Samstag, 31. August 2013

Christen vor dem Exodus

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In Ägypten eskaliert die Gewalt gegen die koptisch-orthodoxen Christen


Kommentar von Helmut Frank


Seit 1600 Jahren wurde im koptischen Kloster im mittelägyptischen Degla jeden Tag gebetet. Vergangene Woche war damit Schluss. Erstmals in seiner Geschichte hat der Konvent seine Gottesdienste ausfallen lassen. Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi hatten den Klosterkomplex mit seinen drei Kirchen angegriffen.

Seit einigen Tagen herrscht eine Pogromstimmung gegen die Christen im Land. Muslimbrüder verwüsteten rund 60 christliche Gotteshäuser oder steckten sie in Brand. Kirchliche Schulen, Krankenhäuser, Gästehäuser, Buchläden und Wohnungen von Christen wurden von militanten Mursi-Anhängern angegriffen. Die Islamisten attackierten Gläubige während des Gebets und vergewaltigten Nonnen.

Radikale Muslime hielten in manchen zerstörten Kirchen Gebete ab, um sie zu entweihen. Mehrere Christen starben bei den Übergriffen, aber auch gemäßigte Muslime, die sich schützend vor ihre Nachbarn stellten. Einige Imame riefen die Muslime auf, sich schützend vor Kirchen zu stellen. Ägyptens Christen haben in dieser Woche die schlimmste Gewalt seit sechs Jahrhunderten erlebt.

Dennoch werden die Muslimbrüder von manchen Politikern Europas und der USA immer noch als Opfer dargestellt. Schließlich seien sie in einer demokratischen Wahl an die Macht gekommen.

Immer noch wird die Wiedereinsetzung des inhaftierten islamistischen Präsidenten Mursi mit der Wiederherstellung der Demokratie gleichgesetzt. Doch mit Demokratie hatten die Muslimbrüder nie etwas am Hut.

Mursi hatte die Präsidentschaftswahl nur knapp gewonnen, dann aber die gesamte Macht an sich gerissen. Er hat im Schnellverfahren eine islamistische Verfassung durchgedrückt und damit begonnen, Staat und Gesellschaft nach den Prinzipien der Scharia umzugestalten. Sein Ziel war ein Gottesstaat, liberale Muslime und Christen hätten darin keinen Platz gehabt.

Das Militär hätte mit der neuen Situation leben können - wenn nicht in dem Jahr unter den Muslimbrüdern Tourismus und Wirtschaft dramatisch eingebrochen wären. Für das Militär war dies letztlich der Grund zum Putsch am 3. Juli, denn Offiziere kontrollieren immer noch große Bereiche der ägyptischen Wirtschaft.

Wie geht es für die Christen nun weiter? Kommt es zu einem Auszug der christlichen Minderheit aus Ägypten? Der koptisch-orthodoxe Papst Tawadros II. will den schweren Weg weitergehen. Die zerstörten Kirchen seien das Opfer, das die Christen »für unser geliebtes Ägypten« brächten, sagt er. Man ahnt jedoch, dass die Christen in Ägypten nur eine Zukunft haben, wenn das Militär den islamistischen Aufstand in den Griff bekommt.


Sonntagsblatt aus Bayern

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