Mittwoch, 13. April 2011

Antwort von einem evangelischen Pfarrer aus Braunschweig an „Pfarrer“ Stoodt!

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Evangelischer Pfarrer aus Braunschweig verurteilt „Pfarrer“ Stoodt für sein Verhalten gegenüber den Exilchristen und bittet um Verbreitung und Veröffentlichung seines Schreibens an „Pfarrer“ Stoodt:

„Braunschweig, den 11. April 2011

Guten Tag, Herr Pfarrer Stoodt!
Oder ist Ihnen Genosse lieber? Amtsbrüder sind wir jedenfalls nicht.
Mit Entsetzen, Abscheu und Ekel habe ich Ihren unverantwortlichen Schmähartikel „Islamfeindliche ‚Großdemonstration’“ gegen verfolgte, diskriminierte, gequälte und ermordete orientalische Christen gelesen. Als evangelischer Pfarrer schäme ich mich vor meinen aramäischen, armenischen und koptischen Brüdern und Schwestern für Sie und dafür, daß sich einzelne Vertreter unseres Berufes so bar jeder christlichen Nächstenliebe verhalten und Solidarität nur mit den Tätern, nicht aber mit den Opfern bekunden.
Seit mehr als dreißig Jahren habe ich mit orientalischen Christen Kontakt. Das reichte in einem Fall bis zum Asyl in meiner Wohnung. Haben Sie das auch schon mal gemacht? Über ein Jahr lang? Sicher nicht. Sonst würden Sie nicht solchen hanebüchenen, migrantInnen-feindlichen Blödsinn absondern, den ich sonst nur von einer anderen politischen Richtung gewöhnt bin. Aber vielleicht gilt ja auch hier: „Les extremes se touchent.“
„Antiislamische Rassisten“, „Rechtspopulisten“ oder „reaktionäre religiöse Fanatiker“ habe ich unter orientalischen Christen nie erlebt. Dafür sehr viele von echter christlicher Frömmig-keit erfüllte Menschen, denen Sie und Ihresgleichen nicht das Wasser reichen können. Im Übrigen, werter Herr, sind vor allem Armenier eher links eingestellt, da sie sich noch an echte linke Humanisten wie Karl Liebknecht erinnern.
Wenn Sie schon nach „Rechtspopulisten“ suchen, dann tun Sie das gefälligst bei den türkischen Ideologen von der DITIB über die Fundamentalisten Erdoğans bis zu den faschistoiden Kemalisten. Was dort an Chauvinismus und Revisionismus geboten wird, haben meine Gemeinde, unsere orientalischen Geschwister und ich am eigenen Leib erlebt. Als wir am 1. Mai 2005 am Hohen Chor unserer Kirche ein Mahnmal für die Opfer des Völkermordes an den Armeniern im osmanischen Reich einweihten, sahen wir uns plötzlich 300 türkischen Nationalisten gegenüber, die uns beim Beten zusammenschrieen. – Aber eine „Hürriyet“ reicht ja schon. „Die Türkei den Türken“ steht auf jedem Titel. Was würden Sie wohl sagen, wenn das über einer deutschen Zeitung stände??? Ganz richtig. Ich auch!
Aber das ist ja noch eher harmlos gegenüber den Erfahrungen, die orientalische Christen, aber auch Juden, liberale Muslime, Sufis oder Alewiten, Drusen und Jeziden seit Jahrzehnten mit dem offiziellen orthodoxen Islam in all seinen Spielarten, über Wahhabiten und Salafiten bis hin zum Islamismus machen. Lesen Sie eigentlich Zeitung? Wieviel Kopten sind allein in den letzten Monaten ermordet worden! Wie ist die Situation in Pakistan? Wo werden Un-schuldige ermordet, wenn irgendwo in den USA ein törichter Prediger den Koran verbrennt?  Wie ist es in der Türkei, wo die Mutterorganisation der DITIB mit zu den Nutznießern der Enteignung des Klosters Mor Gabriel gehört? Ist das keine Gewalt, wenn im Irak oder anderswo christliche Frauen gezwungen werden, sich zu verschleiern? Fragen Sie doch einmal einen Christen oder Animisten aus dem Südsudan oder Nigeria, was der Ihnen wohl zur „Scharia“ zu sagen hat. Da würden Sie schon etwas von Sklaverei und Völkermord hören.
In fast allen islamischen Ländern werden Christen zumindest diskriminiert, und die gegen-wärtigen Revolutionen wie in Ägypten, wo die Muslimbrüder wieder aus der Versenkung aufgetaucht sind, haben die Sache wohl leider nicht besser gemacht.
Und Sie wagen es, sich über eine Kundgebung für Verfolgte zu mokieren und die Bilder von Gefolterten zu verspotten! Gerade durch Leute wie Sie, die sich durch Ihr Verschweigen, Vertuschen und Verharmlosen im Grunde nicht anders verhalten, als sich die reaktionäre kaiserliche Propaganda im Ersten Weltkrieg gegenüber der Armenierfrage verhielt, werden die orientalischen Christen in die Isolation getrieben – und das gilt genauso für die säkularen Muslime und Exmuslime, die sich oft einsam aber tapfer in ihren Heimatländern oder bei uns der Scharia widersetzen.
Sie, Herr Stoodt, und Ihre Pamphlete sind mit dafür verantwortlich, sind ein Teil dieses Schweigens, das ich seit langen Jahren in allen politischen und weltan-schaulichen Lagern, vor allem im linksliberalen, erlebe, sobald die Situation der Christen im Orient zur Sprache kommt, und das teilweise (hoffentlich nicht bei Ihnen!) bis zur Leugnung des Genozids an den Armeniern und Aramäern reicht – so, als rieben sich Talaat Pascha und die anderen jungtürkischen Völkermörder in der Hölle fröhlich die Hände, weil sich endlich ihr Herzenswunsch erfüllt hat: „La question armenienne n’existe plus!“
Eine besonders absurde Form dieser Verharmlosung besteht darin, wie in Frankfurt bei Ihrer Gegendemo geschehen, sich ein Plakat mit dem Satz „Religionsfreiheit ist unteilbar“ um den Hals zu hängen, um damit von der konkreten Not verfolgter Christen abzulenken. Ja, wer bezweifelt denn, daß Religionsfreiheit unteilbar ist? Und wer will hier bei uns Vertreter einer verfolgten Religionen daran hindern, für ihre Rechte zu demonstrieren? Außer Ihnen und Ihrem Grüppchen doch wohl niemand!
Wenn Sie sich doch wenigstens mit dem Verschweigen und Verharmlosen begnügen würden! Aber Sie und Ihre linken Sektierer gehen ja noch weiter – anscheinend suchen Sie bei kommenden Veranstaltungen dieser Art die direkte Konfrontation. O Gott, Herr Pfarrer! Welche Demagogie! Welcher Haß! Wo stehen Sie eigentlich? Was haben Sie vor? Wollen Sie christliche MigrantInnen wirklich zusammenschreien? Wollen Sie Kreuze verbrennen, Plaka-te herunterreißen? Orientalische Bischöfe mit Eiern bewerfen? Möchten Sie sich tatsächlich auf eine Stufe mit dem krakeelenden Mob in Pakistan und Afghanistan oder mit den brüllenden Nachfahren der Jungtürken begeben, die unsere Gemeinde vor fast sechs Jahren niedergeschrieen haben?
Und Sie wollen christlicher Pfarrer sein? Schämen Sie sich!
Aber das ist wohl überhaupt Ihr Problem. Sie haben vergessen, daß Sie evangelischer Pfar-rer sind und Ihre Solidarität allen Leidenden, besonders aber den Mitchristen gilt. Das Evangelium Jesu Christi scheint Ihnen eine unbekannte Größe geworden zu sein. Statt dessen arbeiten Sie mit Gruppen zusammen, deren Gedankengut zum großen Teil auf dem atheisti-schen Marxismus beruht, in dessen kommunistischer Prägung Verbrecher wie Lenin, Trotzki, Stalin oder Mao-Tse-Tung Millionen Christen und andere Menschen ermordet oder in Lagern und Gefängnissen gequält haben. Insofern ist das Wort vom islamischen Kommunismus Ihnen und Ihren Genossen gegenüber durchaus nicht so verfehlt.
Im Gegensatz zu Ihnen haben die Organisationen und Personen, die sich der verfolgten Christen angenommen haben, wahrhaft christlich gehandelt. Sie, mein Herr, sollten sich überhaupt an Frau Steinbach ein Beispiel nehmen, die sich immer wieder für Verfolgte und Diskriminierte einsetzt und im Gegensatz zu Ihnen und Ihrem eines Pfarrers unwürdigen Revoluzzergehabe noch weiß, was christliche Nächstenliebe ist. Ihnen kann ich nur dringend empfehlen, zu sich selbst ehrlich zu sein und sich zu entscheiden, ob Sie gemäß Ihrem Ordinationsgelübde als evangelischer Pfarrer neu beginnen oder aber als politischer Agitator weitermachen wollen. Sollte ersteres der Fall sein, würde ich mich für Sie freuen. Im letzteren Falle sollten Sie die Konsequenzen ziehen und Kirchensteuermittel nicht länger zu Ihrer gut dotierten Alimentierung mißbrauchen.
Mit Lukas 15, 7 wünsche ich Ihnen die Gnade einer von Gott gesegneten Umkehr und Bekehrung!

Pfarrer Frank-Georg Gozdek

 

zur Kenntnis an:

Junge aramäische Union/ Kopten ohne Grenzen
Freie Wähler Frankfurt, von deren Existenz ich erst durch Sie erfahren habe“ 

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2 Kommentare:

Janchen hat gesagt…

Etwa 300 DemonstrantInnen einer Frankfurter Veranstaltung gegen "Christenverfolgungen in islamischen Ländern“ setzten sich am heutigen 12. März mit knapp einstündiger Verspätung vom Frankfurter Hauptbahnhof aus in Bewegung. Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe: PI-Ortsgruppen aus München, Stuttgart und Frankfurt, Grüppchen der „Bürgerbewegung Pax Europa“, fundamentalistische Christen aus verschiedenen Städten, Anhänger der Frankfurter „Freien Wähler“ und Gruppen der Jungen Aramäischen Union und der Kopten – Gruppierungen, die ansonsten wenig miteinander zu tun haben dürften.

In einem Punkt aber waren sie sich einig: in ihrem Haß auf den Islam, dem sie unterwegs, in Diskussionsbeiträgen am Rand der Veranstaltung, in Sprechchören und Reden während der Abschlußkundgebung an der Hauptwache freien Lauf ließen. „Scharia ist Völkermord“ wurde rosenkranzartig-monoton wieder und wieder skandiert, gruselige Fotos mit Kruzifixen und gefolterten Menschen wurden geschwenkt, die an Bilder eines fehlgeschlagenen Exorzismus erinnerten, Transparente mit Bibelversen und zahlreiche zum Teil sehr seltsam ausgestaltete Kreuze mitgeführt. Eine Demonstration dieser bizarren Art dürfte bisher eine Seltenheit in Frankfurt gewesen sein – ein Treffen von antiislamischen Rassisten, Rechtspopulisten und reaktionären religiösen Fanatikern.

Auf der Hauptwache war die Demonstration inzwischen auf ca. 700 Personen angewachsen. Während der Abschlußkundgebung wurden diverse Grußworte verlesen, so zum Beispiel, um den politischen Standort der Aktion eindeutig zu machen, eines von Erika Steinbach (CDU, Bund der Vertriebenen), sowie von verschiedenen religiösen Führern orientalischer Kirchen in Deutschland, die die Verfolgung und Diskriminierung ihrer Kirchen in ihren jeweiligen Heimatländern anprangerten.

In der Organisationsleitung wirkten mit Müller und Hübner zwei Herren der Freien Wähler Frankfurt, denen für ihre Unterstützung auch herzlicher Dank gesagt wurde. Angehörige anderer politischer Parteien wurden weder erwähnt noch kamen sie zu Wort – am Rande der Kundgebung demonstrierte aber auch ein Wahlkampfstand der CDU/Jungen Union Präsenz, von denen einige Aktivisten zumindest in Diskussionen am Rande deutlich Partei für die Kundgebung und deren seltsames politisches Spektrum ergriffen.

Die etwa fünfzig anwesenden AntifaschistInnen aus verschiedenen Gruppen (Jusos, Grüne, LINKE, Antifa, ANK) demonstrierten mit Spruchbändern, Plakaten und Flugblättern während des Auftakts, der Demonstration und der Abschlußkundgebung für die Unteilbarkeit des demokratischen Grundrechts auf negative und positive Religionsfreiheit überall sowie gegen Rassismus.

Der Hass, der uns dabei von Einzelnen entgegenschlug, kann nur als pathologisch eingeordnet werden: offenbar ist das oben skizzierte Sammelbecken auch ein Ort für Sonderlinge aller Art. So wurden wir z.B. immer wieder geradezu geifernd als „islamische Kommunisten“ bezeichnet - was auch immer das sei: der Vorwurf des „jüdischen Bolschewismus“ ist da nicht weit. Martin Hohmann läßt grüßen.

Janchen hat gesagt…

Wir hatten im Vorfeld entschieden, mit dieser Veranstaltung keine direkte Konfrontation zu suchen, um die anwesenden MigrantInnenorganisationen nicht noch weiter in die Arme der Rechen zu treiben.

Es ist die Frage, ob dieses Herangehen nicht ein Fehler war: die Gruppierungen von Armeniern und Kopten machten durchaus den Eindruck, zu wissen, mit wem sie da demonstrierten. Offenbar wollen sie sich im Spektrum der deutschen Gesellschaft ganz bewußt am äußeren rechten Rand verorten – dementsprechend sollten sie dann auch von uns eingeordnet werden. Im Fall der Jungen Aramäischen Union (JAU) ist das ganz deutlich zu sehen: ein Schreiben an die Adresse von Antifa und ANK, mit dem sich diese Gruppe einige Tage vor der Demonstration dafür entschuldigt hatte, AntifaschistInnen mit NS-Antisemiten verglichen zu haben, war einen Tag vor der Demo plötzlich von der Homepage verschwunden, ist allerdings in einem Posting der ANK für die Nachwelt dokumentiert.

Der dort Unterzeichnende tat sich heute am Mikrofon als besonders lautstarker "Islamkritiker“ hervor. (PK)

Am kommenden Donnerstag, 17.3.: Abschlußveranstaltung der „Freien Wähler“ im Südbahnhof. Treffpunkt für AntifaschistInnen: vor dem Südbahnhof, 18:30 Uhr

Hans Christoph Stoodt ist evangelischer Pfarrer und engagiert in der Anti-Nazi-Koordination Frankfurt am Main.