Samstag, 10. März 2012

Im Ehrensold alles inklusive

....

Auch ein interessanter Artikel zum Aufreger-Thema Wulff und Co.

BERLIN/MZ. Am 18. Juni 1959 - sieben Jahre vor Bildung der ersten Großen Koalition - kam im Deutschen Bundestag in Bonn für einen Augenblick eine All-Parteien-Koalition zusammen. Das Parlament stimmte dem "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten" zu, den alle Bundestagsfraktionen von CDU / CSU, SPD, FDP und DP (Deutsche Partei) im Frühjahr gemeinsam eingebracht hatten. 
 ...
Größte Anhebung
Hinter dem nur vier Artikel umfassenden gesetzlichen Entwurf verbarg sich die vermutlich rapideste und umfangreichste Pensionsanhebung der bundesdeutschen Geschichte. Auf einen Schlag verdoppelten sich die Altersbezüge ("Ehrensold"). Bis dahin bekamen ausgeschiedene Bundespräsidenten die Hälfte ihrer Bezüge als Altersversorgung - nun wurde das Gehalt zu 100 Prozent als Ehrensold weiter bezahlt. Die einvernehmliche Großzügigkeit hatte nie öffentlich genannte Gründe. Nicht einmal in den Protokollen des Haushalts- und des Innenausschusses, die den Gesetzentwurf beraten hatten, sind sie verzeichnet.
...
Der eine Grund hieß Konrad Adenauer (CDU). Der erste Nachkriegskanzler regierte seit 1949 und war mit seinen inzwischen 83 Jahren selbst für die eigene Partei zu alt für das Regierungsamt. Er sollte den Weg freimachen für Wirtschaftsminister Ludwig Erhard (CDU). Adenauer hatte dem Druck nachgegeben und sich im April 1959 bereiterklärt, als Nachfolger für Theodor Heuss als Bundespräsident zu kandidieren. Dessen Ausscheiden nach zwei Amtszeiten stand im September 1959 an. Um Adenauer das sehnlich erwartete Ausscheiden aus der Regierung zu erleichtern, sollte er mit der Aussicht auf üppige Altersversorgung nach dem Ende seiner Bundespräsidentschaft geködert werden.
...
Der andere Grund hieß Theodor Heuss. Denkbar ist, dass Heuss, der unter den Westdeutschen höchstes Ansehen genoss, für seine außerordentliche Leistung mit den verdoppelten Altersbezügen honoriert werden sollte. Der zweite Grund ist zum Tragen gekommen, der erste nicht. Nachdem Adenauer erkannt hatte, dass das Amt der Bundespräsidenten so machtlos ist, wie er es sich für Heuss gewünscht hatte, schwand seine Bereitschaft zur Kandidatur, und er blieb im Kanzleramt.
....
Aber weder der eine noch der andere Grund war der, auf den sich die All-Parteien-Koalition damals verständigt hat. Um den zu erfahren, genügt ein Blick in das Buch "Der Sold des Politikers", das im September 1959 erschien. Darin heißt es, die Fraktionen hätten die Verdoppelung der Altersbezüge für notwendig gehalten, weil der ehemalige Bundespräsident voraussichtlich von vielen Seiten stark in Anspruch genommen werde und dadurch "sehr erhebliche Repräsentationsaufwendungen" habe. 
....
Alles abgegolten
Mit anderen Worten: Die Kosten des Büros, des Referenten etc. für den Alt-Bundespräsidenten, sollten mit Verdoppelung des Ehrensolds abgegolten sein. Ex-Bundesvertriebenenminister Heinrich Windelen (CDU), damals Mitglied des Haushaltsausschusses, interpretiert das heute so: Es sei "sehr wahrscheinlich", dass nach der Verdoppelung des Ehrensolds die Repräsentationsaufwendungen vom ehemaligen Bundespräsidenten selbst zu tragen seien.
Geworden ist daraus Folgendes: Zum verdoppelten Ehrensold auf Lebenszeit von inzwischen 199 000 Euro kommt die Übernahme der Kosten für Büro, Referent, Wagen, Chauffeur in Höhe von 280 000 bis 350 000 Euro jährlich, die in keinem Gesetz geregelt ist, sondern vom Haushaltsausschuss stillschweigend bewilligt wird. Das ist genau das Gegenteil dessen, was das Parlament 1959 beabsichtigte. 

mz-web.de
...

Keine Kommentare: