Donnerstag, 10. April 2014

Anleitung zu Vergebung

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1. Den Schmerz nochmals zulassen
Der erste Schritt besteht darin, den Schmerz nochmals zuzulassen. Wir sollen den, der uns verletzt hat, nicht sofort entschuldigen: „Vielleicht hat er es nicht so gemeint. Vielleicht konnte er nicht anders.“ Ganz gleich, wie der andere es gemeint hat, mir hat es weh getan. Und es tut mir immer noch weh.

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2. Die Wut zulassen
Die Wut ist die Kraft, den, der mich verletzt, aus mir heraus zu werfen. Wut schafft eine gesunde Distanz zum andern. Solange das Messer noch in meiner Wunde steckt, kann ich nicht vergeben. Vergebung wäre Selbstverletzung. Ich muss das Messer erst heraus werfen, damit die Wunde zu heilen vermag.

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3. Verstehen
Beim dritten Schritt versuche ich, objektiv anzusehen, was geschehen ist. Ich versuche, zu verstehen, was genau mich verletzt hat und warum es mich so tief getroffen hat. Wenn ich mich, und ev. den andern, verstehe, kann ich die Situation eher einordnen, und in der Folge leichter loslassen.

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4. Vergebung
Erst an vierter Stelle kommt dann der eigentliche Akt der Vergebung. In der Vergebung befreie ich mich von der Bindung an den anderen. Ich lasse das Geschehen bei ihm. Vergebung ist ein therapeutischer Akt. Er tut mir gut. Er befreit mich vom negativen Einfluss derer, die mich verletzt haben. Ich grüble nicht mehr darüber.


Das heißt noch nicht, dass ich dem andern gleich um den Hals fallen muss. Manchmal muss ich meine Grenze achten und mir eingestehen, dass ich seine Nähe noch nicht ertragen kann. Trotzdem habe ich ihm vergeben.

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5. Der fünfte Schritt wäre dann die Kunst, die Wunden in Perlen zu verwandeln. Wenn ich nur die ersten vier Schritte gehen müsste, hätte ich immer das Gefühl, ich sei benachteiligt mit meinen Verletzungen. Der fünfte Schritt zeigt mir, dass in den Verletzungen auch eine Chance liegt; dass mich Verletzungen etwas Kostbares gelehrt haben. So werden Wunden ein Ort, an denen ich Gott und mein wahres Wesen auf neue Weise erkennen kann.
(nach Anselm Grün, siehe link oben)



Übung


Versöhnung mit Bruder und Schwester

  • Die fünf Schritte der Versöhnung kann man nicht immer genau der Reihe nach üben. Aber versuche bei den Kränkungen, die dir immer noch wehtun, bewusst einmal die Reihenfolge dieser fünf Schritte einzuhalten.
  • Lasse dir für jeden Schritt einige Augenblicke Zeit. Vielleicht spürst du gar keinen Schmerz oder keine Wut. Du musst dich nicht zu den Gefühlen zwingen. Horche in dich hinein, ob diese Gefühle in dir auftauchen. Und dann versuche, das Geschehene bewusst beim andern zu lassen. Verwandle deine Wut in Ehrgeiz, selber zu leben und dich selbst zu spüren. Je mehr du dich selbst spürst, desto weniger haben andere Macht über dich.






Vergebung: Freilassen, damit wir selbst frei werden


Manche glauben, zu vergeben heißt, dass sie dem anderen wieder vertrauen müssen, so als wäre nichts gewesen. Doch das wäre nicht Vergebung, sondern ungesunde Naivität. Vertrauen ist etwas, das sich der andere (wieder) verdienen muss. Vertrauen muss langsam wachsen und braucht Zeit. Manchmal müssen wir erkennen, dass wir dem anderen einfach nicht vertrauen können, dass wir uns nicht auf den anderen verlassen können, oder zu unserem Schutz auf Sicherheitsabstand bleiben müssen. Das ist traurig, aber manchmal notwendig. Trotzdem können wir der Person vergeben.

Manche sehen Vergebung als einen Akt der Schwäche. Wer stark ist, so meint man, kann sich rächen oder Genugtuung erzwingen, nur der Schwache vergibt, weil er nichts anderes machen kann. In Wirklichkeit ist Vergebung ein Akt der Stärke und Befreiung. Denn solange wir nicht vergeben haben, warten wir – auf Genugtuung, auf eine Entschuldigung, darauf, dass der andere die Ungerechtigkeit, das Ungleichgewicht wieder gerade rückt. Das heißt, wir bleiben an den anderen gebunden. Falls wir die Macht haben, uns zu rächen oder den anderen zur Entschuldigung zu nötigen, egal ob er es meint oder nicht, dann verstricken wir uns noch tiefer. Nur wenn wir vergeben werden wir frei.

Vergebung – und damit passt sie so gut zum Thema Fasten – ist ein Verzicht, der uns befreit. Wenn wir vergeben, geben wir unsere Forderung nach Entschuldigung und Wiederherstellung auf. Oft glauben wir, dass wir etwas verlieren, wenn wir den Schuldschein zerreißen (der meist nur in unserem Herzen existiert). Doch in Wirklichkeit lösen wir uns dadurch von der Gebundenheit an den Anderen, befreien wir uns aus der Abhängigkeit vom Täter/der Täterin, indem wir aufhören, auf seine oder ihre Einsicht zu hoffen.

Gerade wir Hochsensiblen, die bekanntermaßen Unharmonisches und Ungrechtigkeiten besonders deutlich wahrnehmen, tun gut daran, uns regelmäßig von emotionalem Altlasten zu befreien. Fasten - in jeder Form - ist dabei eine wertvolle Hilfe, die uns langfristig stärken kann.

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