Donnerstag, 1. August 2013

Jonny-K.-Prozess - ohne Worte

...
Angeklagten werden Reifeverzögerungen attestiert

Im Prozess um den in Berlin tot geprügelten Jonny K. haben Sozialarbeiterinnen die Reife der Angeklagten beurteilt. Sie halten Bewährungsstrafen für angebracht. Die Schwester des Opfers ist entsetzt. ...... von Michael Mielke


Im Prozess um den Tod des 20-jährigen Jonny K. haben am Donnerstag Vertreterinnen der Jugendgerichtshilfe zu drei Angeklagten, die zur Tatzeit noch Heranwachsende waren, Stellung genommen. Jonny K. wurde in der Nacht zum 14. Oktober 2012 am Alexanderplatz so heftig angegriffen, dass er stürzte und einen Tag später im Krankenhaus Friedrichshain an Hirnblutungen starb. Die Sozialarbeiterinnen gingen bei allen drei Angeklagten davon aus, dass es bei ihnen Reifeverzögerungen gebe und sie als Jugendliche – also nach dem milderen Jugendgerichtsgesetz – zu sanktionieren seien.

Es sei zu berücksichtigen, so die Vertreterinnen der Jugendgerichtshilfe, dass die Angeklagten noch bei den Eltern leben und auch noch keine Vorstellungen über ein eigene Leben hätten. Der 19-jährige Osman A. sei vor dem Vorfall auf dem Alexander wegen Gewaltstraftaten niemals auffällig geworden, hieß es. Er ordne sich andererseits aber stark einer Gruppe unter und sei "dann auch nicht in der Lage, die Tragweite seines Handelns zu begreifen".
Künftig, so die Sozialarbeiterin, seien von Osman A. aber keine weiteren Straftaten zu erwarten. Sie plädierte, gegen ihn einen vierwöchigen Dauerarrest zu verhängen, der durch die erlittene Untersuchungshaft aber schon abgegolten sei. Außerdem möge das Jugendgericht ihm die Auflage geben, Freizeitarbeiten zu verrichten.

Jugendtypischen Gruppendynamik

Ähnlich war die Einschätzung für den 20-jährige Mehmet E. Auch bei ihm sah die Sozialarbeiterin keine schädlichen Neigungen. Sein Handeln am Tattag resultiere offenkundig aus einer jugendtypischen Gruppendynamik. Sie schlug vor, Mehmet E. eine Verwarnung zu erteilen. Zudem könne er Arbeitsleistungen für den Opferfonds erbringen. Dieses Geld könne für die von Jonny K.s Schwester Tina K. gegründete "I Am Jonny"-Stiftung gespendet werden.
Etwas konsequenter waren die Forderungen für den 19-jährigen Onur U., der nach Meinung der Staatsanwaltschaft Jonny K. am 14. Oktober völlig grundlos den ersten Faustschlag versetzt haben soll. Der Angeklagte ist bereits wegen Gewaltstraftaten vorbestraft. Hier seien schädliche Neigungen zu erkennen, sagte die Jugendgerichtshelferin. Aber es gebe auch bei Onur U. erhebliche Entwicklungsdefizite. Er lebe ebenfalls noch in seinem Elternhaus und folge den Weisungen der Eltern. So habe er selber gesagt: "Ohne Mutter geht gar nichts".
Onur U. sei jahrelang Amateurboxer gewesen. "Völlig aus der Bahn geworfen" habe ihn eine Verletzung an der Hand, die ihn zwang, den Sport aufzugeben. Es sei vermutlich unumgänglich, so die Sozialarbeiterin, gegen Onur U. Jugendstrafrecht anzuwenden. Sie plädiere aber dafür, diese Strafe zur Bewährung auszusetzen.

Schwester findet Einschätzungen "unerträglich"

Tina K. sagte der "Welt", dass sie große Probleme hatte, den Jugendgerichtshelferinnen zuzuhören. So es doch keineswegs zwingend mit einer Entwicklungsverzögerung zu erklären, wenn die Angeklagten noch bei ihren Eltern wohnen. "Weiß doch eigentlich jeder, der sich damit beschäftigt, dass diese Jungs aus türkischstämmigen Familien in der Regel das Elternhaus erst verlassen, wenn sie heiraten", sagte die 28-Jährige.
Sie könne auch nicht nachvollziehen, "dass zwei dieser Angeklagten angeblich kein Aggressionspotential haben sollen, obwohl sie ja auch nach eigener Aussage an dieser Schlägerei beteiligt waren, die meinem Bruder das Leben kostete." Unerträglich sei für sie auch "der Gedanke, so Tina K., "dass diese Angeklagten jetzt ausgerechnet für die "I Am Jonny"-Stiftung Geld erarbeiten sollen."
Der Prozess wird am 6. August mit einer Zeugenaussage fortgesetzt. Für den 12. August werden die Plädoyers der Staatsanwaltschaft erwartet.

Keine Kommentare: