Mittwoch, 12. März 2014

1. Fastenmail - Selber denken



Selber denken! Sieben Wochen ohne falsche Gewissheiten
1. Woche:  Selber denken (Epheser 5,6–11)
„Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die, die Gott nicht gehorchen. Darum habt nichts mit ihnen gemein. Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht im Herrn. Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit. Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt keine Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf.“

Verehrte Freunde des geistreichen Fastens,
willkommen in der Zeit nach der Zeit der fröhlichen Besinnungslosigkeit. Willkommen in der Phase des freiwilligen Nachdenkens. In diesem Jahr wird uns vorgeschlagen, dass wir in der Passionszeit vermeintlich Sicheres über Bord werfen. "Sieben Wochen ohne falsche Gewissheiten" lautet das Motto. Und gleich in der ersten Woche werden wir aufgefordert: Selber denken! Dazu gibt es einen Text von Paulus. Es ist nicht ganz leicht, wenn man angesichts eines Textes von einer solchen Autoritätsperson wie Paulus zum Selberdenken aufgefordert wird. Paulus gibt mir häufig das Gefühl, dass ich ihm das Denken überlassen kann. Das ist auch bei dem Text für diese Woche zunächst nicht anders. Fünf Imperative in solch einem kleinen Text machen deutlich, dass Paulus weiß, wo es langgeht. Mein Denken ist weniger gefragt als mein Handeln nach seinen Anweisungen. Also, Paulus, was hast Du uns zum Selberdenken zu sagen? Du warnst uns davor, dass uns Menschen mit leeren Worten verführen wollen. Danke für die Warnung. Leider bleibt Paulus unkonkret. Wer sind die, die uns verführen wollen mit leeren Worten? Wer sind die, deren "Mitgenossen" wir nicht werden sollen?

Aha! Ich beginne zu verstehen. Wir sollen ja selber denken. Nun gut. Fragen wir uns das also tatsächlich selbst, fragen Sie sich mal ganz konkret:

Wem möchten Sie nicht auf den Leim gehen?
Wessen Worte sind leer, aber trotzdem so verführerisch, dass Sie tatsächlich Gefahr laufen, deren Mitgenosse zu werden? Fällt Ihnen jemand ein? Eine bestimmte Partei oder Gruppierung? Ein vermeintlicher Freund? Eine Werbung? Eine Pastorin oder ein Pfarrer? Wer verspricht Ihnen etwas, was Sie wirklich reizt, und kann es nicht halten?

Was kommt dann als Anregung des Apostels zum Selberdenken? Puh, ein Abschnitt mit lauter ganz großen Begriffen: Finsternis, Licht, Güte, Gerechtigkeit, Wahrheit. Schwierig, aber wir wollen ja selber denken. Also alles schön der Reihe nach: "Ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn."

Wann waren Sie Finsternis und sind nun Licht in dem Herrn?
In welchen Situationen würden Sie sich rückblickend als finster beschreiben? Was hat dazu geführt, dass Sie licht wurden? Fühlen Sie sich heute als Licht? Und welche Rolle spielt Gott dabei, wie Sie sich selbst einschätzen? Sind Sie einfach so Licht? Oder Licht "im Herrn"?

"Die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit." Das sind schöne Worte. Wenn wir Licht sind, bringen wir also Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor. Das sind drei begriffe, über die sich vortrefflich (und länger als eine Woche lang) selbst nachdenken lässt. Machen wir mal einen Anfang:
Wie stellen Sie sich das vor, wenn aus Ihnen Güte hervorgeht?
Wie sieht es aus, wenn Sie Gerechtigkeit hervorbringen?
Was geschieht, wenn Ihre Frucht Wahrheit ist?

"Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf." O, das klingt mal spannend. Paulus fordert uns auf aufzudecken, wenn uns etwas als "Werk der Finsternis" erscheint.

Was haben Sie als Werk der Finsternis erkannt, aber bislang noch nicht aufgedeckt?
An welchen Stellen ist Ihnen unbehaglich, aber Sie beißen die Zähne zusammen, weil Sie die Reaktionen fürchten? Welche Skandale haben Sie erkannt, aber bislang immer nur mit Ihren Freunden oder am Stammtisch besprochen? Wo wird Ihnen schlecht, aber Sie schlucken weiter runter? Wo hätten Sie gern mal den Mut zu schreien? Wo eben keine Güte ist? Wo eben keine Gerechtigkeit herrscht? Wo eben nicht die Wahrheit herrscht?

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Fastenzeit! Und danke, Paulus, für die Anregungen!
Ihr Frank Muchlinsky

Frank Muchlinsky ist Pastor der Nordkirche. Er hat viele Jahre in der Erwachsenenbildung und in der Diakonie gearbeitet. Sein Schwerpunkt liegt darauf, Glaube und Theologie erfahrbar und verständlich zu machen. Das tut er in seinen Seminaren mit Erziehungsfachkräften an evangelischen Kitas ebenso wie mit der Methode des "Bibliologs", die er seit 1999 anwendet und lehrt. Seit 2012 arbeitet er bei evangelisch.de und betreut dort die Bereiche Glauben und Fragen.
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