Obdachlose 1. und 2. Klasse
von Peter Grimm
Verletzt die Stadt Friedrichshafen die Menschenwürde von
Obdachlosen? Folgt man dem, was Sabine Wuermeling in einem Brief an den
dortigen Oberbürgermeister über das städtische Obdachlosenheim im
Wachirweg schreibt, muss das so sein. Diese Schlussfolgerung stammt
allerdings nicht von Frau Wuermeling, denn sie hat das Heim nicht voller
Schrecken inspiziert, weil sie das Schicksal der heimischen Obdachlosen
angerührt hätte. Sie war dort in ihrer Funktion als
„Flüchtlingshelferin“. Sie kümmert sich derzeit unter anderm um einen
18-jährigen Gambier. Der junge Mann kam als „unbegleiteter
minderjähriger Flüchtling“, fand Aufnahme bei einer deutschen
Pflegefamilie, doch da schien er sich nicht wohl zu fühlen, denn er
verlangte beim Amt nach einer anderen Unterbringung.
Mittlerweile war er volljährig und da er sich den Mitarbeitern des
Jugendamts gegenüber offenbar nicht besonders kooperativ zeigte, kam er
in keines der auch für volljährige Zuwanderer möglichen Förderungs- und
Betreuungsprogramme. Somit war die Stadtverwaltung für ihn zuständig.
Und für sie war der junge Mann zunächst das, was ein wohnsitzloser
junger Einheimischer in vergleichbarer Situation auch ist: Ein
Obdachloser, der eine Unterkunft benötigt. Und da ist die erste Adresse
eine Obdachlosenunterkunft. Zwischen Einheimischen und Zuwanderern
machten die Veraltungsmitarbeiter keinen Unterschied. Wie ein Deutscher
ohne Wohnsitz sollte auch der junge Gambier in das Heim im Wachirweg
einziehen.
Sabine Wuermeling begleitete ihn und war dort über die Zustände so
entsetzt, dass sie den jungen Mann nicht dort einziehen lassen konnte,
sondern ihn stattdessen zu sich nach Hause nahm. Zum Obdachlosenheim
schrieb sie in ihrem Brief: Der Allgemeinzustand des Hauses sei „ein
Armutszeugnis“, „eine Situation, die für einen 18 Jahre alten Gambier,
der durch die Flucht und die damit verbundenen Gräuel zutiefst
traumatisiert wurde, nicht tragbar ist.“ Deshalb fordert die
„Flüchtlingshelferin“ eine andere Lösung für ihren Schützling.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ - und Ausnahmen bestätigen die Regel
Ihren Brief an den Bürgermeister leitete Frau Wuermeling mit nichts
geringerem ein, als dem Grundgesetzzitat „Die Würde des Menschen ist
unantastbar“. Wenn das Obdachlosenheim als Quartier aber die Würde des
jungen Gambiers verletzt, ist es dann nicht auch für deutsche Obdachlose
menschenunwürdig? Es gibt doch keine unterschiedliche Menschenwürde für
Deutsche und Zuwanderer, oder?
Nun ist Frau Wuermeling aber „Flüchtlingshelferin“ und keine
Odachlosenhelferin, weshalb sie die Menschenwürde einheimischer
Wohnsitzloser nicht zu ihren Kernaufgaben zählen muss. Und wenn das Haus
in einem beklagenswerten Zustand ist, dann tut es auch Not, Alarm zu
schlagen. Dass sich die Helferin des jungen Gambiers vor allem um ihren
Schützling kümmert, ist ihr nicht vorzuwerfen. Doch man fragt sich
unwillkürlich, ob ein Zuwanderer Anspruch auf bessere Hilfe hat als
heimische Gestrauchelte oder ob sich nun jemand finden muss, der auch
die anderen Obdachlosen aus ihrer unwürdigen Lage befreit.
Die Sprecherin der Stadt Friedrichshafen antwortete auf die Frage
einer Lokalzeitung, ob die Unterbringung von jugendlichen Asylbewerbern
in einer Obdachlosenunterkunft richtig sei: „Wir sind uns der
Problematik durchaus bewusst. Allerdings stehen uns für die
Unterbringung obdachloser Personen, als die wir diesen Personenkreis
betrachten müssen, nur begrenzte räumliche Kapazitäten zur Verfügung“.
Doch nun kümmert sich aufgrund der Aktivitäten von Sabine Wuermeling
wahrscheinlich doch wieder das Jugendamt um den Gambier und ein besseres
Quartier für ihn. Einheimische Obdachlose haben dieses Glück nicht. Um
sie möchten sich einfach nicht so viele Helfer kümmern und auch
politische Zuwendung erfahren sie nicht annähernd in gleichem Maße.
Alle Zitate aus Südkurier hier.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Peter Grimms Blog Sichtplatz hier
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