Samstag, 13. Juni 2015

Europäisches Parlament will Pressefreiheit einschränken

rog_bericht2012
Bild von Reporter ohne Grenzen
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Bald schon könnten Journalisten und deren Informanten von Unternehmen verklagt werden und zwar, wenn diese Fakten präsentieren, die das Unternehmen geheim halten will. Außer wir reagieren und verteidigen die investigative Arbeit von Journalisten und somit auch das Recht auf Informationsfreiheit aller Bürger/innen.
Unter dem Decknamen „Geschäftsgeheimnis“ („tradesecrets“) kündigt das Europäische Parlament den Kampf gegen Industriespionage an, in Wirklichkeit schafft sie aber ein mächtiges Instrument gegen den Journalismus und die Informationsfreiheit: das würde eine in Europa noch nie dagewesene Zensur bedeuten.
Mit dieser Direktive, die bald schon im Europäischen Parlament debattiert wird, kann jedes Unternehmen willkürlich entscheiden, ob Informationen von wirtschaftlichem Wert veröffentlicht werden dürfen oder nicht. Um es anders auszudrücken: mit diesem Gesetz des „Geschäftsgeheimnis“ hätten Sie nie über den Finanzskandal Luxleaks, über Pestizide von Monsanto, den Gardasil-Skandal und viele andere erfahren.
Dadurch wird es für uns Journalisten dann unmöglich sein, über große Bereiche wirtschaftlicher, sozialer und politischer Entwicklungen im europäischen Raum zu berichten. Investigative Fernsehsendungen und Zeitungsberichte würden dann nicht mehr ausgestrahlt oder veröffentlicht werden.
Dieses Gesetz macht einen Richter zum Chefredakteur unserer Länder, der von Unternehmen diktiert bekommt, was diese für berichtenswert halten und was nicht. Unter dem Vorwand, die wirtschaftlichen Interessen zu schützen, wird somit Verschleierung legitimiert.
Sollte ein Journalist oder Informant dennoch diese „Geschäftsgeheimnis-Verordnung“ „verletzen“, drohen übertrieben hohe Entschädigungsforderungen der Unternehmen in Millionenhöhe, um den entstandenen Schaden zu „ersetzen“.In manchen Ländern könnte es sogar zu Gefängnisstrafen kommen.
Wer ist bei einer solchen Drohung dann noch bereit, dieses (finanzielle) Risiko einzugehen? Welche/r Angestellte - wie beispielsweise Antoine Teltower im Falle von Luxleaks - wäre noch bereit, über interne Skandale eines Unternehmens zu berichten? Die Informanten sind in diesem Fall die ersten Opfer eines solchen Systems. Der Gestetzentwurf sieht keinerlei Schutz für Whistleblower vor.
Verteidiger des Vorschlags betonen, dass ihnen vor allem der Schutz wirtschaftlicher Interessen kleiner und mittelständischer Unternehmen am Herzen liegt. Überraschenderweise waren es jedoch vor allem multinationale Konzerne, die früh den Kontakt zur Europäischen Kommission gesucht und Lobbyarbeit betrieben haben: Air Liquide, Alstom, DuPont, General Electric, Intel, Michelin, Nestlé, Safran.
Diese Unternehmen werden dieses neue auf dem Silbertablett angebotene Instrument dazu verwenden, um Druck auf Journalisten auszuüben und sie davon abhalten, Skandale aufzudecken. Der Fall Luxleaks zeigt es deutlich: wir können es nicht zulassen, dass unsere Mandatsträger/innen über ein solches Gesetz zur Einschränkung der Meinungsfreiheit entscheiden, ohne Vertreter der Presse, Whistleblower und NGOs zu konsultieren. Bisher wurden ausschließlich industrielle Lobbyverbände zur Beratung herangezogen.
Wir Journalisten verweigern uns, lediglich Pressemeldungen zu drucken, um euch Bürgerinnen und Bürger, zu informieren. Wie George Orwell sagte: „Journalismus bedeutet, das zu veröffentlichen, was andere nicht veröffentlicht sehen wollen: alles andere ist Öffentlichkeitsarbeit“
Deshalb verlange ich gemeinsam mit allen Unterzeichner/innen, die Abschaffung dieser drakonischen Direktive.
Am 16. Juni wird der Rechts-Ausschuss des Europäischen Parlamentes zusammenkommen und über die Rechtmäßigkeit des Gesetzentwurfs entscheiden. Jetzt ist die Zeit gekommen, dass wir gegen eine derartige Zensur in Europa mobilisieren und diesem Vorschlag ein klares Nein erteilen.


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