Mittwoch, 26. März 2014

4. Selber denken! Sieben Wochen ohne falsche Gewissheiten

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4. Woche:  Selber handeln (Markus 2,23–28)
 
Und es begab sich, dass er am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist?
Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren?
Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.

Werte Selberdenkerinnen, Selbersucher und Selberrednerinnen!
Guten Tag und herzlich willkommen zur vierten Fastenwoche! Diesmal also geht es ans Selberhandeln, und zum ersten Mal in dieser Saison begleitet uns Jesus persönlich durch die Gedanken. Aber zunächst begleiten wir ihn mit den Seinen an einem wahrscheinlich sonnendurchfluteten Sabbattag. Sie ziehen über die Felder, und auf einmal beginnen die Jünger, sich von den Halmen um sie herum Ähren abzureißen. Sie pulen oder reiben sich die Körner heraus und beginnen vermutlich, die Körner zu essen. Was wie eine hübsche und harmlose Urlaubsszene wirkt, stößt allerdings auf harsche Kritik seitens derer, die hier einen Verstoß sehen gegen das dritte beziehungsweise vierte Gebot (je nach Zählweise), das da sagt, man solle den Sabbat heiligen und also nicht an ihm arbeiten (Exodus 20,8 und Deuteronomium 5,12). Woher mit einem Mal die Pharisäer kommen, um die Idylle zu stören, erzählt Markus uns nicht. Dafür aber, dass Jesus eine schlagfertige Antwort parat hat: Schon König David habe Regeln gebrochen, als er Hunger hatte und Not litt. Und Jesus setzt noch zwei Merksätze hinzu: „Der Sabbat ist um des Menschen willen geschaffen, nicht der Mensch um des Sabbats willen.“ Und: „Der Menschensohn ist Herr auch über den Sabbat.“ Ende der Diskussion. Merke: Regeln sind so lange gut, bis es Wichtigeres gibt, nach dem man sich richten muss. Das klingt vernünftig und menschenfreundlich. Soll man denn verhungern, nur weil Sabbat ist? Natürlich nicht.
Und dennoch: Irgendwie stimmt der Vergleich, den Jesus da zieht, nicht vollständig. Als David die Schaubrote aus dem Tempel für sich und seine Begleiter bekam, war wirklich Not am Mann. Sie brauchten unbedingt etwas zu essen. Von den Jüngern in unserem Markustext wissen wir nicht, ob sie tatsächlich Hunger hatten. Sie gingen doch eben noch mit ihrem Meister durch das Kornfeld. Vielleicht hörten sie ihm zu und hatten mit einem Mal einfach Appetit. Vielleicht wollten sie lediglich ein bisschen was zu knabbern haben. Nun gut, in Jesu Reaktion klingt es so, als hätten sie es wirklich nötig gehabt, die Ähren abzureißen, aber das könnte er auch lediglich gesagt haben, um seine Leute zu verteidigen, oder auch damit er etwas Grundsätzliches über das Sabbatgebot sagen kann.
Wenn aber die Jünger lediglich – vielleicht gedankenverloren – angefangen haben zu naschen, dann dürfte man schon mal nachfragen, ob Jesus findet, dass auch in einem solchen Fall das Sabbatgebot nicht unbedingt gelte. Meint Jesus vielleicht, es gehe lediglich darum, es sich am Sabbat möglichst unbeschwert gutgehen zu lassen? Das kann ich mir wiederum auch nicht vorstellen. Ich denke, er geht davon aus, dass es eben gute Gründe für seine Jünger geben könnte, sich an die Arbeit mit den Ähren zu machen. Ob es Hunger oder Naschhaftigkeit ist, das wissen nur die Jünger selbst. Und durch die freundliche Verteidigung, die Jesus für sie vorträgt, haben sie die Chance, sich zu fragen, ob sie denn nun das Richtige getan haben oder nicht. Sie sind erst einmal auf der sicheren Seite.
„Selber handeln“ heißt es diese Woche. Das haben die Jünger getan. Sie haben einfach selber zugegriffen. Jesus gibt ihnen nun die Chance, nicht nur selber zu handeln, sondern auch selber nachzudenken über ihre Handlung. Die Schelte, die die Pharisäer gern gehabt hätten, bleibt aus – aber nicht unbedingt die Einsicht. Das soll der Ausgangspunkt für unsere Übung in dieser Woche sein.
Ich schlage vor, dass Sie sich eine Liste von fünf bis sechs Dingen machen, die Sie in der letzten Zeit getan haben und von denen Sie wissen, dass sie nicht unbedingt den Regeln entsprachen. Hier ist der Platz dafür:

Nun haben Sie die Chance, ohne dass Ihnen jemand Vorwürfe macht, nachzuprüfen, ob Ihre Gründe für diese Regelverstöße eher in die Kategorie Hunger oder in die Kategorie Naschhaftigkeit fallen. Mit anderen Worten: Schauen Sie bei jedem Regelverstoß genau hin, ob Sie finden, dass Sie einen Grund hatten, den Sie nun immer noch für ausreichend halten. Denken Sie daran: Sie sind allein, niemand schaut Ihnen über die Schulter. Sie können also ganz ehrlich mit sich selbst sein. Machen Sie hinter jeden Regelverstoß ein kleines "h" oder ein "a". "h" für Hunger oder "a" für Appetit.
Nun können Sie – wie vielleicht auch die Jünger bei der nächsten ähnlichen Gelegenheit – noch besser einschätzen, ob Sie selber handeln sollten oder lieber nicht.
Ich wünsche Ihnen eine sehr schöne vierte Fastenwoche!
Ihr Frank Muchlinsky
 

Frank Muchlinsky ist Pastor der Nordkirche. Er hat viele Jahre in der Erwachsenenbildung und in der Diakonie gearbeitet. Sein Schwerpunkt liegt darauf, Glaube und Theologie erfahrbar und verständlich zu machen. Das tut er in seinen Seminaren mit Erziehungsfachkräften an evangelischen Kitas ebenso wie mit der Methode des "Bibliologs", die er seit 1999 anwendet und lehrt. Seit 2012 arbeitet er bei evangelisch.de und betreut dort die Bereiche Glauben und Fragen.


Internet: http://www.7wochenohne.de/


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