In den meisten Kulturen, so Aron, hätten Highly Sensitive Persons ihren angestammten Platz, sie seien die eine von zwei Führungs-Klassen. In alten Zeiten seien sie Priester oder sogar königliche Berater gewesen, während die anderen sich als Herrscher und Krieger hervortaten. Heute aber, so Aron , „erobern in den westlichen Kulturen die Nichtsensiblen immer mehr Terrain. Sie verdrängen uns." So seien bis vor wenigen Jahren noch Berufe wie Arzt, Richter und Lehrer vorwiegend von Highly Sensitive Persons besetzt gewesen. „Jetzt aber werden wir überall an den Rand gedrängt." Eines der letzten Refugien sei der Therapeuten-Beruf; in der forschenden Psychologie hätten sich die „Krieger" schon lange durchgesetzt.
Für das Verdrängen der Highly Sensitive Persons bezahle jede Gesellschaft einen hohen Preis. „Die Krieger und Herrscher brauchen uns, damit wir sie vor ihren oftmals zu impulsiven Entscheidungen schützen." Nicht umsonst besäßen alle modernen Staaten neben den Herrrschafts-Organen auch Instanzen wie die Verfassungsgerichte, in denen vorwiegend Highly Sensitive Persons einen Ausgleich zur nackten Macht schaffen. „Noch ist das so," sagt Aron, „aber auch das ändert sich."
Ebenso wie die berufliche Position der Highly Sensitive Persons hängt auch ihr gesellschaftlicher Rang von der jeweiligen Kultur ab. Aron zitiert gerne eine kanadische Studie, die Schulkinder in Kanada mit solchen in China vergleicht. In China wird demnach den Hochsensiblen von den Mitschülern höchste Achtung entgegen gebracht, während sie in Kanada ganz unten in der Hierarchie der Schulklasse stehen.
Wie sehr der Umgang mit der „High Sensitivity" im Sinne Arons kulturell bestimmt ist, zeigt sich schon bei dem Versuch, den Begriff ins Deutsche zu übersetzen. Im Englischen ist er weder positiv noch negativ belegt, ein gängiger Ausdruck auch in der Umgangssprache. Im Deutschen aber verbindet man mit „Hoher Sensibilität" eher die Vorstellung, ein Mensch sei wenig lebenstüchtig, ein „Sensibelchen" eben, seinen Gefühlen ausgeliefert. „Seien Sie doch nicht so sensibel", muss hören, wer sich über einen rauen Umgangston beschwert. Daran ändert auch nichts, dass - nach einer Umfrage des Inra-Instituts - 44 Prozent der deutschen Frauen den „sensiblen Typ" von Mann lieben, aber damit ist wohl doch etwas anderes gemeint. Eher positiv besetzt scheint der Begriff „Empfindsamkeit", doch klingt ein Hang zum Versagen mit. Die deutsche Sprache bietet der „Highly Sensitive Person" keine Heimat. Da kann „Hochsensibilität" oder „Empfindlichkeit" nur ein Notbehelf sein. Die Epoche der Romantik idealisierte zwar die Sensibilität, doch das liegt mehr als anderthalb Jahrhunderte zurück.
Die Studentin Margit Boeckle betrachtet Deutschland als ein besonders schwieriges Land für die Empfindsamen. „Alles ist sehr kopfbezogen, das Denken stets wichtiger als das Fühlen. Das war schon in der Schule ganz schlimm." Margit Boeckle verließ die süddeutsche Kleinstadt, in der sie aufgewachsen ist und ging nach San Francisco. Dort traf sie auf Elaine Aron und begann eine Therapie bei ihr. „Mein Selbstbewusstsein ist enorm gewachsen durch das Erkennen meiner Hochsensibilität", sagt Boeckle. Ich hatte immer nur die negativen Seiten in mir gesehen. Zu schüchtern, zu ruhig, das wurde mir alles als schlecht ausgelegt. Du wirst dich niemals durchsetzen in dieser Welt." Heute studiert die 32-jährige Boeckle erfolgreich Fotografie in England. „Auch hier wird mir manchmal gesagt, ich sei zu schwach, ich ginge nicht genug aus mir heraus. Ich kann mich aber jetzt wehren, denn ich weiß: Nicht alle, die nicht immerzu aus sich heraus gehen, sind deshalb blöd."
Weniger radikal, aber doch nachhaltig von Elaine Aron beeinflusst sieht sich die Hamburger Ärztin und Sängerin Gabriele Jonté. Vor zwei Jahren war sie in den USA auf das Buch gestoßen. Zu Brüchen in ihrem Leben kam es dadurch nicht, wohl aber zu einigen Neubewertungen: „Manches, aber gewiss nicht alles trifft auf mich zu. Ich finde es sehr beruhigend, dass dem Pathologisieren der Hochsensibilität ein Riegel vorgeschoben wird." Vieles aus dem Buch sei zwar „nicht meine Welt". Sowohl im Beruf als auch im Umgang mit ihren Kindern jedoch fand Jonté mehr Sicherheit: „Ich verstehe jetzt, warum es für mich so wichtig ist, mich gelegentlich zurück zu ziehen, aber auch, warum es so schwierig ist, dieses Bedürfnis manchen anderen Menschen verständlich zu machen."
Reize wahrnehmen zu können, die an anderen Menschen vorüber gehen, kann eine enorme Bereicherung sein. Diese Fähigkeit bildet eine Basis für Intuition, Kreativität, viele gute Ideen und einfühlsame Kommunikation. „HSPs verarbeiten stets mehr Informationen als andere Menschen," sagt Aron. Das aber habe auch seine Kehrseiten. „Um sechs Uhr Abends, wenn ich den ganzen Tag unterwegs gewesen bin, dann werde ich müde, dann brauche ich meine Ruhe. Andere Menschen können dann weiter machen. Ich aber brauche die Ruhe, weil mein Gehirn viel mehr verarbeitet hat."
Highly Sensitive Persons geraten Aron zufolge leicht in Krisensituationen, wenn Eindrücke sie überwältigen. Der Grund: Ebenso, wie sie unterschwellige Reize wahrnehmen, kommt es auch früher zu Überreizungen. „Wir wissen aus der Psychologie, dass der Mensch im Zustand optimaler Reizung am leistungsfähigsten ist," erklärt Aron. Das gelte für Highly Sensitive Persons wie für jeden anderen Menschen auch. „Wer sich von Reizen überwältigt fühlt, erlebt Irritation, wird leicht fahrig und unsicher, macht Fehler." Der Bereich optimaler Funktionsfähigkeit, die Spanne zwischen Unter- und Überreizung, läge bei Highly Sensitive Persons insgesamt niedriger als bei anderen. Wo andere Menschen drei Tassen Kaffee gut vertrügen, fühlten sich manche HSPs bereits mit einer Tasse ausreichend stimuliert. Sie selbst, so Aron, sei schon mit Kräutertee völlig zufrieden.
Die temperamentsbedingte Disposition der High Sensitivity beschränkt sich Aron zufolge keineswegs auf das Gehirn. Bei Betroffenen hat sie 30 Prozent mehr Allergien gemessen, sowie aktivere Immunsysteme und eine erhöhte Empfindlichkeit auf Wärme- und Kältereize. „Wir haben es also mit einer physiologisch breit angelegten Reaktivität zu tun."
In ihrem Buch betrachtet Aron unterschiedliche Lebensbereiche im Lichte der „High Sensitivity". Sie beschreibt, wie Highly Sensitive Persons im Liebesleben durchaus mit weniger sensiblen Partnern harmonieren - und erzählt aus ihrer Ehe: „Mein Mann kommt in die Küche und fragt, wo ich das neue Bild an der Wand gekauft hätte. Dabei hängt es dort schon seit zwei Jahren. Das würde einer Highly Sensitive Person niemals passieren." Gleichzeitig aber wüsste sie es zu schätzen, wie ihr Partner so mühelos in die Welt hinaus geht, neues entdeckt und dabei auch für sie Terrain erschließt. Und der Sex sei für HSPs ohnehin ganz anders - viel tiefer, mystischer. „Wir brauchen auch nicht so viel Abwechslung, wollen es eigentlich immer gleich, weil wir auf den zusätzlichen Reiz des Neuen gerne verzichten."
Für das Verdrängen der Highly Sensitive Persons bezahle jede Gesellschaft einen hohen Preis. „Die Krieger und Herrscher brauchen uns, damit wir sie vor ihren oftmals zu impulsiven Entscheidungen schützen." Nicht umsonst besäßen alle modernen Staaten neben den Herrrschafts-Organen auch Instanzen wie die Verfassungsgerichte, in denen vorwiegend Highly Sensitive Persons einen Ausgleich zur nackten Macht schaffen. „Noch ist das so," sagt Aron, „aber auch das ändert sich."
Ebenso wie die berufliche Position der Highly Sensitive Persons hängt auch ihr gesellschaftlicher Rang von der jeweiligen Kultur ab. Aron zitiert gerne eine kanadische Studie, die Schulkinder in Kanada mit solchen in China vergleicht. In China wird demnach den Hochsensiblen von den Mitschülern höchste Achtung entgegen gebracht, während sie in Kanada ganz unten in der Hierarchie der Schulklasse stehen.
Wie sehr der Umgang mit der „High Sensitivity" im Sinne Arons kulturell bestimmt ist, zeigt sich schon bei dem Versuch, den Begriff ins Deutsche zu übersetzen. Im Englischen ist er weder positiv noch negativ belegt, ein gängiger Ausdruck auch in der Umgangssprache. Im Deutschen aber verbindet man mit „Hoher Sensibilität" eher die Vorstellung, ein Mensch sei wenig lebenstüchtig, ein „Sensibelchen" eben, seinen Gefühlen ausgeliefert. „Seien Sie doch nicht so sensibel", muss hören, wer sich über einen rauen Umgangston beschwert. Daran ändert auch nichts, dass - nach einer Umfrage des Inra-Instituts - 44 Prozent der deutschen Frauen den „sensiblen Typ" von Mann lieben, aber damit ist wohl doch etwas anderes gemeint. Eher positiv besetzt scheint der Begriff „Empfindsamkeit", doch klingt ein Hang zum Versagen mit. Die deutsche Sprache bietet der „Highly Sensitive Person" keine Heimat. Da kann „Hochsensibilität" oder „Empfindlichkeit" nur ein Notbehelf sein. Die Epoche der Romantik idealisierte zwar die Sensibilität, doch das liegt mehr als anderthalb Jahrhunderte zurück.
Die Studentin Margit Boeckle betrachtet Deutschland als ein besonders schwieriges Land für die Empfindsamen. „Alles ist sehr kopfbezogen, das Denken stets wichtiger als das Fühlen. Das war schon in der Schule ganz schlimm." Margit Boeckle verließ die süddeutsche Kleinstadt, in der sie aufgewachsen ist und ging nach San Francisco. Dort traf sie auf Elaine Aron und begann eine Therapie bei ihr. „Mein Selbstbewusstsein ist enorm gewachsen durch das Erkennen meiner Hochsensibilität", sagt Boeckle. Ich hatte immer nur die negativen Seiten in mir gesehen. Zu schüchtern, zu ruhig, das wurde mir alles als schlecht ausgelegt. Du wirst dich niemals durchsetzen in dieser Welt." Heute studiert die 32-jährige Boeckle erfolgreich Fotografie in England. „Auch hier wird mir manchmal gesagt, ich sei zu schwach, ich ginge nicht genug aus mir heraus. Ich kann mich aber jetzt wehren, denn ich weiß: Nicht alle, die nicht immerzu aus sich heraus gehen, sind deshalb blöd."
Weniger radikal, aber doch nachhaltig von Elaine Aron beeinflusst sieht sich die Hamburger Ärztin und Sängerin Gabriele Jonté. Vor zwei Jahren war sie in den USA auf das Buch gestoßen. Zu Brüchen in ihrem Leben kam es dadurch nicht, wohl aber zu einigen Neubewertungen: „Manches, aber gewiss nicht alles trifft auf mich zu. Ich finde es sehr beruhigend, dass dem Pathologisieren der Hochsensibilität ein Riegel vorgeschoben wird." Vieles aus dem Buch sei zwar „nicht meine Welt". Sowohl im Beruf als auch im Umgang mit ihren Kindern jedoch fand Jonté mehr Sicherheit: „Ich verstehe jetzt, warum es für mich so wichtig ist, mich gelegentlich zurück zu ziehen, aber auch, warum es so schwierig ist, dieses Bedürfnis manchen anderen Menschen verständlich zu machen."
Reize wahrnehmen zu können, die an anderen Menschen vorüber gehen, kann eine enorme Bereicherung sein. Diese Fähigkeit bildet eine Basis für Intuition, Kreativität, viele gute Ideen und einfühlsame Kommunikation. „HSPs verarbeiten stets mehr Informationen als andere Menschen," sagt Aron. Das aber habe auch seine Kehrseiten. „Um sechs Uhr Abends, wenn ich den ganzen Tag unterwegs gewesen bin, dann werde ich müde, dann brauche ich meine Ruhe. Andere Menschen können dann weiter machen. Ich aber brauche die Ruhe, weil mein Gehirn viel mehr verarbeitet hat."
Highly Sensitive Persons geraten Aron zufolge leicht in Krisensituationen, wenn Eindrücke sie überwältigen. Der Grund: Ebenso, wie sie unterschwellige Reize wahrnehmen, kommt es auch früher zu Überreizungen. „Wir wissen aus der Psychologie, dass der Mensch im Zustand optimaler Reizung am leistungsfähigsten ist," erklärt Aron. Das gelte für Highly Sensitive Persons wie für jeden anderen Menschen auch. „Wer sich von Reizen überwältigt fühlt, erlebt Irritation, wird leicht fahrig und unsicher, macht Fehler." Der Bereich optimaler Funktionsfähigkeit, die Spanne zwischen Unter- und Überreizung, läge bei Highly Sensitive Persons insgesamt niedriger als bei anderen. Wo andere Menschen drei Tassen Kaffee gut vertrügen, fühlten sich manche HSPs bereits mit einer Tasse ausreichend stimuliert. Sie selbst, so Aron, sei schon mit Kräutertee völlig zufrieden.
Die temperamentsbedingte Disposition der High Sensitivity beschränkt sich Aron zufolge keineswegs auf das Gehirn. Bei Betroffenen hat sie 30 Prozent mehr Allergien gemessen, sowie aktivere Immunsysteme und eine erhöhte Empfindlichkeit auf Wärme- und Kältereize. „Wir haben es also mit einer physiologisch breit angelegten Reaktivität zu tun."
In ihrem Buch betrachtet Aron unterschiedliche Lebensbereiche im Lichte der „High Sensitivity". Sie beschreibt, wie Highly Sensitive Persons im Liebesleben durchaus mit weniger sensiblen Partnern harmonieren - und erzählt aus ihrer Ehe: „Mein Mann kommt in die Küche und fragt, wo ich das neue Bild an der Wand gekauft hätte. Dabei hängt es dort schon seit zwei Jahren. Das würde einer Highly Sensitive Person niemals passieren." Gleichzeitig aber wüsste sie es zu schätzen, wie ihr Partner so mühelos in die Welt hinaus geht, neues entdeckt und dabei auch für sie Terrain erschließt. Und der Sex sei für HSPs ohnehin ganz anders - viel tiefer, mystischer. „Wir brauchen auch nicht so viel Abwechslung, wollen es eigentlich immer gleich, weil wir auf den zusätzlichen Reiz des Neuen gerne verzichten."
.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen