Mittwoch, 26. Mai 2010

Die Pressefreiheit ist auch in Deutschland bedroht

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Journalisten sind auf Informationen von Informanten angewiesen. Diese zu schützen wird immer schwieriger, weil der Staat bei Telefonen mithören möchte und Redaktionen durchsucht.

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olbild: istockphoto



Pressefreiheit - Deutschland ist nicht Kolumbien, nicht China und nicht Kuba. In Deutschland werden Journalisten und Blogger, die die Regierung kritisieren, nicht eingesperrt und gefoltert.

Und doch schafft Deutschland es im aktuellen Ranking der Pressefreiheit der Organisation "Reporter ohne Grenzen" nur auf Rang 18. Denn so frei, wie die Presse sein sollte und sein könnte, ist sie in Deutschland nicht.

Von Henrik Schmitz

Abhörmaßnahmen, Durchsuchungen, fehlende Informationsfreiheit und ökonomischer Druck sind die Schlagworte, wenn es um Einschränkungen der Pressefreiheit geht. Eine Freiheit, die "konstituierend ist für die freiheitliche demokratische Grundordnung", wie zuletzt auch das Bundesverfassungsgericht in seinem "Cicero"-Urteil feststellte. "Eine freie Presse und ein freier Rundfunk sind daher von besonderer Bedeutung für den freiheitlichen Staat."


Abschreckung von Informanten

Umso trauriger, dass der Staat mit dem Hinweis einer angeblichen oder tatsächlichen Terrorgefahr Bürgerrechte immer weiter einschränkt und dabei auch Journalisten nicht von neuen Überwachungsmaßnahmen ausnimmt. Maßnahmen, die Informanten, die Angst vor Enttarnung haben, abschrecken können und somit möglicherweise verhindern, dass Journalisten Skandale und Missstände aufdecken können.

Ein Beispiel ist die zuletzt immerhin durch die Verfassungsrichter gekippte Vorratsdatenspeicherung, nach der Telekommunikationsunternehmen sechs Monate lang festhalten sollten, wer wann mit wem und zum Teil auch von wo aus in Kontakt stand. Derlei Daten hätten Begehrlichkeiten bei Ermittlern wecken können, denen letztlich ein ganzes Arsenal an Paragrafen zur Verfügung steht, mit denen Durchsuchungen auch bei Journalisten begründet werden können. Mehr als 180 Fälle von Durchsuchungen oder Beschlagnahmen hat der Deutsche Journalisten-Verband seit 1987 bei Journalisten gezählt.

1998 etwa wurden die Telefonverbindungsdaten einer Journalistin des "Stern" überprüft, weil diese in Kontakt mit einem ehemaligen Terroristen gestanden hatte, dessen Aufenthaltsort die Ermittler herausfinden wollten. Begründet wurde die Überprüfung mit dem Paragrafen 12 des Fernmeldeanlagengesetzes in Verbindung mit Paragraf 211 StGB (Mord), nachdem Daten bei "Gefahr im Verzug" herausgegeben werden dürfen.


Durchsuchungen bei Journalisten

Im September 2005 wiederum wurde die Redaktion des Magazins "Cicero" durchsucht, nachdem in einem Artikel aus geheimen Unterlagen zitiert worden war. Ziel der Ermittler war es wohl, eine undichte Stelle im Bundeskriminalamt ausfindig zu machen. Begründet wurde die Durchsuchung mit "Beihilfe zum Geheimnisverrat". Zwar bewertete das Verfassungsgericht diese Aktion später als verfassungswidrig, doch hatten die Ermittler ihr eigentliches Ziel, Informanten abzuschrecken, eigentlich schon mit der Durchsuchung selbst erreicht. Hier liegt eines der Grundprobleme: Zwar setzen die Verfassungsrichter den Ermittlern immer wieder Grenzen. Eingreifen können die Karlsruher Richter aber immer erst dann, wenn eine Durchsuchung bereits stattgefunden hat. Solche Durchsungen werden von Richtern unter Ebenen immer wieder genehmigt. Dass die Pressefreiheit ein hoher Gut ist, scheint sich bei ihnen noch nicht komplett herumgesprochen zu haben.

Auch das "Caroline-Urteil" des Europäischen Gerichtshofes, welches das Persönlichkeitsrecht von Prominenten doch recht weit ausdehnt, war keine Sternstunde für die Pressefreiheit. Der Aufschrei der Verleger war an dieser Stelle allerdings etwas schrill, die Bedeutung von Fotos von Caroline von Monaco beim Eisessen dürfte für die freiheitliche Grundordnung Deutschlands eher gering sein. Für die Pressefreiheit problematischer sind die ökonomischen Zwänge, denen Journalisten inzwischen ausgesetzt sind. Zwänge, die Verleger gern als "Flexibilität" bezeichnen.


Keine Zeit für Recherche

Für derlei Zwänge gibt es viele Beispiele. Die komplette Redaktion seiner "Münsterschen Zeitung" tauschte etwa der Verleger Lambert Lensing-Wolff aus. Seine neuen "Rasenden Reporter" berichten "online, on air und für Print" und werden nicht nach Tarif bezahlt. Pläne, die auch andere verwirklichen wollen. Der Journalist von morgen muss alles bedienen: Radio, Fernsehen, Internet und die Zeitung. Er wird zur "eierlegenden Wollmilchsau". Fehlt nur noch, dass er zusätzlich die Sanitäranlagen der Redaktion feudelt - für 20 Cent pro Kachel.

Für Recherche, die einer Untersuchung der Uni Leipzig zufolge ohnehin nur auf Rang fünf im Zeitbudget der Journalisten steht, bleibt so keine Zeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Heer der PR-Mitarbeiter, das inzwischen genauso groß ist wie das der Journalisten, mit seinen interessegeleiteten Nachrichten in die Medien kommt, wächst.

Der Sinn der Pressefreiheit besteht aber eben darin, dass die Medien eine Kontroll- und Wächterfunktion wahrnehmen. Die fällt aus, wenn nur noch Verlautbarungen publiziert werden und für Hintergründe die Zeit fehlt, weil immer weniger Journalisten immer mehr Plätze füllen müssen. Journalisten müssen sich allerdings auch an die eigene Nase fassen. Leidenschaft, Neugier und ein gewisser Mut sind für diesen Beruf nötig, Bequemlichkeit nicht. Wer investigativ arbeitet, investiert pro Tag vielleicht auch eine Stunde mehr als seine Kollegen.


Fehlende Informationsfreiheit

Helfen würde "neugierigen Journalisten" auch, wenn die Informationsfreiheitsrechte in Deutschland so ausgeprägt wären wie etwa in skandinavischen Ländern, die im Ranking der Pressefreiheit stets vordere Plätze einnehmen. Zwar gibt es seit 2006 ein bundesweites Informationsfreiheitsgesetz, das Bürgern und Journalisten Einsicht in Unterlagen von Behörden gestattet, doch ist das Gesetz in weiten Teilen wirkungslos. Der Gesetzgeber hat zu viele Ausnahmen festgelegt, in denen die Behörden Auskünfte doch verweigern dürfen. Von rund 1.500 Anfragen wurden 2008 denn auch 500 direkt abgelehnt.

Auch in den einzelnen Bundesländern sieht es kaum besser aus. Auch in den landesweiten Informationsfreiheitsgesetzen wimmelt es nur so von Ausnahmen, außer in Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Bremen, Saarland, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz fehlen Informationsfreiheitsgesetze sogar ganz.


Pressefreiheit schützen

Freilich: Insgesamt hat die Pressefreiheit in Deutschland ein hohes Niveau. Gerade im Internet schreien viele Nutzer auch schon dann Zensur, wenn es nicht um Zensur geht, sondern etwa darum, die Persönlichkeitsrechte anderer zu schützen, die ebenfalls ein hohe Verfassungsgut sind. Aber dennoch ist die Pressefreiheit in Deutschland von verschiedenen Seiten bedroht. Sie zu schützen ist Aufgabe nicht nur der Journalisten, sondern auch jedes einzelnen Bürgers.




Artikel 18

Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.




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