Freitag, 4. Oktober 2013

Zöliakie: Wie erkennt man die Symptome und wie erfolgt die Diagnose?

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Die Symptome der Zöliakie sind oft unspezifisch und leicht mit den Symptomen von Nahrungsmittelallergien oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten zu verwechseln. Die richtige Diagnose ist deshalb entscheidend. MeinAllergiePortal sprach mit Frau Dr. Stephanie Baas, medizinische Beraterin der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e.V. (DZG) in Stuttgart über mögliche Symptome und das richtige Vorgehen bei der Diagnose.

 Frau Dr. Baas, welche Symptome sind typisch für eine Zöliakie?

Zunächst muss man sagen, dass die meisten Zöliakie-Patienten nur minimale Beschwerden haben und oft auch nur einzelne Symptome zeigen. Im Magen-Darm-Bereich kann sich die Zöliakie durch Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfungen Blähungen, Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit und das Gefühl von Müdigkeit und Schlappheit bemerkbar machen.


Häufig leiden Zöliakie-Betroffene aber nicht an diesen typischen Beschwerden. Vielmehr leiden Menschen mit Zöliakie oft unter Abgeschlagenheit und Nährstoffmangelerscheinungen und weisen Defizite an Eisen, Zink, Folsäure, Kalzium und Vitamin D. Besteht ein Zinkmangel kann es auch zu Hauterkrankungen kommen, z.B. zu Exanthemen (Hautausschläge). Kalziummangel und Vitamin D-Mangel können zu einer frühzeitigen Osteoporose führen. Der Mangel an Folsäure kann sich durch eine verminderte Bildung von weißen Blutkörperchen bemerkbar machen oder, bei werdenden Müttern, durch ein Spina bifida beim ungeborenen Kind. Auch erhöhte Leberwerte können ein Zeichen für eine Zöliakie sein.



Weitere Symptome zeigen sich in den sogenannten "extraintestinalen Manifestationen". Darunter versteht man die Manifestationen der Zöliakie, die außerhalb des Magen-Darm-Traktes zu finden sind und die nicht auf Nährstoffdefizite zurückzuführen sind. Zu diesen extraintestinalen Manifestationen gehören z.B. gynäkologische Probleme wie Infertilität, Fehlgeburten, Frühgeburten und Zyklusstörungen. Eine Zöliakie kann aber auch neurologische Probleme, Depressionen, Migräne, die erwähnten Leberwerterhöhungen oder eine Dermatitis herpetiformis Duhring verursachen.

Auch andere Organsysteme können Manifestationen der Zöliakie zeigen, allerdings sind diese seltener. Leider treten auch, trotz guter Diätführung, bei manchen Zöliakiebetroffenen neurologische Probleme auf, wobei deren Entstehung bishernoch nicht gut untersucht wurde.


Wie geht der Arzt vor, um die Zöliakie zu diagnostizieren und was ist zu beachten?

Die Diagnostik ist extrem wichtig. Insbesondere ist es wichtig, dass die Diagnose vor der glutenfreien Ernährung erfolgt. Heutzutage steht eine Vielzahl an glutenfreien Lebensmitteln zur Verfügung. Da liegt es nahe, dass man als Betroffener, bei Verdacht auf Zöliakie, diese Lebensmittel einfach ausprobiert, um zu sehen, ob sich die Beschwerden dann verbessern. Eine länger andauernde glutenfreie Diät von ca. 2 bis 4 Wochen erschwert jedoch die Diagnostik, denn dadurch werden die Antikörper abgebaut und die Darmschleimhaut baut sich wieder auf. Eine Zöliakie lässt sich dann nicht mehr gut nachweisen.
Patienten, die eine Zöliakie bei sich vermuten, sollten deshalb lieber gleich einen Gastroenterologen aufsuchen und nicht auf eigene Faust eine glutenfreie Diät beginnen. Ansonsten müssten diese Patienten, um eine sichere Diagnose zu gewährleisten, erneut über einen längeren Zeitraum Gluten zu sich nehmen. Dies kann sehr unangenehm sein, denn man ruft ja erneut Beschwerden hervor, wenn man nach einer beschwerdefreien Karenzphase wieder mit dem Verzehr von Gluten beginnt. Und dies nur, um eine sichere Diagnose zu stellen! Auf der anderen Seite ist es sehr wichtig, sicher zu wissen, ob es sich um eine Zöliakie handelt oder nicht. Ist dies nicht eindeutig geklärt, besteht die Gefahr, dass sich der Patient nach einer gewissen Zeit nicht mehr an die glutenfreie Diät hält und damit großen Schaden anrichtet.


Beim Arzt wird in der Regel wird zuerst ein Bluttest gemacht, der Tranglutaminase-IgA-Antikörpertest. Es gibt auch noch andere Testverfahren, die aber nicht so häufig eingesetzt werden. Der nächste Schritt wäre dann eine Magenspiegelung, bei der man mehrere Gewebeproben aus dem Zwölffingerdarm entnimmt. 



Dabei ist es besonders wichtig, dass nicht nur eine einzelne Probe, sondern fünf bis sechs Proben aus verschiedenen Bereichen des Zwölffingerdarms entnommen werden, damit man eine bessere Übersicht über den Gesamtzustand der Darmschleimhaut erhält. Bei der Zöliakie sind die Veränderungen der Darmschleimhaut manchmal nicht gleichmäßig verteilt. Vielmehr können die entzündlichen Veränderungen fleckenförmig auftreten. Bei einer einzelnen Biopsie besteht deshalb immer die Gefahr, die Zöliakie zu übersehen. 



Anhand dieser Gewebeprobe lässt sich dann die Schädigung der Darmschleimhaut erkennen. Aus der Kombination aus wegweisenden Symptomen, den Antikörpern im Blut, der Biopsie und der Verbesserung der Symptome unter glutenfreier Diät ergibt sich dann die Diagnose Zöliakie.   



Welche anderen Testverfahren gibt es und wann werden sie eingesetzt bzw. warum werden sie selten eingesetzt?

Neben dem Tranglutaminase-Antikörpertest gibt es noch andere Antikörpertests, wie z.B. den Test auf Endomysium-IgA-Antikörper). Dieser Test ist schon länger im Einsatz und entspricht qualitativ dem Tranglutaminase-Antikörpertest. Allerdings wird der Endomysium Antikörper-Test nicht von allen Laboren angeboten. Zum einen ist dieses Testverfahren deutlich aufwendiger als der Tranglutaminase-Antikörpertest. Zum anderen bedarf es auf Seiten des Labors einer gewissen Erfahrung und Expertise, um die Ergebnisse dieses Tests korrekt auszuwerten. Der Tranglutaminase-Antikörpertest ist im Vergleich deutlich einfacher in der Handhabung und wird deshalb von den Laboren bevorzugt. 


Außerdem gibt es noch die neueren Gliadin Antikörper-Tests, die sogenannten deamidierten Gliadin-Peptid-Antikörper-Tests. Hier kommen vor allem die IgG-Antikörper zum Einsatz. Diese Diagnoseverfahren sind etwas schlechter als Tranglutaminase-Antikörpertest und Endomysium-Antikörper-Test (IgA), werden aber eher bei einem IgA-Mangel eingesetzt. 



Das hat den folgenden Hintergrund: Die bei der Zöliakie auftretenden Antikörper sind hauptsächlich IgA-Antikörper und genau diese IgA-Antikörper werden durch den Tranglutaminase-Antikörpertest und den Test auf Endomysium-Antikörper bestimmt. In der deutschen Bevölkerung ist jedoch der IgA-Mangel der am häufigsten auftretende Immundefekt – die Häufigkeit liegt bei 1 zu 500. Besteht also dieser Immundefekt, d.h. ein IgA-Mangel, kann der Körper IgA-Antikörper entweder schlecht oder gar nicht produzieren. Diese werden deshalb auch bei bestehender Zöliakie nicht vom Körper gebildet. Wenn man vorher nicht weiß, ob der Betroffene einen IgA-Mangel hat, weiß man bei einem negativen Ergebnis der Tests auf Tranglutaminase-Antikörper und Endomysium-Antikörper nicht, ob nicht doch eine Zöliakie vorliegt. Es ist deshalb wichtig, zu Beginn der Diagnostik, zumindest einmalig, zu bestimmen, ob der Betroffene überhaupt IgA-Antikörper herstellen kann. Es ist deshalb sinnvoll, gleich zu Beginn der Diagnostik Transglutaminase IgA und das Gesamt-IgA abzuklären, denn dadurch werden zeitliche Verzögerungen durch evtl. weitere Tests vermieden. Dies ist auch deshalb wichtig, weil der Patient so schnell wie möglich erfahren sollte, ob bei ihm eine Zöliakie vorliegt oder nicht. Vergeht zu viel Zeit zwischen dem Zöliakie-Verdacht und der eigentlichen Diagnose, besteht die Gefahr, dass der Patient aus Ungeduld selbstständig mit einer glutenfreien Diät beginnt und dies würde die Ergebnisse aller nachfolgenden Tests verfälschen. Besteht tatsächlich ein IgA-Mangel, würde man bzgl. der Transglutaminase einen IgG-Antikörpertest bevorzugen und/oder den deamidierten Gliadin-Peptid-IgG-Antikörper-Test. Dieser Test kann auch immer dann zusätzlich angewendet werdent, wenn man mit der Transglutaminase-Testung nicht weiter kommt.



Die Symptome der Glutensensitivität sind denen der Zöliakie sehr ähnlich, worin bestehen die Unterschiede?

Anhand der Symptome lassen sich die Zöliakie und die Glutensenstivität nicht unterscheiden. Allerdings scheint die Glutensensitivität nicht so stark mit den extraintestinalen Beschwerden einherzugehen.


Wie sieht die Diagnose dann bei der Glutensensitivität aus?

Für die Glutensensitivität verfügen wir zurzeit noch nicht über einen Marker, der die Erkrankung im Blut nachweist – daran wird noch geforscht. Entzündungen des Darms findet man bei der Glutensensitivität nicht. Die Glutensensitivität stellt daher momentan eine Ausschlussdiagnose dar. Wenn man weder die für die Zöliakie typischen Antikörper im Blut findet, noch die typischen Veränderungen der Darmschleimhaut und wenn kein Hinweis auf eine Weizenallergie oder eine Roggenallergie vorliegt, sich die Beschwerden unter glutenfreier Diät aber verbessern, geht man von einer Glutensensitivität aus.

Ist die Glutensensitivität auch eine lebenslange Diagnose wie bei der Zöliakie?

Zurzeit weiß man das noch nicht so genau, da das Krankheitsbild erst seit einigen Jahren systematisch erforscht wird. Vermutlich ist es eher so, dass die Glutensensitivität nicht bei jedem Betroffenen gleich stark ausgeprägt ist und dass sie vermutlich auch in manchen Fällen wieder verschwindet. Man kann sich hier wahrscheinlich am Schweregrad der Symptome orientieren, auch in Bezug auf die glutenfreie Diät. Man muss eventuell keine strikt glutenfreie Diät einhalten, sondern es reicht aus, den Glutenkonsum so weit zu reduzieren, dass eine Beschwerdefreiheit gewährleistet ist.


Frau Dr. Baas, herzlichen Dank für dieses Gespräch!


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