Selber denken! Sieben Wochen ohne falsche
Gewissheiten
7. Woche: Selber leuchten (Matthäus 5,13–16)
7. Woche: Selber leuchten (Matthäus 5,13–16)
Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt,
womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es
wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Liebe Weggefährtinnen, liebe Begleiter durch die Fastenzeit,
nun ist sie beinahe rum, die Zeit, in der wir gemeinsam und alle selber
gedacht haben. Wir haben selber gehandelt, bekannt, geprüft, gesucht und
geredet. Wenn ich die letzten Wochen so überblicke, wurden unsere
gemeinsamen Übungen durchaus immer wieder etwas schwieriger. Da kann man
erwarten, dass uns nun – sozusagen zum großen Finale – der
dickste Brocken erwartet.
Um dieser Erwartung ein wenig zu entsprechen – und auch, weil
ich später inhaltlich darauf zurückkommen möchte, soll unsere
heutige Übung gleich damit beginnen, dass ich Sie bitte, den Rest dieser
E-Mail – wenn Ihnen das möglich ist – im Stehen zu lesen.
Bitte stehen Sie auf, bevor Sie weiterlesen. Wenn Ihr
Monitor das nicht gut zulässt, drucken Sie sich die Mail ausnahmsweise
aus. Danke.
Ich war ein wenig überrascht, dass für uns ausgerechnet in der
Karwoche ein Text ausgesucht wurde, der so ermutigend daherkommt. Jesus
spricht diese Worte in seiner berühmten Bergpredigt. In Matthäus
5,1–2 heißt es, dass Jesus eine große Menge sieht und auf
einen Berg geht. Er will seine Jünger und alle um ihn herum
„lehren“. Interessant finde ich, dass Jesus sich hinsetzt. Wenn
er zur Verbesserung der Akustik extra auf einen Berg steigt, ist das doch
eine ungewöhnliche Körperhaltung. Im Stehen wäre es viel
besser zu verstehen. Aber diese Körperhaltung drückt anscheinend
auch aus: Hier hat man keine Propaganda zu erwarten, keinen Menschen, der die
Massen durch Posen in seinen Bann ziehen will.
Dann beginnt Jesus zu reden und setzt fort, was mit seinem bemerkenswerten
Hinsetzen beginnt: Er macht, was man gerade nicht erwartet: „Selig sind
die, die vor Gott arm sind … die trauern … die verfolgt
werden“, sagt er und beginnt die bekannten Seligpreisungen. Da sitzt er
also, anstatt zu stehen, und nennt die glücklich, die sich selbst so
nicht empfinden. Und dann kommt unser Text für die Woche: „Ihr
seid Salz! Ihr seid Licht! Salzt! Leuchtet!“ Ich muss schmunzeln, wenn
ich mir das Bild vorstelle von einem sitzenden Jesus, der den Leuten sagt,
sie sollen doch bitte ihr Licht nicht unter den Schaffel stellen, sondern auf
einen Leuchter. Aber wahrscheinlich will Jesus ja auch nicht, dass die Leute
grell leuchten, sondern dass sie einfach hell machen, was dunkel ist. Und
damit ist die Frage auf unserem Fastentisch: Selber leuchten sollen wir
– aber wie?
Starten wir unsere Selber-Denken-und-Leuchten-Übung mit einer
Aufwärmphase. Bevor wir uns nämlich fragen, wie wir
leuchten, sollten wir uns zunächst fragen, ob wir denn
leuchten. Fragen Sie sich also bitte zunächst einmal: „Leuchte
ich?“ Jesus behauptet das. Er sagt, dass wir Licht sind. Das Licht der
Welt sogar. Sehen Sie Ihr eigenes Leuchten? Oder empfinden Sie sich vielmehr
als Schatten? Wenn das so ist, brauchen Sie für das Selber-Leuchten
vielleicht zuerst einen Funken. Fällt Ihnen vielleicht ein schöner
Satz aus der Bibel ein, der Ihnen deutlich machen kann, dass Sie Licht sind?
Ich mache Ihnen mal ein paar Vorschläge:
- Psalm 139,14: „Ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin.“
- Genesis 1,27: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn, und er schuf ihn männlich und weiblich.“
- Genesis 12,2: „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein.“
Haben Sie andere Verse im Kopf, oder wollen Sie einmal nachblättern?
Tun Sie das gern. Tragen Sie hier Verse ein, die Sie leuchten lassen:
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(Nicht genug Platz? Das wäre ja schön, dann haben Sie viele gute Leuchtsätze gefunden.)
Hat unsere Vorübung Sie Ihr eigenes Licht entdecken lassen? Noch
nicht? Dann rufen Sie jemanden an oder noch besser, treffen Sie jemanden, von
dem Sie ahnen, dass er oder sie große Stücke auf Sie hält,
sie mag oder vielleicht gar liebt. Und nun bitten Sie diese Person, Ihnen mal
zu sagen, was an Ihnen leuchtet. Sie finden, dass das eine merkwürdige
Übung ist, dass man doch nicht nach Komplimenten fischen soll? Doch,
sollen Sie. Wer (für andere) leuchten soll, muss sein eigenes Licht erst
einmal entfachen. Loben Sie sich selbst! Lassen Sie sich von anderen loben!
Sonnen Sie sich einmal in ihrem eigenen Licht! Sie dürfen
anschließend auch wieder bescheiden werden, aber damit Sie wirklich
leuchten können, sollten Sie sich zuerst unbedingt an sich selber freuen
können. Klopfen Sie sich für etwas Gutes, was Sie in letzter Zeit
getan haben, mal selbst auf die Schulter. Nicht zaghaft, sondern ausgiebig.
Stellen Sie sich vor den Spiegel und lächeln Sie ein Lächeln, mit
dem Sie sich selbst verführen können, sich zu mögen. Sie sind
ein wunderbares Werk Gottes. Es spielt keine Rolle, ob Sie eine große
Leuchte sind, sondern dass Sie das Licht der Welt sind.
So, ich hoffe, das hat genügt, dass Sie Ihr Licht sehen können.
Nun können wir weitermachen mit der Frage: Selber leuchten – aber
wie?
Wenn wir uns den Zusammenhang dieser Worte Jesu anschauen, dann
können wir gute Hinweise finden darauf, wie sich Jesus das vorstellt,
dass wir leuchten sollen. Wir sollen „auf den Berg gehen“, also
sichtbar sein. So macht er das auch, als er zu den Leuten spricht.
Öffentlich und gut erkennbar. Dann aber setzt er sich hin, und ich sehe
darin auch einen guten Ratschlag für unser Selber-Leuchten. Setz dich,
werde nicht zum Agitator, sondern begib dich in eine ruhigere, niedrigere
Position.
Setzen Sie sich bitte wieder hin, und lesen Sie dann weiter.
Merken Sie, was das für einen Unterschied macht? Wenn wir leuchten
und dabei im „Stehmodus“ sind, kann das dazu führen, dass
aus unserem Leuchten ein Strahlen wird. Im schlimmsten Fall wird daraus ein
grelles Licht, das andere blendet. Es ist gut zu wissen, dass man leuchtet,
es ist gut zu wissen, was man Gutes kann und getan hat. Jesus sagt selbst:
Die Leute sollen „eure guten Werke sehen“. Nur müssen wir
ihnen mit unserem Licht nicht die Augen verblitzen. Wir sollen zum Leuchten
auf den Berg gehen, dürfen uns dort aber auch hinsetzen. Das entspannt
und lässt unser eigenes Licht nicht so schnell verbrennen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine ruhige Karwoche und dann
natürlich gesegnete Ostern, wenn es da ist. Dann wird hoffentlich alles
um die Wette leuchten – und Sie hoffentlich mittendrin.
Damit sage ich auf Wiedersehen für dieses Jahr. Ich hoffe, Sie hatten
Freude an unseren gemeinsamen Übungen im Selber-Denken. Wenn Sie
mögen, schreiben Sie mir doch mal, wie Sie meine Anregungen empfunden
haben. Ich würde mich über eine E-Mail von Ihnen freuen. Meine
Adresse lautet: frank.muchlinsky@evangelisch.de.
Herzliche Grüße
Ihr Frank Muchlinsky
Frank
Muchlinsky ist Pastor der Nordkirche. Er hat viele Jahre in der
Erwachsenenbildung und in der Diakonie gearbeitet. Sein Schwerpunkt liegt
darauf, Glaube und Theologie erfahrbar und verständlich zu machen. Das
tut er in seinen Seminaren mit Erziehungsfachkräften an evangelischen
Kitas ebenso wie mit der Methode des "Bibliologs", die er seit 1999
anwendet und lehrt. Seit 2012 arbeitet er bei evangelisch.de und betreut dort
die Bereiche Glauben und Fragen.
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