Samstag, 4. Juli 2009

Eine dreifache Verpflichtung für ein christliches Europa


Von Msgr. Gergely Kovács, Büroleiter des Päpstlichen Rates für die Kultur, Auszug aus einer Rede anlässlich des Kongresses der Paneuropa Union am 2. Mai 2009 in Passau, Deutschland.


Auf den ersten Blick präsentiert sich Europa als ein Mosaik der Kulturen: Da gibt es die lateinischen, aber auch die germanischen und baltischen, die slawischen und keltischen Gebiete und gerade heutzutage dürfen wir nicht die starken, von außerhalb Europa kommenden Migrationsflüsse vergessen. Obwohl Europa fast nie eine staatsbürgerliche, politische oder historische Einheit bildete, besaß es doch im Grunde genommen jahrhundertelang eine eigene kulturelle und spirituelle Einheit. Zeugnisse für diese Pluralität finden wir auch, wenn wir an die Bedeutung der griechischen Philosophie oder die Auswirkung des römischen Rechts, aber auch an den Einfluss der liberalen Aufklärung oder der Arbeiterbewegung, das heißt an die Vernunft und den Kampf für die soziale Gerechtigkeit, denken. Das Christentum war zweifellos der goldene Knoten, der diese Vielfalt zusammenhielt. Der große Goethe fasste dies in seinem bekannten Satz: “Die Muttersprache Europas ist das Christentum” zusammen.

Die christliche Seele mag wohl oft verwundet oder von Ablagerungen bedeckt worden sein; sie ist aber nie erloschen. Und so möchte ich jetzt eine dreifache Verpflichtung vorbringen und einen dreifachen Aufruf an uns alle richten.


1. Vor allem müssen wir unbedingt – wenn es um unsere eigenen Wurzeln und die Grundwerte der wahren Identität Europas geht – GEGEN DIE VERGESSLICHKEIT ANKÄMPFEN, sonst werden die Kathedralen und ruhmreichen Denkmäler – wie es der deutsche Dichter Wilhelm Willms ausdrückte – “zu leeren Schneckenhäusern”, die von herzlosen, zerstreuten Touristenschwärmen, die ohne Leben, Gesänge, Stimme oder Glauben sind, durchlaufen werden. Diese edlen Zeichen unserer Kultur wären dann wie Muscheln, in denen das Meeresrauschen der Vergangenheit verstummt ist.


2. Zusammen mit diesem ersten Kampf, auf diesen folgend und mit diesem verbunden muss ein zweiter Kampf gegen Oberflächlichkeit, Banalität, Leere, Vulgarität und Hässlichkeit erfolgen. EINE RÜCKKEHR ZUR ETHIK UND SCHÖNHEIT, die jahrhundertelang als Fixsterne am Himmel der europäischen Zivilisation glänzten, muss gerade durch die christliche Botschaft – die Gerechtigkeit und Schönheit, Wahrheit und Liebe verkündet – erfolgen.

Oft wird der dänische Philosoph und Christ Soeren Kierkegaard zitiert, der Folgendes in sein Tagbuch schrieb: “Es ist, als ob das Schiff vom Bordkoch gesteuert wird, der über den Lautsprecher des Kommandanten nicht die Route bekannt gibt, sondern erzählt, was wir morgen essen werden”. Betrachten wir zum Beispiel mit kritischen Augen das Fernsehen, das heute nur mitteilt, was wir essen und wie wir uns kleiden sollen und welche Mode und Lebensarten es gerade gibt. Dagegen fehlt oft die Stimme, die die Richtung vorgibt, den Sinn des Lebens anspricht und uns zu Gut und Böse, Recht und Unrecht, zum Wahren und Unwahren, zu Leben und Tod befragt.



3. Schlussendlich möchte ich auf eine dritte Verpflichtung hinweisen, damit wir wieder zu echten Europäern werden können - der KAMPF GEGEN EXTREMISMUS JEDER ART. Einerseits besteht in der Tat die Gefahr eines Synkretismus, der zum Relativismus wird und unsere Identität auslöscht. Dostojewski bemerkte dazu bitter: „Europa hat Christus verleugnet; deshalb und nur deshalb liegt es im Sterben”. Andererseits gibt es die Gefahr des Fundamentalismus, der zum „Exklusivismus“ wird, der jeden Respekt auslöscht und alle positiven Werte der Mitmenschen ignoriert, weil man vor allem Angst hat, was anders ist.



Es ist daher unabdingbar, dass wir zur großen Tradition des Dialogs, der Gegenüberstellung von Kulturen und Religionen im Geiste eines wahren Christentums zurückfinden.


Thomas S. Eliot schreibt: „Wenn das Christentum verschwindet, verschwindet mit ihm unsere ganze Kultur, ja sogar unser Antlitz“.


Als Wunsch und Ermutigung für Euch alle, die Ihr euch in der Bildung des “neuen Europa” engagiert, möchte ich mit den Worten des Heiligen Vaters, Benedikt XVI., abschließen, der in der Audienz am Vorabend des fünfzigsten Jahrestags der Unterzeichnung der Römischen Verträge am 24. März 2007 in Rom von einer “einzigartigen Form der «Apostasie» [Europas] von sich selbst, noch bevor sie Apostasie von Gott ist” sprach und sagte: “Werdet nicht müde, und verliert nicht den Mut! (…). Seid auf europäischer Ebene aktiv präsent in der öffentlichen Debatte, dies im Bewusstsein, dass sie nun integrierender Teil der nationalen Debatte ist, und begleitet diesen Einsatz mit einem wirksamen kulturellen Handeln.“






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