BERLIN (inn) – Die Zahl messianischer, also an Jesus gläubiger Juden wächst seit Ende der 60er Jahre schneller als die anderer jüdischer Bewegungen, sagt Joel Chernoff, Geschäftsführer der „Messianic Jewish Alliance of America“ (MJAA) in der „Jüdischen Allgemeinen“. Die Zeitung berichtete am Donnerstag über diesen Trend und die Sorgen der Rabbiner.
„Es ist ein Wunder“, sagt Chernoff gegenüber der „Jüdischen
Allgemeinen“. „Das messianische Judentum ist die am schnellsten
wachsende jüdische Bewegung seit 1967“, zitiert ihn die Wochenzeitung.
Seinen Angaben zufolge gibt es über eine Million Juden in den
Vereinigten Staaten, die an Jesus als den Messias glauben. Dabei stützt
er sich auf eine Studie, die schon 22 Jahre alt ist. Die Zeitung
konstatiert: „Man mag dies bezweifeln und, mangels verbindlicher Zahlen,
vorsichtigeren Schätzungen den Vorzug geben. Doch lässt sich nicht
leugnen, dass sich messianisch-jüdische Gemeinden in den USA großer
Beliebtheit erfreuen.“
Das wiederum mache Rabbinern und jüdischen Gemeindevorsitzenden
Sorgen. Sie sähen Juden, die an Jesus glauben, nicht als Juden an. Der
Rabbiner Eric Youffie etwa, vormaliger Präsident der „Union of Reform
Judaism“, halte sie „für Christen, die vorgeben, Juden zu sein“. Der
Rabbiner Stuart Federow, Betreiber der Website „whatjewsbelieve.org“,
bringt in dem Beitrag seine Abneigung zum Ausdruck: „Die messianischen
Juden wollen uns weismachen, dass sie gleichzeitig Juden und Christen
sein können. In Wirklichkeit dienen ihnen die jüdischen Rituale und
Symbole nur dazu, Juden zum Christentum zu bekehren. Dafür werden
Millionen Dollar ausgegeben.“ Auch der „Missbrauch“ jüdischer Symbole
und Rituale werde von den jüdischen Geistlichen kritisiert, so das
Blatt, etwa wenn statt traditioneller Gebete Psalmen und Lieder auf
Englisch gesungen würden, Kollekte eingesammelt und dazu aufgerufen
werde, „jüdische Freunde mit in den Gottesdienst zu bringen“. Das sei
„gänzlich unjüdisch“.
Der messianisch-jüdische Rabbiner Scott Sekulow aus Atlanta
beispielsweise übertrage seinen Gottesdienst über Video im Internet und
erreiche damit an Feiertagen über 2.500 Menschen. Jesusgläubige Juden
beklagten sich oft über das Misstrauen und die Vorurteile, die ihnen
entgegengebracht werden, berichtete die „Jüdische Allgemeine“ weiter –
„und zwar sowohl auf jüdischer als auch auf christlicher Seite“. Einen
Dialog zwischen traditionellen Rabbinern und messianischen
Gemeindeleitern gebe es fast nicht, eher gingen sich die „Kollegen“ aus
dem Weg.
„Es bewegt sich gewaltig etwas“
In Deutschland sei die Zahl der messianischen Juden in den
letzten Jahren sogar noch schneller gewachsen als in den USA, meint
Vladimir Pikman im Gespräch mit Israelnetz. Er ist Rabbiner der
messianisch-jüdischen Gemeinde in Berlin und leitet den
„Evangeliumsdienst Beit Sar Shalom“, der Juden mit Jesus als Messias
bekannt machen möchte. Vor 20 Jahren habe es nur etwa 100 messianische
Juden in Deutschland gegeben, heute seien es etwa 5.000, meist stammten
sie aus Russland. Viele von ihnen besuchten christliche Gemeinden, etwa
1.200 gehörten zu einer der etwa 40 messianisch-jüdischen Gemeinden. „In
den USA ist die Bewegung am stärksten, da es dort bereits die zweite
und dritte Generation messianischer Juden gibt. Die Leiter sind
theologisch gut ausgebildet und haben starke Allianzen“, sagt Pikman
gegenüber Israelnetz.
In Deutschland sei die Gruppe noch jung, erst 1995 entstand in
Berlin die erste messianische Gemeinde. In Israel habe sich die Zahl
jesusgläubiger Juden in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Hunderte
Gemeinden gebe es in der ehemaligen Sowjetunion, auch bei den
sefardischen Juden mit spanischen Wurzeln in Südamerika erhöhe sich der
Anteil derjenigen, die an Jesus glauben, sagt Pikman. „Es bewegt sich
gewaltig etwas bei den Juden.“
Viele Juden in der westlichen säkularisierten Welt seien von
der strikten Religion der Orthodoxen enttäuscht und suchten neue
geistliche Erfahrungen. „Viele Juden erkennen, dass Jesus auch ein Jude
war, und dass es deshalb relevant ist, an ihn zu glauben“, erklärt
Pikman. Nicht zuletzt sieht er in der Entwicklung auch ein Zeichen der
Zeit: „Gottes Geist bereitet das Wiederkommen von Jesus vor.“
Mehr Freiheit für messianische Juden
Im Verhältnis zu traditionellen jüdischen sowie zu christlichen
Gemeinden gebe es „positive Tendenzen“, die Ablehnung werde weniger.
Den Vorwurf, messianische Juden seien keine richtigen Juden, höre er
zwar auch. Aber das hält Pikman aus rabbinisch-talmudischer Sicht für
falsch: Man werde als Jude geboren und sterbe auch als solcher, das sei
nicht zu ändern. Christliche Gemeinden lernten mittlerweile, dass Jesus
der Messias Israels sei. „Man zwingt uns messianische Juden nicht mehr
dazu, von der Kultur her christlich zu werden. Es ist nicht mehr so,
dass man nur ganz Jude oder ganz Christ sein kann. Messianische Juden
haben viel Freiheit, ihre jüdische Kultur zu leben.“
Der europäische Direktor von „Juden für Jesus“, Avi Snyder,
sagte dazu auf Anfrage von Israelnetz: „Wir sind sehr ermutigt davon,
dass zunehmend mehr Christen in Deutschland, die unser jüdisches Volk
wirklich lieben, diese Wahrheit verstehen – dass es das Liebevollste
ist, was ein Christ tun kann, für die Errettung des jüdischen Volkes zu
beten.“
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