Freitag, 15. April 2011

Integration - Das unsägliche Manifest der beleidigten Muslime

Das "Manifest der Vielen": Keine konkreten Beispiele, keine konstruktiven Vorschläge
Wie schwer haben es Muslime in Deutschland? Werden sie wirklich diskriminiert und ausgegrenzt? Das behaupten jedenfalls die Autoren eines neuen Buches.

Mitten in Deutschland wird gegen Muslime gehetzt, dazu aufgerufen, sie zu verfolgen, zu berauben und zu töten? In dieser Stimmungslage beginnt das Geleitwort zu einem Buch, das sich das "Manifest der Vielen“ nennt und dessen Verfasser nicht erst seit Thilo Sarrazins Bestseller ausgemacht haben wollen: Sie sind in diesem Land permanenter Diskriminierung ausgesetzt.

Der "Spiegel“ soll dabei durch den Vorabdruck einiger Passagen aus Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab“ "das Signal zum Generalangriff auf den Islam (gegeben haben)“, auf das "ein Dauerfeuer (folgte) …, bei dem sich alle, die geglaubt hatten, Deutschland sei seit 1945 von Chauvinismus, Rassismus und stumpfer Propagandahörigkeit geheilt, nur noch staunend die Augen rieben“. 

Das schreibt der Autor Christoph Peters auf den ersten Seiten, denen dann die Beiträge der im Titel genannten "Vielen“ folgen. Diese sogenannten Vielen sind 29 Autoren, unter ihnen muslimische Verbandsvertreter, Journalisten, Schauspieler, Schriftsteller, Wissenschaftler und einige weniger bekannte Namen des Multikulti-Debattier-Betriebes, die unter Aufsicht der Journalistin, Autorin und Bio-Bäuerin Hilal Sezgin ihre wütenden Gedanken zur aktuellen Migrationsdebatte in Deutschland zu Papier gebracht haben.

Was sie verbindet: Sie fühlen sich mit ihrer Zuwanderungsgeschichte im Gepäck in Deutschland von Politik, Medien und Menschen diskriminiert, und das nicht erst seit Sarrazin. Nach besagter Einleitung, die nicht davor zurückschreckt, die aktuelle Islam- und Migrationsdebatte mit der mörderischen Propaganda der Nationalsozialisten zu vergleichen, erwartet man auf den folgenden Seiten, dass Diskriminierungsbeispiele folgen. 

Doch dann beschwert sich die Autorin Ferdos Forudastan eher über die ständigen Verallgemeinerungen und Vereinfachungen, denen muslimische Mitbürger in den deutschen Medien ausgesetzt seien. Die aus einem iranisch-deutschen Elternhaus stammende Journalistin kann eine Vita vorweisen, die sich nicht gerade wie die Biografie einer Ausgegrenzten und Entrechteten liest.

Schuld ist allein die Integrationspolitik

Ferdos Forudastan will denn auch für die Kurdin Fatma sprechen, die vor elf Jahren nach Deutschland floh und die Sprache dieses Landes noch immer kaum beherrscht. Schuld daran sei natürlich die falsche deutsche Integrationspolitik – was sonst? 

In ihrem zehn Seiten umfassenden Appell fordert Forudastan die Deutschen auf, doch bitte auf die lästigen kulturellen und religiösen Unterschiede bei der Betrachtung der Einwanderer zu verzichten, denn das Elend in den Parallelgesellschaften sei einzig ein soziales. "Fatma braucht einen möglichst kostenlosen Sprach- und Integrationskurs, der für sie gut erreichbar ist.“ 

Und schwuppdiwupp wäre Fatma eine selbstbestimmte Frau? Gäbe es da nicht noch all die anderen Fatmas, die von Eltern, Männern oder Brüdern gezwungen werden, Kopftuch zu tragen. "Das darf Deutschland nicht hinnehmen.“ 

Was denn genau Deutschland dagegen tun solle, bleibt ungenannt. Vielleicht einen kostenlosen Kurs in Grundrechten, speziell zum Thema Gleichberechtigung in der Muttersprache des jeweiligen Unterdrückers und am besten gleich zu Hause, damit es auch nicht zu anstrengend wird, wenn man so ganz ohne Deutschkenntnisse die Wohnung verlassen muss?

Beispiele bleibt sie uns schuldig

Wir kennen sie, die Fereshta Ludins dieser Welt, jene Hauptschullehrerin, die unter keinen Umständen auf ihr Kopftuch verzichten wollte und sich stattdessen erfolglos durch alle Instanzen kämpfte, um am Ende verhüllt an einer privaten Schule zu unterrichten. Auch sie ist eine der "Vielen“ in diesem Buch und beschwert sich über die ungerechte Behandlung ihrer Religion in den Medien, denen sie Verleumdung vorwirft. 

Beispiele bleibt sie uns schuldig. Macht aber auch nichts, denn da springt ihr Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland, zur Seite und erinnert an die unzumutbare Provokation, die viele Muslime in Deutschland durch die Verleihung des Potsdamer Medienpreises an den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard empfunden hätten. 

"Der Prophet Muhammed … mit einer Bombe auf dem Kopf … was eher als offene Beleidigung, denn als Ausdruck der Meinungsfreiheit zu sehen ist.“ Stimmt, vermutlich hätte der Prophet weitaus mehr Intelligenz bewiesen und seine Bombe besser versteckt, so, wie es einige seiner Anhänger heute noch erfolgreich tun. Und überhaupt, was wagt ihr Ungläubigen es, ständig über den Islam zu debattieren?

Bei manch einem dieser "Vielen“ ist die Erregung so groß, dass sie sogar Auswanderungsgedanken plagen, wie bei der Schriftstellerin und Journalistin Hatice Akyün. Akyün hat ihre Karriere in Deutschland neben ihrer Tätigkeit als Society-Reporterin vor allem ihren ständigen Diskriminierungserfahrungen zu verdanken, die sie gern immer und überall, mündlich wie auch schriftlich, vermarktet.

Die Sache mit der Pressefreiheit

"Der Islam gehört zu Deutschland.“ Mit diesen fünf Worten hat unser Bundespräsident die Massenauswanderung der beleidigten "Vielen“ in den sicheren Hafen des Bosporus noch rechtzeitig gestoppt. 

Wenn wir dieses "Manifest der Vielen“ ernst nehmen wollen, so müssen wir uns fragen, wo können wir diesen Menschen helfen? Wie können wir es schaffen, dass sie sich als Muslime nicht mehr ausgegrenzt fühlen? Hierzu gibt uns Christoph Peters in seinem Geleitwort den eigentlich Wink mit dem Zaunpfahl, denn all diese schrecklichen Dinge geschähen "im Namen der geschützten Meinungsfreiheit“. 

Er ist entsetzt darüber, "wie viel veröffentlichte Boshaftigkeit und Diskriminierung durch die Pressefreiheit geschützt wird“. Ja, es ist schon so eine Sache mit der Meinungs- und Pressefreiheit, manch einer hasst sie wie die Pest, während andere es in Kauf nehmen, für sie zu sterben.

Und genau Letzteren ist zu verdanken, dass in diesem Buch so hanebüchene Vergleiche wie jener zwischen Judenverfolgung und Islamkritik gezogen werden dürfen. Das hält Deutschland aus. 

Die Autorin ist Journalistin und Filmemacherin. Von ihr erschienen "Arabboy“ und "Arabqueen“. Ihren jüngsten Fernsehfilm machte sie über die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig, die durch Selbstmord aus dem Leben schied. 

 


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