarchien

Das ist keine erfundene Geschichte. Genausohat es sich zugetragen. Den Namen des Klinikdirektors und der Ärztin nenne ich, sobald sie im Ausland Fuß gefasst haben; den Namen des Architekten nenne ich nicht – er möchte ja weitere Großaufträge ohne Kos-
tenrahmen haben.

Warum erzähle ich diese an sich belanglose  Anekdote? Weil sie symptomatisch ist für eine Situation, in der die Hierarchien einfach schief hängen. Die Berater sitzen vorne; die Ärzte sitzen hinten. Die genannte Kasse braucht nicht auf den Kostenrahmen zu achten; der Klinikdirektor bekommt zu hören, dass kein Geld da ist. 
Und dann ist da noch eine Schieflage. Auch in der jüngsten Umfrage hat die Bevölkerung den Ärzten wieder das höchste Sozialprestige, das höchste Ansehen bescheinigt. Was ist das für eine Gesellschaft, darf man sich einmal fragen, in der Politiker, die in einiger Entfernung von den Ärzten auf der sozialen Achtungsskala angesiedelt sind, denen, die ganz oben stehen Leitlinien vorschreiben dürfen, Deckelung durchsetzen und Fallkostenpauschale zumuten – ohne selbst jemals die Verantwortung tragen zu müssen, ohne selbst jemals einem Patienten von Angesicht zu Angesicht gegen-überstehen zu müssen? Hier stimmt etwas nicht.


von Paul U. Unschuld

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Erstmals ist Kranksein volkswirtschaftliche so wertvoll wie Gesundsein

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