Thomas Baader
“Wird man doch noch sagen dürfen” - diesen sehr passenden Titel hat sich
Naika Foroutan für ihre im SPIEGEL abgedruckte Kampfschrift ausgesucht.
Passend deshalb, weil er entgegen der Absicht der Verfasserin zur
ungewollten Selbstbeschreibung geworden ist: Denn Naika Foroutan wird
doch wohl noch sagen dürfen, dass Buschkowsky ein verdammter Rassist
ist.
Es tobt und bebt in ihr, das kann man aus jedem Satz herauslesen. Naika
Foroutan spielt ihre Lieblingsrolle: Mit dem Pathos der Verteidigerin
geschändeter Migrantenehre tritt sie in den Ring, um es mit Heinz
Buschkowsky aufzunehmen, einer jener düsteren Gestalten, die von Zeit zu
Zeit ihr garstiges Haupt erheben, um den Einwanderern in Deutschland
das Leben schwer zu machen. Ohne Buschkowsky, da ist sie sich sicher,
wäre die Multikulti-Idylle noch intakt. Oder sagen wir: ohne Buschkowsky
und seinesgleichen. Die Wutsoziologin ist wieder da, und sie schreibt
eigentlich gar nicht selbst; vielmehr schreibt es in ihr aus ihr heraus.
Im (selbst)gerechten Zorn inszeniert Naika Foroutan sich als Heilige
Johanna der Hinterhofmoscheen, eine Darbietung freilich, um die sie
eigentlich keiner so richtig gebeten hat.
Als erstes Argument müssen die NSU-Opfer herhalten, als zweites die
Opfer von Kindesmissbrauch. Denn diese Dinge geschehen in Deutschland
und man könnte sie deshalb wohl irgendwie als Teil der deutschen Kultur
begreifen. Nein, könnte man natürlich doch nicht, heißt es dann schnell.
Denn frei nach der Methode Hohmann ergeht sich Naika Foroutan in einem
ersten Schritt in Absurditäten, um sie dann in einem zweiten Schritt zu
verneinen. Denn wenn Kindesmissbrauch nicht mit deutscher Kultur erklärt
werden kann, dann wohl Ehrverbrechen auch nicht mit türkischer Kultur,
so Foroutans Logik, die als naive Kinderlogik zu bezeichnen wäre, wenn
sie nicht so berechnend eingesetzt würde. Eines beweist sie aber: Von
Verbrechen, die im Namen der Ehre begangen werden, versteht Naika
Foroutan nichts. Was sie freilich nicht daran hindert, eine Meinung dazu
zu haben.
Wovon Frau Foroutan keine Ahnung hat
Thomas Baader
Ich dachte ja eigentlich, zum Buschkowsky-Artikel von Naika Foroutan im
SPIEGEL hätte ich alles Wesentliche gesagt. Da mich nun einige
Nachfragen und Bitten um Konkretisierung erreicht haben, muss ich wohl
etwas weiter ausholen.
Auf gerade mal zwei Seiten Text verwendet Naika Foroutan neunmal das
Wort “rassistisch” bzw. “Rassismus”. Im Sinne einer klassischen
Textanalyse würde man wohl sagen, dass Foroutan durch ständiges
Wiederholen bestimmter Schlüsselbegriffe den Leser auf einer emotionalen
Ebene ansprechen und somit von der Dürftigkeit ihrer Argumentation
ablenken möchte. Wer so schreibt wie Foroutan, will keine Debatte
führen, sondern diffamieren. Buschkowsky ist ein Rassist. Das ist die
Botschaft, die hängen bleiben soll.
Und irgendwann kommt der absurde Vergleich zwischen Ehrenmorden und
Kindesmissbrauch. Die Deutschen sind ja nicht schließlich alle
Kinderschänder und die Türken daher auch nicht alle Ehrenmörder.
Letzteres hat natürlich auch niemals irgendjemand behauptet. Foroutan
tut aber ganz gerne mal so, als ob.
Dass allerdings das Phänomen Ehrenmord in bestimmten Einwanderergruppen
verbreitet ist und in anderen eben nicht, hätte auch Naika Foroutan
stutzig werden lassen können. Dabei hätte sie das Wesentliche zu dem
Thema auch bei Deniz Yücel in der taz nachlesen können: “[...] dass
Geschwister oder Väter einen Mord begehen, weil sie einen archaischen
Ehrenkodex verletzt sehen, ist im 21. Jahrhundert nur in bestimmten
Kulturkreisen verbreitet – und in anderen nicht.” Oder anders
ausgedrückt: Kennt Naika Foroutan irgendwelche Internetforen, in denen
Deutsche den letzten Fall von Kindesmissbrauch feiern und sich darüber
auslassen, dass dies dem Opfer recht geschieht, ja sogar ankündigen,
demnächst selbst zu Täter zu werden? Nein, es gibt keine Solidarität mit
dem Kinderschänder und auch nicht mit dem Verursacher eines
Familiendramas. Der Täter ist isoliert.
Was es aber gibt, ist die unbändige Freude über einen vollzogenen
Ehrenmord - und das, Frau Foroutan, gibt es eben leider nur bei
bestimmten Bevölkerungsgruppen. Vietnamesische Ehrenmord-Fans werden Sie
nicht finden.
Dafür aber das hier… afganischstämmige Internetnutzer schrieben nach den
Ehrenmord an Morsal Obeidi in Hamburg: “hat der gut gemacht und jetzt
was wollt ihr machen”; “du scheiß deutscher du verstehst nicht die
kultur der afghaner du bastard sie hat aus den schlägen nichts gelernt”;
“Wenn ich mit einen Jungen gesehen werden würde, würde mir vielleicht
das selbe zustoßen”; “bin selbst ein Bruder und würde das selbe machen
wenn meine Schwester was falsches begehen würde”.
Mehr O-Töne gefällig? Jesidische Nutzer nach dem Mord an Arzu Özmen:
“Wenn meine Schwestern sowas machen sind die TOT .so ist das bei uns
yeziden”; “arzu hat es teilweise auch selbst provoziert”; “was für ein
stück dreck,hat nicht nur ihr leben zerstört sondern das von 5”; “wie
kann man nur eine tochter haben die so viel unheil über einen bringt”.
Das ist nur eine sehr kleine Auswahl aus einer Flut gut dokumentierter
Aussagen. Sie belegen vor allem eines: dass die Soziologin Naika
Foroutan das Phänomen Ehrenmord nicht versteht. Der Freiburger
Psychologie-Professor Jan Ilhan Kizilhan, der im Gegensatz zu Foroutan
im Bereich Ehrenmorde umfangreiche Forschungen betrieben hat, kommt
richtigerweise zu dem Schluss: “Es dreht sich alles um die Frage: Was
denken die Verwandten? Sind wir schwach?” Und somit sollte klar sein:
Kindesmissbauch IST überall. Er kommt in allen Kulturen vor. Und
Ehrenmord nun einmal nicht.
Doch im Fall von Naika Foroutan erzeugt das Weltbild die Wahrnehmung
anstatt umgekehrt. So fragt sie etwa, warum es eine Plakataktion gegen
Salafisten gebe, aber keine vergleichbare Plakataktion gegen
Rechtsextremisten. An der Stelle fragt man sich wirklich, in welchem
Land Foroutan lebt. An Schulen und in Vereinen sind ständig und in
großer Zahl Aktivitäten gegen Rechtsextremismus üblich, während man
vergleichbare Projekte zum Thema Islamismus mit der Lupe suchen muss.
Und wäre die achtzehnjährige Jesidin Arzu Özmen in Detmold von
Rechtsextremen ermordet worden statt von ihren eigenen Verwanden, so
darf man annehmen, dass der Trauermarsch von allerhöchster
Parteiprominenz begleitet worden wäre anstatt von B- und C-Politikern.
Aber wo Schwarz-Weiß-Denken vorherrscht, kommt man natürlich auch zu die
Realität massiv verkennenden Behauptungen wie: “Wir leben in einem
Land, in dem viele glauben, muslimische Männer würde hier ihre Frauen
unters Kopftuch zwingen.” Aber wer wie ich seit Jahren aktiv in einem
Verein arbeitet, der muslimische Opfer patriarchalischer Strukturen
betreut, der glaubt nicht nur, der weiß um den Kopftuchzwang, den es
hierzulande gibt. Ich vermute, dass Naika Foroutan selbst niemals mit
solchen Betroffenen gesprochen hat. Geschichten von jungen Frauen, die
im Grundschulalter irgendwann gesagt bekommen haben “Jetzt wird es
langsam aber mal Zeit, dass du ein Kopftuch trägst”, interessieren sie
vermutlich auch nicht. In diesem Bereich gibt es viel zu erforschen und
zu dokumentieren. Man muss es nur wollen.
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