Mittwoch, 23. März 2011

2. Woche „Gott sei mir Sünder gnädig“ – Ich bin nicht vollkommen

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16.03.2011 - 15:00 
7 Wochen Ohne Fastenmail

„Gott sei mir Sünder gnädig“ – Ich bin nicht vollkommen

Lukas 18,9-14
Das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner

Er sagte aber zu einigen, die sich einbildeten, fromm zu sein, und die andern verachteten, dies Gleichnis: Zwei Männer gingen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich allein hin und betete so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. Doch der Zöllner blieb hinten stehen und wollte auch nicht die Augen zum Himmel aufheben, sondern schlug sich an die Brust und sagte: Gott, sei mit Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt in sein Haus hinab, nicht aber jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.
   
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Wenn immer wir die Sünden und Fehler anderer betrachten, stellt sich leicht das wohlige Gefühl der Selbstgerechtigkeit ein. Nach außen hin empören wir uns: „Wie kann man nur…!“ Aber innerlich empfinden wir eine klammheimliche Genugtuung. Der Blick auf das, was andere falsch machen, erweckt in uns den trügerischen Eindruck, trotz aller Unvollkommenheit doch ganz in Ordnung zu sein. Freilich: Schon die Tatsache, dass wir es für ein gutes Selbstgefühl offensichtlich nötig haben, auf andere herabzuschauen, sollte uns misstrauisch machen.



„Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die anderen Leute: Räuber, Betrüger, Ehebrecher... oder auch dieser Zöllner…“ – Warum messen wir uns so gern an offensichtlichen Sündern? An dem Politiker, den man bei einem Vergehen  erwischt hat, dem Promi, dessen Ehe in Scherben liegt, oder an der bigotten Nachbarin, die zwar ständig fromme Worte im Mund führt, aber deren Kinder gerade auf die schiefe Bahn geraten (was uns im gleichen Maß entsetzt wie insgeheim befriedigt)? Ist das nicht letzten Endes eine Ausrede: der traurige Versuch, uns selbst gerecht zu sprechen, indem wir auf die Sünden anderer verweisen? Und wäre das nicht ein spannendes Ausreden-Fasten, wenn wir in den nächsten Wochen mal völlig darauf verzichten würden, über die Verfehlungen anderer nachzudenken?



Schließlich gibt es genügend Leute, an denen wir uns stattdessen messen könnten: die großzügig, aufrichtig und liebevoll durchs Leben gehen und angesichts derer Lebensführung uns jede Selbstgerechtigkeit im Halse steckenbleibt. Etwa den Kollegen, der finanziell große Probleme hat und dennoch ehrlich bleibt. Oder die alleinerziehende Nachbarin, die tagtäglich zu kämpfen hat und dennoch für jeden ein gutes Wort findet. Wäre es nicht ein viel besseres Gebet, zu sprechen: „Herr, von diesen Leuten möchte ich mir eine Scheibe abschneiden“, statt durch den Hinweis auf die Sünden anderer von der eigenen Unvollkommenheit abzulenken?



Vielleicht wagen wir uns in den kommenden Tagen sogar einmal an das Gebet des Zöllners: „Herr, sei mir Sünder/in gnädig.“ Man muss gar nicht unbedingt tief gefallen sein, um diese Worte zu sprechen. Es genügt, einfach mal ehrlich nach innen zu schauen. Was nützt der Blick auf andere? Wir selbst sind nicht so, wie wir eigentlich sein sollten. Wir sind oft nicht mal so, wie wir eigentlich sein wollen. Wir bleiben weit hinter unserem inneren Potenzial zurück. Um das Gebet des Zöllners zu sprechen, bedarf es weder einer ausgesprochenen Verdorbenheit noch eines besonders empfindlichen Gewissens. Alles, was wir zu tun brauchen, ist die Augen unseres Herzens öffnen. Und das, was wir anderen Menschen nicht gerne offenlegen, wenigstens uns selbst und Gott gegenüber eingestehen: Ich bin Sünder. Ich entspreche nicht dem, was ich eigentlich sein könnte und sollte.



„Herr, sei mir Sünder gnädig“ heißt in diesem Zusammenhang: „Gott, mach’ trotzdem etwas aus mir. Gebrauche mein Leben. Lass mich trotzdem eine Spur der Liebe und des Segens ziehen. Lass mich diese Welt als einen besseren Platz hinterlassen. Auch wenn ich oft weit hinter meinem Potenzial zurückbleibe: Kraft deines Potenzials können selbst der größte Sünder und die größte Sünderin noch Segen bewirken. Denn deine Vollkommenheit ist stärker als meine Unvollkommenheit.“
   
Dr. Klaus Douglass
Pfarrer und Autor (www.douglass.de

Referent für missionarisches Handeln und geistliche Gemeindeentwicklung im Frankfurter Zentrum Verkündigung (www.zentrum-verkuendigung.de)

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