Samstag, 23. Februar 2013

Zum Purimfest: Ein Volk, zerstreut und abgesondert


In diesen Tagen denkt das jüdische Volk an Ereignisse, die im biblischen Buch Esther beschrieben werden. Es ist eine Geschichte voll überraschender Wendungen. In Erinnerung daran feiern Juden das Purimfest. Es beginnt am Abend des 23. Februar.

Viele Volksmärchen scheinen ihre Ideen aus der Bibel gewonnen zu haben. Esther, ein Waisenkind, wird zur Königin, nachdem ihre Vorgängerin, die wunderschöne Vasthi, durch Ungehorsam in Ungnade gefallen war. Alle Jungfrauen des Reiches werden gesammelt, um dem mächtigen König Ahasveros zur Wahl zu stehen. Esther ist ein biblisches „Aschenputtel“, wobei es in diesem Fall zum jüdischen Volk gehört. Das aber war am Hof des persischen Königs Ahasveros, der „vom Indus bis zum Nil über hundertundsiebenundzwanzig Länder“ herrschte, nicht bekannt. Anscheinend hatte niemand die Jungfrauen nach ihrer Nationalität gefragt.

Auch eine Verschwörung fehlt in dieser Geschichte nicht. Mordechai, der Onkel und Pflegevater der hübschen Esther, erfährt vom hinterhältigen Plan zweier Diener, den König umzubringen, und lässt das durch seine Nichte, die Königin, den Ahasveros wissen. Die potenziellen Attentäter werden gehängt und alles „wurde aufgezeichnet im Buch der täglichen Meldungen für den König“. Bald danach bekommt der Fürst Haman eine sehr hohe Stellung. „Alle beugten die Knie und fielen vor Haman nieder; denn der König hatte es so geboten. Aber Mordechai beugte die Knie nicht und fiel nicht nieder.“ Mordechais Begründung war einfach: „Ich bin ein Jude!“ Er wusste, vor wem er seine Knie zu beugen hatte.

Von da an stehen Haman und Mordechai als Kontrahenten einander gegenüber. Haman wird als „Agagiter“ identifiziert. Er gehört zum judenfeindlichen Volk der Amalekiter. Mordechai ist nicht nur Jude, sondern gehört auch zum Stamm Benjamin und ist mit König Saul verwandt. Haman ist durch das Verhalten Mordechais furchtbar gekränkt. Sein Grimm ist groß: „Es war ihm zu wenig, dass er nur an Mordechai die Hand legen sollte, sondern er trachtete danach, das Volk Mordechais, alle Juden, die im ganzen Königreich Ahasveros waren, zu vertilgen.“ Haman redet mit dem König und erklärt: „Es gibt ein Volk, zerstreut und abgesondert unter allen Völkern in allen Ländern deines Königreichs, und ihr Gesetz ist anders als das aller Völker…“ Er bittet um die Erlaubnis, dieses Volk zu vertilgen und um das dazu nötige Geld. Beides bekommt Haman und handelt danach schnell. Es werden Schreiben in alle Länder gesandt: „man solle vertilgen, töten und umbringen alle Juden, jung und alt, Kinder und Frauen, auf einen Tag, nämlich am dreizehnten Tag des zwölften Monats, das ist der Monat Adar, und ihr Hab und Gut plündern“.
 
Mordechai bittet Esther, beim König ein Wort für die Juden einzulegen. Doch der jungen Königin droht die Todesstrafe, sollte sie ungerufen vor den König treten. Mordechai lässt sie wissen: „Denke nicht, dass du dein Leben errettest, weil du im Palast des Königs bist, du allein von allen Juden. Denn wenn du zu dieser Zeit schweigen wirst, so wird eine Hilfe und Errettung von einem anderen Ort her den Juden erstehen, du aber und deines Vaters Haus, ihr werdet umkommen. Und wer weiß, ob du nicht gerade um dieser Zeit willen zur königlichen Würde gekommen bist?“ Esther versteht und hört auf ihren Onkel. Sie fordert ihr Volk auf, drei Tage lang zu fasten. Fasten und Beten sind die biblische Antwort auf drohende Katastrophen.

Nach drei Tagen fasst Esther den Mut und tritt vor den König. Der ist von ihrer Erscheinung überwältigt, will ihr jeden Wunsch erfüllen, bis zur Hälfte seines Königreiches. Doch Esther hat nur einen Wunsch: Der König möge gemeinsam mit Haman zu einem Festmahl kommen. Obwohl Haman eine hohe Stellung innehat, reich ist, viele Söhne, eine Frau und Freunde hat, die ihn unterstützen, ist er doch nicht zufrieden. Der Hass auf Mordechai und das jüdische Volk treibt ihn. Deshalb lässt er einen hohen Galgen errichten, an dem er Mordechai am Tag darauf aufhängen lassen will.

Mordechai wird geehrt
 
Ausgerechnet in der darauf folgenden Nacht kann der König nicht schlafen. Er lässt sich die Chroniken bringen und liest darin, wie ihn Mordechai vor der Verschwörung seiner Diener gewarnt hatte. Dafür will er Mordechai belohnen. Er lässt Haman rufen und fragt ihn: „Was soll man dem Mann tun, den der König gern ehren will?“ Haman geht davon aus, dass er selbst der Mann ist, den der König ehren will, fühlt sich geschmeichelt und schlägt vor, diesen Mann in königlichen Kleidern auf dem königlichen Ross durch einen Fürsten in der Stadt herum zu führen und vor ihm ausrufen lassen: „So tut man dem Mann, den der König gern ehren will.“ Dem König gefällt die Idee. Er beauftragt Haman, genau das mit Mordechai zu tun.

Als der König und sein Großwesir Haman dann zum zweiten Mal bei der Königin speisen, will Ahasveros ihr wieder einen Wunsch erfüllen. Esther bittet um ihr eigenes Leben und das Leben ihres Volkes, das Haman bedroht. Haman, der nicht wusste, dass seine Königin Jüdin ist, ist schockiert. Er fällt vor ihr nieder und bittet um Gnade. Doch König Ahasveros verurteilt ihn zum Tode: „So hängte man Haman an den Galgen, den er für Mordechai aufgerichtet hatte“. Danach verleiht der König durch Esther und Mordechai dem jüdischen Volk in allen Ländern das Recht auf Selbstverteidigung. Das löst große Freude und Erleichterung unter den Juden aus, „und viele aus den Völkern wurden Juden, denn die Furcht vor den Juden war über sie gekommen“.

Mordechai wird „groß am Hof des Königs“. Die Feinde der Juden werden getötet, darunter auch die zehn Söhne Hamans. Mordechai schreibt diese Geschichte auf und „sandte Schreiben an alle Juden… sie sollten als Feiertage den vierzehnten und fünfzehnten Tag des Monats Adar annehmen und jährlich halten, als die Tage, an denen die Juden zur Ruhe gekommen waren vor ihren Feinden, und als den Monat, in dem sich ihre Schmerzen in Freude und ihr Leid in Festtage verwandelt hatten… als Tage des Festmahls und der Freude und einer dem anderen Geschenke und den Armen Gaben schicke… Die Juden nahmen es an als Brauch für sich und für ihre Nachkommen und für alle, die sich zu ihnen halten würden.“


Juden feiern Errettung


Dieses Fest wird vom jüdischen Volk bis heute gehalten. Die Bezeichnung Purim kommt von dem „Pur“ (Los), das Haman geworfen hatte, um den passenden Tag für die Vernichtung des jüdischen Volkes zu finden. Das Los hatte er im Monat Nisan, nach der Bibel der erste Monat des Kalenders, geworfen. Es fiel auf den letzten Monat des Jahres. Am Ende des Jahres also, als das Unheil kommen sollte, kam entgegen aller Erwartung die Errettung. Das Buch Esther ist für Juden nach wie vor hoch aktuell. Immer wieder war im Laufe der Geschichte der Ruf „Tötet die Juden!“ zu hören. Nach wie vor warten und glauben viele Juden, dass die Errettung am Ende „des Jahres“ der Geschichte kommt.
 
Wie alle jüdischen Feste beginnt Purim am Vorabend des eigentlichen Festtages. Das Buch Esther wird vorgelesen. Am Tag vor Purim wird gefastet, um an das Fasten Esthers zu erinnern und ihrem Ruf zu folgen. Dieses Fasten wird „Ta‘anit Esther“ genannt. Sollte der Vorabend des Purimfestes auf einen Sabbat fallen – wie das in diesem Jahr der Fall ist –, wird Ta‘anit Esther auf den Donnerstag davor vorverlegt.

Es ist ein Brauch, sich an diesem Tag zu verkleiden, was vor allem Kindern – aber nicht nur ihnen – viel Spaß macht. Orthodoxe Juden erklären das Verkleiden: Gott selbst wird im ganzen Buch Esther nicht genannt. Er handelt hinter den Kulissen, unsichtbar, wie jemand, der eine Maske trägt. Das soll durch die Purimkostüme zum Ausdruck kommen, die heute oft nur wenig mit der biblischen Geschichte zu tun haben. Am ehesten ist es möglich, unter den vielen Spidermans, Schneewittchen, Käfern, scheußlichen Skeletten noch eine Königin Esther, das biblische Aschenputtel, zu finden.

Zum Vortrag des Buches Esther in der Synagoge kommen Kinder verkleidet. Sie bringen Rasseln und kleine Pistolen mit, um jedes Mal, wenn der Name „Haman“ fällt, einen ohrenbetäubenden Krach zu veranstalten. Eine andere Sitte aus dem Talmud ist, sich an Purim zu betrinken, bis man nicht mehr unterscheiden kann zwischen „Verflucht sei Haman“ und „Gesegnet sei Mordechai“. So kann man während des Purimfestes nicht nur verkleidete Menschen antreffen, sondern auch betrunkene orthodoxe Juden – was sonst praktisch nie vorkommt.


Die Schüler in Israel haben an Purim Ferien. Am letzen Schultag davor gehen sie verkleidet zur Schule und in den Kindergarten. Aus öffentlichen Lautsprechern tönen freudige Lieder. Man schenkt sich gegenseitig Körbchen mit Süßigkeiten, in denen auch „Hamans Ohren“, gefüllte Teigtaschen, nicht fehlen dürfen. Für die Armen werden in den Wochen vor Purim Lebensmittel gesammelt. Der 13. Adar fällt in diesem Jahr auf Samstag, den 23. Februar. Purim ist ein fröhliches Fest und es ist erstaunlich, wie sich das jüdische Volk allen Schwierigkeiten, Bedrohungen und tragischen Ereignissen zum Trotz immer wieder freuen kann.

Von: Krista Gerloff

Quelle: Israelnetz

 

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