Mittwoch, 16. April 2014

7. Woche Fastenzeit - Selber leuchten

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Selber denken! Sieben Wochen ohne falsche Gewissheiten
7. Woche: Selber leuchten (Matthäus 5,13–16)
Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Liebe Weggefährtinnen, liebe Begleiter durch die Fastenzeit,
nun ist sie beinahe rum, die Zeit, in der wir gemeinsam und alle selber gedacht haben. Wir haben selber gehandelt, bekannt, geprüft, gesucht und geredet. Wenn ich die letzten Wochen so überblicke, wurden unsere gemeinsamen Übungen durchaus immer wieder etwas schwieriger. Da kann man erwarten, dass uns nun – sozusagen zum großen Finale – der dickste Brocken erwartet.
Um dieser Erwartung ein wenig zu entsprechen – und auch, weil ich später inhaltlich darauf zurückkommen möchte, soll unsere heutige Übung gleich damit beginnen, dass ich Sie bitte, den Rest dieser E-Mail – wenn Ihnen das möglich ist – im Stehen zu lesen. Bitte stehen Sie auf, bevor Sie weiterlesen. Wenn Ihr Monitor das nicht gut zulässt, drucken Sie sich die Mail ausnahmsweise aus. Danke.
Ich war ein wenig überrascht, dass für uns ausgerechnet in der Karwoche ein Text ausgesucht wurde, der so ermutigend daherkommt. Jesus spricht diese Worte in seiner berühmten Bergpredigt. In Matthäus 5,1–2 heißt es, dass Jesus eine große Menge sieht und auf einen Berg geht. Er will seine Jünger und alle um ihn herum „lehren“. Interessant finde ich, dass Jesus sich hinsetzt. Wenn er zur Verbesserung der Akustik extra auf einen Berg steigt, ist das doch eine ungewöhnliche Körperhaltung. Im Stehen wäre es viel besser zu verstehen. Aber diese Körperhaltung drückt anscheinend auch aus: Hier hat man keine Propaganda zu erwarten, keinen Menschen, der die Massen durch Posen in seinen Bann ziehen will.
Dann beginnt Jesus zu reden und setzt fort, was mit seinem bemerkenswerten Hinsetzen beginnt: Er macht, was man gerade nicht erwartet: „Selig sind die, die vor Gott arm sind … die trauern … die verfolgt werden“, sagt er und beginnt die bekannten Seligpreisungen. Da sitzt er also, anstatt zu stehen, und nennt die glücklich, die sich selbst so nicht empfinden. Und dann kommt unser Text für die Woche: „Ihr seid Salz! Ihr seid Licht! Salzt! Leuchtet!“ Ich muss schmunzeln, wenn ich mir das Bild vorstelle von einem sitzenden Jesus, der den Leuten sagt, sie sollen doch bitte ihr Licht nicht unter den Schaffel stellen, sondern auf einen Leuchter. Aber wahrscheinlich will Jesus ja auch nicht, dass die Leute grell leuchten, sondern dass sie einfach hell machen, was dunkel ist. Und damit ist die Frage auf unserem Fastentisch: Selber leuchten sollen wir – aber wie?
Starten wir unsere Selber-Denken-und-Leuchten-Übung mit einer Aufwärmphase. Bevor wir uns nämlich fragen, wie wir leuchten, sollten wir uns zunächst fragen, ob wir denn leuchten. Fragen Sie sich also bitte zunächst einmal: „Leuchte ich?“ Jesus behauptet das. Er sagt, dass wir Licht sind. Das Licht der Welt sogar. Sehen Sie Ihr eigenes Leuchten? Oder empfinden Sie sich vielmehr als Schatten? Wenn das so ist, brauchen Sie für das Selber-Leuchten vielleicht zuerst einen Funken. Fällt Ihnen vielleicht ein schöner Satz aus der Bibel ein, der Ihnen deutlich machen kann, dass Sie Licht sind? Ich mache Ihnen mal ein paar Vorschläge:
  • Psalm 139,14: „Ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin.“
  • Genesis 1,27: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn, und er schuf ihn männlich und weiblich.“
  • Genesis 12,2: „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein.“
Haben Sie andere Verse im Kopf, oder wollen Sie einmal nachblättern? Tun Sie das gern. Tragen Sie hier Verse ein, die Sie leuchten lassen:
  • ___________________________________
     
  • ___________________________________
    (Nicht genug Platz? Das wäre ja schön, dann haben Sie viele gute Leuchtsätze gefunden.)
Hat unsere Vorübung Sie Ihr eigenes Licht entdecken lassen? Noch nicht? Dann rufen Sie jemanden an oder noch besser, treffen Sie jemanden, von dem Sie ahnen, dass er oder sie große Stücke auf Sie hält, sie mag oder vielleicht gar liebt. Und nun bitten Sie diese Person, Ihnen mal zu sagen, was an Ihnen leuchtet. Sie finden, dass das eine merkwürdige Übung ist, dass man doch nicht nach Komplimenten fischen soll? Doch, sollen Sie. Wer (für andere) leuchten soll, muss sein eigenes Licht erst einmal entfachen. Loben Sie sich selbst! Lassen Sie sich von anderen loben! Sonnen Sie sich einmal in ihrem eigenen Licht! Sie dürfen anschließend auch wieder bescheiden werden, aber damit Sie wirklich leuchten können, sollten Sie sich zuerst unbedingt an sich selber freuen können. Klopfen Sie sich für etwas Gutes, was Sie in letzter Zeit getan haben, mal selbst auf die Schulter. Nicht zaghaft, sondern ausgiebig. Stellen Sie sich vor den Spiegel und lächeln Sie ein Lächeln, mit dem Sie sich selbst verführen können, sich zu mögen. Sie sind ein wunderbares Werk Gottes. Es spielt keine Rolle, ob Sie eine große Leuchte sind, sondern dass Sie das Licht der Welt sind.
So, ich hoffe, das hat genügt, dass Sie Ihr Licht sehen können. Nun können wir weitermachen mit der Frage: Selber leuchten – aber wie?
Wenn wir uns den Zusammenhang dieser Worte Jesu anschauen, dann können wir gute Hinweise finden darauf, wie sich Jesus das vorstellt, dass wir leuchten sollen. Wir sollen „auf den Berg gehen“, also sichtbar sein. So macht er das auch, als er zu den Leuten spricht. Öffentlich und gut erkennbar. Dann aber setzt er sich hin, und ich sehe darin auch einen guten Ratschlag für unser Selber-Leuchten. Setz dich, werde nicht zum Agitator, sondern begib dich in eine ruhigere, niedrigere Position.
Setzen Sie sich bitte wieder hin, und lesen Sie dann weiter.
Merken Sie, was das für einen Unterschied macht? Wenn wir leuchten und dabei im „Stehmodus“ sind, kann das dazu führen, dass aus unserem Leuchten ein Strahlen wird. Im schlimmsten Fall wird daraus ein grelles Licht, das andere blendet. Es ist gut zu wissen, dass man leuchtet, es ist gut zu wissen, was man Gutes kann und getan hat. Jesus sagt selbst: Die Leute sollen „eure guten Werke sehen“. Nur müssen wir ihnen mit unserem Licht nicht die Augen verblitzen. Wir sollen zum Leuchten auf den Berg gehen, dürfen uns dort aber auch hinsetzen. Das entspannt und lässt unser eigenes Licht nicht so schnell verbrennen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine ruhige Karwoche und dann natürlich gesegnete Ostern, wenn es da ist. Dann wird hoffentlich alles um die Wette leuchten – und Sie hoffentlich mittendrin.
Damit sage ich auf Wiedersehen für dieses Jahr. Ich hoffe, Sie hatten Freude an unseren gemeinsamen Übungen im Selber-Denken. Wenn Sie mögen, schreiben Sie mir doch mal, wie Sie meine Anregungen empfunden haben. Ich würde mich über eine E-Mail von Ihnen freuen. Meine Adresse lautet: frank.muchlinsky@evangelisch.de.
Herzliche Grüße
Ihr Frank Muchlinsky


Frank Muchlinsky ist Pastor der Nordkirche. Er hat viele Jahre in der Erwachsenenbildung und in der Diakonie gearbeitet. Sein Schwerpunkt liegt darauf, Glaube und Theologie erfahrbar und verständlich zu machen. Das tut er in seinen Seminaren mit Erziehungsfachkräften an evangelischen Kitas ebenso wie mit der Methode des "Bibliologs", die er seit 1999 anwendet und lehrt. Seit 2012 arbeitet er bei evangelisch.de und betreut dort die Bereiche Glauben und Fragen.

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